Hamburger Bauhofleiter in Haft: Warum nicht mehr korrupte Beamte geschnappt werden
Sprit für 45.000 Euro, 30.000 Euro in bar, kostenlose Arbeiten am Privathaus: Christian T., ehemaliger Leiter des Bauhofs Rahlau (Bezirk Wandsbek), hat gerne die Hand aufgehalten. Wegen Bestechlichkeit und Untreue wurde er nun – zum zweiten Mal – verurteilt. Ein vergleichsweise seltener Fall: Nur wenige Korruptionsdelikte werden überhaupt angezeigt. Denn beide Seiten profitieren von den illegalen Deals, das Dunkelfeld ist extrem groß, sagen Experten. Warum so viele mit Bestechung davonkommen.
Sprit für 45.000 Euro, 30.000 Euro in bar, kostenlose Arbeiten am Privathaus: Christian T., ehemaliger Leiter des Bauhofs Rahlau (Bezirk Wandsbek), hat gern die Hand aufgehalten. Wegen Bestechlichkeit und Untreue wurde er nun – zum zweiten Mal – verurteilt. Ein vergleichsweise seltener Fall: Nur wenige Korruptionsdelikte werden überhaupt angezeigt. Denn beide Seiten profitieren von den illegalen Deals, das Dunkelfeld ist extrem groß, sagen Experten. Und dann sind die Täter oft auch noch „honorige Hamburger Geschäftsleute“ mit den „besten und vor allem bestbezahlten Strafverteidigern“.
Korruption, das klingt nach italienischer Mafia, nach Drogenbossen in Mexiko. Auf jeden Fall nach harten Typen mit brutalen Methoden. Doch Bestechung gibt es überall – auch in Hamburg. Die Tatorte und Täter kommen jedoch meist eher unspektakulär als filmreif daher.
So auch im Fall des ehemaligen Bauhofleiters Christian T. (55). Am 5. Mai 2023 wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt, bestätigt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft der MOPO. Wegen Bestechung und Untreue. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Tatort: ein Tonndorfer Bauhof im Bezirk Wandsbek. Dort war Christian T. für die Vergabe von Straßenbauaufträgen verantwortlich und nutzte das zu seinem Vorteil.
Korruption in Hamburg: Ex-Bauhofleiter zu Gefängnisstrafe verurteilt
Als der Prozess 2022 begann, war das nicht sein erstes Mal vor Gericht: Bereits 2021 wurde Christian T. wegen 27-facher Untreue und Bestechlichkeit zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Das damalige Urteil ist in das aktuelle einbezogen worden.
Beide Male ging es um Mauscheleien bei der Vergabe von Sanierungsarbeiten von Straßen und Wegen im Zuständigkeitsbereich des Bezirksamts Wandsbek – um überhöhte Rechnungen oder Buchungen für Arbeiten, die bereits erledigt waren. Die Deals fanden zwischen Christian T. und Mitarbeitern von Tiefbauunternehmen sowie dem damaligen Chef eines Straßenbauunternehmens statt.
Im Fall von Christian T. hatten die Behörden Glück. Anonyme Hinweisgeber brachten sie auf die Fährte des Mannes und seiner illegalen Geschäfte. Das Ermittlungsverfahren konnte eingeleitet und abgeschlossen werden. Doch das ist nicht immer so – im Gegenteil: Korruption ist ein lukratives System, von dem beide Seiten profitieren. Ermittler sprechen daher auch von einem „Täter-Täter-Delikt“. Die Anzeigebereitschaft ist dementsprechend gering, das Dunkelfeld riesig.
Hamburg: Millionen Euro Schaden durch Korruption
Ein Blick auf die Zahlen in Hamburg zeigt: 2018 wurden 230 Korruptionsstraftaten registriert, im vergangenen Jahr 65. In den Jahren dazwischen schwanken die Zahlen, der Höhepunkt war 2019 mit 518 Fällen.
