Herzinfarkt beim Joggen: Die bewegende Geschichte von Familienvater Malte (41)
Es ist der 14. Juni 2023. Malte Claussen, 41 Jahre alt und zweifacher Familienvater, schnürt sich die Laufschuhe zu und läuft am frühen Morgen um 6 Uhr los an die Alster: Nach einer unruhigen Nacht eine Runde alleine joggen an der frischen Sommerluft, einfach mal den Kopf frei kriegen. Malte kann sich heute an all das nicht mehr erinnern – beim Laufen erleidet er aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt, Passanten retten ihm das Leben, er wacht erst in der Intensivstation wieder auf. Der 14. Juni 2023: Es ist Maltes zweiter Geburtstag.
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Es ist der 14. Juni 2023. Malte Claussen, 41 Jahre alt, zweifacher Familienvater, schnürt sich am frühen Morgen die Laufschuhe und macht sich auf in Richtung Alster. Mal eben den Kopf frei bekommen, durchatmen nach einer unruhigen Nacht, so der Plan. An das, was dann geschieht, kann sich Claussen heute nicht mehr erinnern – beim Laufen erleidet er einen Herzinfarkt. Und wacht erst auf der Intensivstation wieder auf.
Das Leben von Malte hätte an diesem Morgen an der Außenalster zu Ende sein können. Aus heiterem Himmel verstopft eine Arterie in seinem Herzen – warum, das weiß der eigentlich kerngesunde 41-Jährige bis heute nicht. Am Restaurant „Cliff“ in Harvestehude sackt er plötzlich zu Boden.
Mehrere Tage liegt Malte auf der Intensivstation
Malte Claussen hat großes Glück: Vier Passanten eilen zur Hilfe, rufen einen Notarzt. Mehrere Tage liegt der junge Mann auf der Intensivstation. Einen Herzschrittmacher braucht er nicht, dafür wird ihm ein Implantat, ein sogenannter Stent, ins Herz gesetzt. Nach anderthalb Wochen holen ihn seine Frau und seine zwei Kinder (fünf und sieben Jahre alt) aus dem Krankenhaus ab. Die beiden Jungs freuen sich, ihren Papa wiederzusehen – dass er beinahe nicht mehr da gewesen wäre, das verstehen sie noch nicht.
Malte geht sofort in die Reha, ihm geht es schnell besser. Der Managementberater kann nach zwei Monaten schon wieder arbeiten – mittlerweile, nach sechs Monaten, sind sogar schon wieder Sporteinheiten drin. Nur ein paar Tabletten muss er noch schlucken. Dass so viel Normalität schon wieder möglich sei, habe er den helfenden Passanten zu verdanken, sagt er.
„Die nächsten 40 Jahre erlebe ich dank meiner Ersthelfer“
„Ich habe das große Glück, dass meine Ersthelfer Kontakt zum Krankenhaus aufgenommen haben und ich deshalb mit ihnen sprechen konnte“, sagt Malte, der durch die Schilderungen seiner Retter erst erfuhr, was an dem Sommermorgen überhaupt passiert war. „Meine ersten 40 Jahre habe ich dank meiner Eltern erlebt und die nächsten 40 Jahre erlebe ich dank meiner Ersthelfer.“ Der erste Passant habe sofort mit der Herzdruckmassage begonnen, eine Frau den Notruf abgesetzt, ein dritter Passant habe ihn stabilisiert und der vierte den Verkehr um ihn herum koordiniert.
Ein beherztes Einschreiten, das genau richtig war. „Jede Hilfe ist erst mal positiv“, sagt Godo Savinsky. Er ist „Ärztlicher Leiter Rettungsdienst“ bei der Feuerwehr Hamburg. „Es gibt auch nichts, für das man hinterher als Laie belangt wird“, so Savinsky weiter.
Doch wie helfe ich in einer solchen Notsituation am besten? Es gebe eine ganz einfache Merkhilfe für die Erste Hilfe, sagt Godo Savinsky: Prüfen, rufen, drücken. „1. Hat jemand einen Herz-Kreislauf-Stillstand? Ist die Person wirklich leblos? 2. Hilfe holen. Jemandem sagen: ,Rufen Sie 112 an!‘ 3. Schnellstmöglich anfangen mit der Wiederbelebung. 100 bis 120 Mal pro Minute auf den Brustkorb drücken. So die Zeit überbrücken, bis der Rettungsdienst kommt.“
Fehlendes Wissen sei einer der Gründe, warum sich viele nicht trauten, einzuschreiten, so der Experte. „Man muss für den Führerschein einen Kurs besuchen, und das war’s dann oft. In Hamburg haben wir das Thema nicht verpflichtend in der Schule, um bei den Jüngsten die Basics zu trainieren: das Erkennen und die Wiederbelebung. In anderen europäischen Staaten lernen Sie in der 7. Klasse Herzdruckmassage und professionell Hilfe zu holen. Die Zahlen belegen: Das wirkt sich positiv aus.“
In Deutschland würden so zum Beispiel nur rund 40 Prozent Erste Hilfe leisten – in Skandinavien sind es 80 Prozent. „Dort greifen die Leute früher und häufiger ein, weil sie gut vorbereitet sind“, erklärt Godo Savinsky.
Männerchor macht sich für Erste Hilfe stark
Weil er weiß, dass die vorbildliche Reaktion seiner Ersthelfer nicht selbstverständlich ist, ist es Malte jetzt besonders wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen: Gemeinsam mit seinem Männerchor „Goldkehlchen“ hat er an zwei Kursen des Erste-Hilfe-Vereins „Herzretter“ teilgenommen, um das Wissen über die stabile Seitenlage und andere lebensrettende Maßnahmen aufzufrischen.
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Anfang Dezember haben sie zudem in Kooperation mit der Bäckerei „Braaker Mühle“ Kekse gebacken – die sogenannten „Goldkekschen“, die noch den ganzen Dezember in allen Filialen der „Braaker Mühle“ und im Online-Shop gekauft werden können und von deren Erlösen 25 Cent pro 100 Gramm an die „Herzretter“ gespendet werden.
Seit dem Herzinfarkt achte er mehr darauf, was ihm nachhaltig gut tue, genieße die Zeit mit seiner Familie noch einmal anders, sagt Malte. „Wenn mich mein Sohn fragt, ob er mit mir Fußball spielen kann, dann werde ich dafür jetzt immer Zeit finden. Denn ich weiß, dass alles ganz schnell vorbei sein kann.“