Wurde der behinderte Nico aus dem Theater geschmissen, weil er zu laut war?
Der 29-jährige Nico lacht viel und er lacht laut. Zusammen mit seinem Vater geht er gerne ins Theater. So auch am vergangenen Sonntag. Die beiden haben das Weihnachtsmusical „Schneekönigin“ im Volkshaus Berne in Farmsen-Berne besucht. Weil Nico an einer Zerebralparese, einer Fehlbildung des Gehirns, leidet, kann er sich nicht immer kontrollieren. Wegen seiner Emotionsausbrüche wurde er aus dem Theater geschmissen, sagt sein Vater. Das Theater widerspricht. Im Internet kochen die Emotionen hoch.
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Der 29-jährige Nico lacht viel und er lacht laut. Zusammen mit seinem Vater geht er gerne ins Theater. So auch am vergangenen Sonntag. Die beiden haben das Weihnachtsmusical „Schneekönigin“ im Volkshaus Berne in Farmsen-Berne besucht. Weil Nico an einer Zerebralparese, einer Fehlbildung des Gehirns, leidet, kann er sich nicht immer kontrollieren. Wegen seiner Emotionsausbrüche wurde er aus dem Theater geschmissen, sagt sein Vater. Das Theater widerspricht. Im Internet kochen die Emotionen hoch.
„Das Stück war mit viel Liebe und temperamentvoll aufgeführt. Entsprechend folgte Nico der Aufführung mit großer Freude. Leider teilten nicht alle seine Freude“, schreibt Vater Arnold Schnittger in einem Facebook-Beitrag. In der Musical-Pause seien fünf Mitarbeiter des Vereins „Dance & More“, der die Aufführung organisiert hat, „wie eine Lawine“ auf Schnittger und seinen Sohn zugekommen.
„Wurden des Saales verwiesen“: Riesen-Ärger um Theater-Rausschmiss
Andere Eltern hätten sich über Nicos laute Äußerungen beschwert, so Schnittger. „Und so wurden wir zum Ende der Pause des Saales verwiesen“, schreibt der 72-Jährige aus Wandsbek weiter. Das Eintrittsgeld habe man ihnen direkt zugesteckt. Nico sei geschockt gewesen und habe lautstark protestiert.
Arnold Schnittger ärgert es außerdem, dass niemand der anderen Zuschauer etwas gegen den Rausschmiss gesagt habe. Der gelernte Fotograf fragt: „Was mag in den Köpfen der Kinder vorgegangen sein, als sie sahen, wie ein behinderter Junge durch den Notausgang aus dem Saal geführt wurde?“
Theater kontert: „Eltern haben entschieden, zweiten Hälfte der Aufführung nicht beizuwohnen“
Der Verein „Dance & More“ hat sich ebenfalls auf Facebook zu den Vorwürfen geäußert und stellt den Vorfall anders dar: „Wir haben die betroffene Familie nicht aufgefordert, die Vorstellung zu verlassen. Die Eltern haben für sich entschieden, der zweiten Hälfte der Aufführung nicht beizuwohnen.“
Neben Zuschauern, die sich über Nicos Äußerungen beschwert hätten, seien auch die Kinder, die die „Schneekönigin“ auf der Bühne aufführten, irritiert gewesen. Man habe deshalb das Gespräch mit Schnittger gesucht – doch dieses sei nicht möglich gewesen. „Es wurde uns bereits angekündigt, den Rausschmiss öffentlich zu machen. Wir konnten leider nicht in den Austausch gehen“, schreibt der Verein.
„Dance & More“ stellt klar: „Es spielt für uns – sowie in jeglichen Theaterhäusern – keine Rolle, wer im Publikum sitzt und weil wir jeden gleich behandeln, geht es nicht um eine Behinderung, sondern um die Störung durch das Verhalten, auf die wir in kurzer Zeit reagieren mussten.“
Wegen Theater-Rauswurf in Hamburg: Shitstorm auf Facebook
Im Netz löste der Vorfall einen Shitstorm gegen den Verein aus – auf Facebook lassen sich zahlreiche negative Kommentare finden. „Es macht mich unfassbar wütend und traurig. Glücklicherweise sind nicht alle so asozial wie die Verantwortlichen“, schreibt zum Beispiel eine Nutzerin. „Es ist eine Frechheit so mit Menschen umzugehen! Die Personen sollen sich schämen“, so eine andere.
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In den Kommentaren auf Facebook ist zu lesen, dass viele andere Eltern ähnliche Erfahrungen gemacht haben. „Mir ist es wichtig, auf die Probleme aufmerksam zu machen, mit denen behinderte Menschen konfrontiert sind. Es ist Alltagsgeschäft, dass man ausgegrenzt wird“, sagt Schnittger der MOPO. Er hat deshalb den Verein „Nicos Farm“ gegründet, der sich durch unterschiedliche Projekte für die Belange behinderter Kinder und deren Eltern einsetzt.
So ein Shitstorm sei auf keinen Fall das Ziel gewesen, sagt Schnittger. Vielmehr wünschte er sich einen lösungsorientierten Austausch – gerne würde er sich auch nochmal mit den Verantwortlichen des Vereins „Dance & More“ zusammensetzen.