Die registrierten Fallzahlen der Korruptionsstraftaten haben jedoch nur eine „geringe Aussagekraft“, wenn es um reale Korruption in Hamburg geht, heißt es in einem Dokument der Innenbehörde. Die vergleichsweise hohe Zahl 2019 ist die Folge eines sogenannten Komplexverfahrens mit 350 Einzeltaten, wie den statistischen Informationen der Behörde zu entnehmen ist.
Doch auch, wenn nur wenige Straftaten überhaupt bekannt werden, ist der Gesamtschaden selbst hier relativ hoch: 2019 lag er bei 9,83 Millionen Euro, 2021 bei 4,6 Millionen.
Hamburger BDK-Chef: „Korruption gehört in der Außenwirtschaft dazu“
In der Wirtschaft sind die Korruptionszahlen besonders hoch. „Die Wahrheit ist, dass Korruption insbesondere zur deutschen Außenwirtschaft dazu gehört“, sagt Jan Reinecke, Landesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Die Korruption ist in den allermeisten Ländern dieser Erde hoch bis sehr hoch. Wenn deutsche Unternehmen nun Handelsbeziehungen in diese Länder pflegen, sprich Geschäfte machen (wollen), sind diese Firmen häufig gezwungen, entweder Vertreter ihrer Handelspartner und/oder Amtsträger in diesen Ländern zu bestechen.“
Der Blick auf Deutschland zeigt: Die Korruptionsstraftaten sind 2021 um 34,9 Prozent auf 7433 gestiegen – und steigen damit das dritte Jahr in Folge. Die Zahl der Tatverdächtigen liegt nun bei 2457, einem Plus von 13,2 Prozent. Davon sind 1368 Geber (die Bestechenden), 1089 Nehmer (die Bestochenen) und davon wiederum 55 Prozent Amtsträger, heißt es im Bundeslagebild Korruption des BKA. Damit liegt der Anteil von korrupten Amtsträgern auf dem niedrigsten Niveau der letzten fünf Jahre.
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Angestiegen sind besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Das Baugewerbe ist am stärksten von Korruption betroffen. Insgesamt liegt der deutschlandweite Schaden bei 61 Millionen Euro.
Deutschland: 61 Millionen Euro Schaden durch Korruption
Zu dem großen Dunkelfeld der Korruption kommt laut BDK-Chef noch ein weiteres Problem: „Wenn es um Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr geht, haben es Korruptionsermittlerinnen und -ermittler des D.I.E (Dezernat Interne Ermittlungen) und die Staatsanwaltschaft Hamburg auf der Beschuldigtenseite häufig mit honorigen Hamburger Geschäftsleuten und damit regelmäßig mit den besten und vor allem bestbezahlten Strafverteidigern zu tun“, sagt Reinecke.
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Das bringe die „Waffengleichheit“ mit den Strafverfolgungsbehörden in erhebliche Schieflage und dürfte sich regelmäßig positiv auf den Verfahrensausgang auswirken. „Vor dem Gesetz sind halt nicht alle Menschen gleich. Jedenfalls nicht, wenn es um Korruption geht.“
Korruptionsindex: Deutschland steht international relativ gut da
Im Korruptionswahrnehmungsindex Transparency International Deutschland werden die Länder der Welt regelmäßig auf einer Skala von Null (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) eingeordnet. Dänemark ist im Index 2022 Spitzenreiter und liegt bei 90 Punkten. Auf dem letzten Platz liegt Somalia mit 12 Punkten. Deutschland verliert im Vergleich zum Vorjahr leicht und liegt bei 79 Punkten – der niedrigsten Zahl seit 2014. International nimmt Deutschland damit den neunten Platz ein.
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Die Organisation Transparency International kritisiert Deutschland: Zwar stehe das Land im internationalen Vergleich relativ gut da, weil Alltagskorruption in Polizei oder Verwaltung kaum eine Rolle spiele, doch zeige er auch, dass Deutschland seit zehn Jahren bei der Korruptionsbekämpfung nicht entscheidend vorankomme. „Skandale wie die Maskenaffäre oder Cum-Ex haben zuletzt das Vertrauen in die Integrität von Politik und Wirtschaft geschwächt“, heißt es dort.