Nach Aufnahmestopp: Patienten randalieren in Hamburger Arztpraxis
Riesenwirbel um eine Arztpraxis in Hamburg: Nach der Verrentung von zwei alteingesessenen Ärzten werden deren Patienten dort jetzt nicht mehr behandelt. Das sorgt für Unmut und sogar für Randale. Jetzt muss ein Sicherheitsmann für Ordnung sorgen. Lesen Sie mehr mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang für nur 99 Cent testen!
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Riesenwirbel um eine Arztpraxis in Hamm: Nach der Verrentung von zwei alteingesessenen Ärzten werden deren Patienten in den Räumen am Hammer Steindamm 66 jetzt nicht mehr behandelt. Das sorgt für Unmut und sogar für Randale. Jetzt muss ein Sicherheitsmann für Ordnung sorgen.
Barbara Uduwerella war viele Jahre Patientin bei Dr. Hubertus Holtz in der Praxis am Hammer Steindamm. Er war der Arzt, dem sie vertraute und der ihr die Rezepte für die Medikamente, die sie braucht, ausstellte. Als der Mediziner und sein Partner Dr. Matthias Vopel vor einigen Monaten in Rente gingen, wurde die Praxis von einem Medizinischen Versorgungszentrum, dem MVZ Miamedes, samt Patientenakten übernommen.
Wut in Hamburg-Hamm: Patienten fühlen sich schlecht informiert
Allerdings zog das MVZ schon nach wenigen Monaten wieder aus. Neuer Mieter sind drei Ärzte, die beim MVZ am Marienkrankenhaus angestellt sind und die ihre Praxis zuvor am Chapeaurougeweg (Hamm) hatten. Seitdem geht am Hammer Steindamm alles drunter und drüber. Denn: Die Ärzte vom Marienkrankenhaus haben die Praxis nicht übernommen. Sie sind nur die neuen Mieter und haben ihre eigenen Patienten mitgebracht. Kapazität für die Aufnahme der ehemaligen Patienten von Dr. Holtz und Dr. Vopel haben sie nicht.
Barbara Uduwerella ist sauer: „Wir wohnen alle in der Nähe und möchten hier weiter behandelt werden“, sagt die 78-Jährige, die nicht mehr gut zu Fuß ist. Sie habe es bei anderen Ärzten in der Umgebung versucht. Doch auch dort herrsche Aufnahmestopp. Der Stadtteil Hamm ist auch aufgrund seiner schwachen Sozialstruktur ärztlich eher schwach versorgt. Ärzte lassen sich lieber dort nieder, wo auch Privatpatienten leben. Doch um bei einem Arzt in einem anderen Stadtteil unterzukommen, musste Barbara Uduwerella ein Taxi nehmen. „Wer erstattet mir die Kosten?“
Hamm: Personal in der Arztpraxis wurde bedroht
Auch Inge Wentzel (70) wohnt nur drei Minuten von der Praxis am Hammer Steindamm entfernt und war dort langjährige Patientin. „Ich habe Schmerzen im Rücken. Wo soll ich denn jetzt hin?“
Mahbubul Alam, der seine Reinigung gleich nebenan von der Praxis hat, ist ebenfalls enttäuscht. „Für meine Familie und mich war Dr. Holtz der Arzt unseres Vertrauens. Wir brauchten nur die Treppe hoch zu gehen. Für mich als Einzelunternehmer war das sehr praktisch. Jetzt werde ich in die Praxis nicht mehr reingelassen“, sagt Alam.
Uduwerella, Wentzel und Alam sind nur drei von rund 1000 Patienten, die von dem Praxis-Wirrwar betroffen sind. Nicht jeder blieb so besonnen wie sie. „Wir haben in der Praxis unschöne Szenen erlebt. Bei einigen Patienten war die Unzufriedenheit so groß, dass es Unruhe kam. Unsere Mitarbeiter wurden bedroht“, berichtet Michael Schneider, Teamleiter Gesundheitsmanagement des MVZ am Marienkrankenhaus. „Wir mussten einen Sicherheitsmann einstellen.“ Doch selbst der sei attackiert worden. Der Mann wurde geschlagen und gebissen.
Wirrwarr um Patientenakten: Es war ein technisches Problem
Barbara Uduwerella meint: „Niemand hat uns informiert. Man kommt hin und wird abgewiesen. Das macht die Leute wütend.“ Besonders ärgere sie, dass ihre Patientenakte nicht mehr am Hammer Steindamm ist. Sie liegt beim MVZ Miamedes, dem Interims-Mieter der Praxis, die nun in Horn sitzen, was Uduwerella zu weit ist. „Seit Monaten schreibe ich Miamedes an und bitte um Herausgabe meiner Akten.“ Auch angerufen habe sie. Doch es passiert nichts. Zwar wurde Uduwerella inzwischen von den Ärzten des Marienkrankenhauses aufgenommen, doch ohne die Patientenakten ist die Rezept-Ausstellung schwierig, weil wichtige Labor-Befunde nicht vorliegen.
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Miamedes-Geschäftsführer Sekander Scherzai tut die Situation aufrichtig leid. „Wir haben das MVZ 2018 zu einem Zeitpunkt gegründet, als immer mehr Kliniken Hausarztpraxen aufkauften, um die Patienten in ihre Häuser zu überweisen. Wir meinen: Hausärzte müssen um die Ecke sein.“ Miamedes tue alles, um die Situation vor Ort wieder sicherzustellen. So sei man aus den Räumen am Hammer Steindamm nur deshalb wieder ausgezogen, weil sie nicht barrierefrei seien. Das sei aber nur vorübergehend. Ab April habe man den Schlüssel für Räume gegenüber in der Caspar-Voght-Straße 94, in denen sich bislang noch ein Modegeschäft befindet.
Im Sommer wird gegenüber eine neue Stadtteil-Praxis entstehen
Nach der Renovierung würde dort eine große hausärztlich-internistische Stadtteilpraxis als Joint-Venture gemeinsam mit dem MVZ am Marienkrankenhaus entstehen. Was die Patientenakten angeht, erklärt Scherzai: „Wir hatten leider ein technisches Problem bei der Datenkonvertierung, weil die beiden Systeme, die wir haben, inkompatibel waren.“ Das Problem sei inzwischen aber gelöst. Die ehemaligen Patienten von Dr. Holtz und Dr. Vopel könnten ihre Papiere jederzeit abholen.
Auch das MVZ am Marienkrankenhaus will die Versorgungslage vor Ort verbessern: „Wir haben neues Fachpersonal eingestellt und unsere Arbeitszeiten verlängert“, berichtet Michael Schneider. Außerdem habe man eine Zulassung von Hohenfelde nach Hamm verlegt, um die Praxis zu stärken.