Video zeigt: Wütender Puff-Besucher rast in Menschengruppe – das Urteil überrascht
November 2017: In einem Hamburger Billig-Puff kommt es zu Rangeleien zwischen Männern. Misel H. geht vollgedröhnt mit Kokain aus dem Gebäude, steigt in sein Auto, rast rückwärts in den Eingang des Bordells in eine Menschengruppe. Der MOPO liegt ein Video des unfassbaren Vorfalls vor. Der heute 32-Jährige wird kurze Zeit später gefasst – und steht nun, gut fünf Jahre später, vor Gericht. Dort verstrickt er sich in Widersprüche, sogar bei der Zahl seiner Kinder. Der Richter glaubt ihm nicht – und fällt dennoch ein mildes Urteil.
November 2017: In einem Hamburger Billig-Puff kommt es zu Rangeleien zwischen Männern. Misel H. geht vollgedröhnt mit Kokain aus dem Gebäude, steigt in sein Auto, rast rückwärts in den Eingang des Bordells in eine Menschengruppe. Der MOPO liegt ein Video des unfassbaren Vorfalls vor. Der heute 32-Jährige wird kurze Zeit später gefasst – und steht nun, gut fünf Jahre später, vor Gericht. Dort verstrickt er sich in Widersprüche, sogar bei der Zahl seiner Kinder. Der Richter glaubt ihm nicht – und fällt dennoch ein mildes Urteil.
Lederjacke, schwarze Sneaker, gepflegter Bart: Misel H. lacht, als am Donnerstag im Gerichtssaal des Amtsgerichts Wandsbek die Aufnahmen der Überwachungskameras gezeigt werden.
Zu sehen ist, wie es in der Nacht zum 6. November 2017 in dem Billig-Bordell „Flat99“ am Albert-Schweitzer-Ring in Tonndorf (Sex gibt es hier schon für 40 Euro) zu einer Rangelei zwischen mehreren Männern im Treppenhaus gekommen ist – es sei um Drogen und Schulden gegangen, so der Angeklagte.
Tonndorf: 32-Jähriger rast 2017 vor Puff in Menschenmenge
Der Bosnier verlässt nach kurzer Zeit nach das Bordell und steigt in sein Auto. Er ist vollgedröhnt mit Kokain und Alkohol (1,24 Promille), hat keinen Führerschein. Er fährt mit dem Wagen nach hinten, bleibt stehen – und rast dann weiter im Rückwärtsgang zum Puff-Eingang, wo mehrere Männer stehen. Er fährt in die Menschengruppe, wegen des Crashs qualmt das Gebäude.
Er wäre vor den anderen Männern geflohen, so Misel H. „Wäre ich dort geblieben, würden Sie mich heute hier nicht sitzen sehen“, sagt er. Auf den Videoaufnahmen ist jedoch zu sehen, wie er, ohne festgehalten zu werden, das Bordell verlässt. Er rennt nicht, geht zügigen Schrittes – nach Panik und Flucht sieht das nicht aus.
Die Verhandlung findet erst jetzt statt, da der Prozess mehrere Male ausfiel – mal erschien der Angeklagte nicht, mal der Verteidiger, mal der Zeuge.
Doch heute sind alle da, auch Zeuge Mamer G., damals Sicherheitsmann im Bordell. Er war an der Rangelei beteiligt, gibt zu, den Angeklagten drei Mal geschlagen zu haben. Als dieser mit dem Auto in den Eingang fährt, steht der Zeuge in der Menschengruppe.
Er habe sich schützend vor die anderen Männer gestellt, als er das Auto auf sich zu rasen sah, sagt er. Dadurch wurde er schwer verletzt, 14 Mal wurde er operiert, auch psychisch leidet er noch heute unter den Folgen. Er ist arbeitsunfähig, betritt den Gerichtssaal mit einem Gehstock. „Mein Leben hat sich zu 99 Prozent verändert“, sagt der Zwei-Meter-Mann kurz vorm Weinen. Er habe erst kurz als Sicherheitsmitarbeiter gearbeitet, es sei sein Traumjob gewesen. Weitere OPs stehen noch aus.

„Ich fühle mich schuldig wegen einer Sache: Dass ich solche Leute kennengelernt habe“, sagt Misel H. am Donnerstag. Während der Aussage des Sicherheitsmannes sitzt er mit verschränkten Armen da. „Es tut mir leid, aber vor dem Schicksal kann man nicht weglaufen.“ Immer wieder wendet er sich lachend an seine Frau, die im Zuschauerbereich in Jogginghose sitzt. Acht Kinder hat Misel H.. Als der Richter nach deren Alter fragt, zählt er allerdings neun Altersangaben zwischen 1 und 17 Jahren auf.
Der Angeklagte lebt im Heim, ist arbeitslos, hat keine Ausbildung. Während der Verhandlung kaut er Kaugummi, blickt der Dolmetscherin tief in die Augen. Er habe die Menschengruppe nicht gesehen, sagt er. „Das war nicht mit Absicht, ich hatte keine Kontrolle über das Auto.“
Angeklagter ist achtfacher Vater
Das glauben ihm der Vorsitzende Richter und die beiden Schöffinnen nicht, zeigen sich trotzdem milde. Das Urteil: zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwältin hat zwei Jahre und zwei Monate ohne Bewährung gefordert, die Nebenklage fünf Jahre.

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Es habe sich strafmildernd ausgewirkt, dass der Angeklagte das äußere Geschehen eingeräumt hat und nicht vorbestraft ist, erklärt der Vorsitzende. Das Gericht hält ihm außerdem zugute, dass er in der relativ langen Zeit seitdem straffrei geblieben ist. „Wäre das Urteil 2018 gefällt worden, sähe die Strafe anders aus“, sagt er. Aber die Situation sei jetzt nun mal so, wie sie sei.
„Ich danke allen“, sagt H. zum Abschluss des Prozesses. Zusammen mit seiner schwangeren Frau verlässt er den Gerichtssaal. Sie erwartet Zwillinge.