Hauptsache perfekt: Das gefährliche Geschäft mit der Schönheit
„Ich hatte Freudentränen in den Augen“, sagt Jessica Müller. Die Frau konnte zuvor ein gemeinsames Foto mit ihrem Idol machen, dem Beauty-Influencer „twenty4tim“. Mit Freundinnen ist die 41 Jahre alte Müller aus Hannover zur „Glow“ nach Hamburg gekommen, der größten Beauty-Messe Europas. Die Stars der Szene verkaufen hier Produkte – und inszenierte Realitäten. Ein Milliardengeschäft. Und eines, das gefährlich ist – vor allem für die Fans.
„Ich hatte Freudentränen in den Augen“, sagt Jessica Müller. Die Frau konnte zuvor ein gemeinsames Foto mit ihrem Idol machen, dem Beauty-Influencer „twenty4tim“. Mit Freundinnen ist die 41 Jahre alte Müller aus Hannover zur „Glow“ nach Hamburg gekommen, der größten Beauty-Messe Europas. Die Stars der Szene verkaufen hier Produkte – und inszenierte Realitäten. Ein Milliardengeschäft. Und eines, das gefährlich ist – vor allem für die Fans.
Im Curio-Haus an der Rothenbaumchausee schlendern zumeist junge Frauen durch die großzügigen Räumlichkeiten. Insgesamt 3150 Besucher sollen es laut Veranstaltern sein. Die „Glow“ gibt es seit 2016, zwei Mal im Jahr findet die Beauty- und Lifestyle-Messe in unterschiedlichen Großstädten statt. In der Altbau-Villa in Hamburg trafen sich am Wochenende zig Internetstars mit ihren Fans, ein Massen-Meet-and-Greet zwischen Kajal, Flakons und Schönheitsidealen.
Beauty-Messe „Glow“ in Hamburg: Influencer treffen auf ihre Fans
Einer der bekanntesten Influencer auf der „Glow“ ist „twenty4tim“, der bürgerlich Tim Kampmann heißt. Der 22-jährige Kölner ist auf verschiedenen Internet-Plattformen wie Instagram oder Tiktok mit mehreren Millionen Aufrufen ein gefeierter Star.
„twenty4tim“ hat vergangene Woche ein Parfum auf den Markt gebracht und rührt nun auf der Messe fleißig die Werbetrommel – obwohl das Produkt mit mehr als 40.000 verkauften Flakons schon fast ausverkauft ist.

Hinter dem ganzen Glitzer steckt ein knallhartes Geschäft – und sehr viel Geld: Influencer Tim Kampmann ist mit 22 Jahren und ohne abgeschlossene Ausbildung Millionär.
Seine Fans schätzen seine scheinbare Nahbarkeit, die er durch das Posten von Hunderten von Videos am Tag erreichen will. Doch Kampmann ist nicht unumstritten. Ihm wird regelmäßig vorgeworfen, zu viel Promo für seine Produkte zu machen. Kritik gab es zudem wegen seiner Selbstdarstellung im Ahrtal nach der Flutkatastrophe.
„Glow“: Die Stars wirken ganz nahbar
Auf der Messe wirken die Stars aus dem Internet ihren Fans gegenüber tatsächlich ganz nahbar, Umarmungen und kurze Gespräche inklusive. Reality-TV-Star Gerda Lewis ist hier, Bestseller-Autorin Monica Meier-Ivancan und Rapperin Badmomzjay.

Sie alle haben eines gemeinsam: Sie inszenieren auf ihren Accounts Lifestyle – ihre Reisen, ihre Beziehung, ihr Aussehen. Dass hinter diesen Bildern stundenlange Fotoshootings, das Bearbeiten mit Filtern stecken und nur die schönen Seiten des Lebens zu sehen sind, wird meist nicht deutlich. Es geht um die perfekte Show, die Verkaufe von Produkten, von Leben.
Der Drang nach Perfektion ist so groß wie nie – und genauso groß ist der Druck. Die Follower vergleichen sich unbewusst mit dem Aussehen und dem Lifestyle ihrer Stars. Und dieser Vergleich ist meistens enttäuschend: Zu traumhaft scheint das Leben der anderen.
„Keine Beziehung ist so, wie sie auf Social Media dargestellt wird“
Dass durch Social Media bei jungen Menschen Druck entsteht, bestätigt auch twenty4tim der MOPO. Als Beispiel nennt er die Themen Freundschaften und Beziehungen. „Die sehen auf Social Media immer so aus, wie ein Paradies. Aber keine Beziehung ist so, wie sie auf Social Media dargestellt wird“, sagt er. Man dürfe jedoch einen Punkt nicht vergessen: „Die Leute wollen das Perfekte auf Social Media sehen. Die wollen ihrem Alltag entfliehen.“
Dieser Druck kann aber auch ernsthafte gesundheitliche Probleme hervorrufen: „Solche Vorbilder können die Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben und auch dem eigenen Körper forcieren. Das kann die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens begünstigen“, erläutert die Psychologin Franziska Klemm in Bezug auf eine aktuelle Studie der Kaufmännischen Krankenkasse, die den Zusammenhang zwischen Social Media und Essstörungen untersucht hat.
Studie: 18 von 1000 jungen Frauen haben Essstörungen
Das erschreckende Ergebnis der Studie: Bei den zwölf- bis 17-Jährigen jungen Frauen haben Essstörungen während der Corona-Krise drastisch zugenommen – von 2020 auf 2021 um rund 30 Prozent. Das sind 18 von 1000 Frauen. „In den Lockdownphasen fehlte ihnen der Vergleich, wie Freunde und Mitschüler im echten Leben ohne Filter aussehen“, sagt Expertin Klemm.
Eine Messe wie die „Glow“ profitiert natürlich von diesem Vergleich und dem Drang nach dem perfekten Aussehen. Allerdings werben auch immer mehr Influencer dafür, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist.
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So auch Influencerin Sophie Berna. Bei einer Podiumsdiskussion auf der „Glow“-Bühne erzählt sie von ihren Erfahrungen mit der Krankheit Lipödem – der unkontrollierten Fettvermehrung an Beinen, Hüfte und Armen. Sie hat sich entschieden, ihre Bilder nicht zu retuschieren, um Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.
Jungen Menschen möchte twenty4tim mitgeben, das Handy mal auszuschalten, um schrittweise von der perfekten Filter-Welt loszukommen: „So kann man wieder zur Normalität zurückkehren. Das hört sich komisch an – aber im Jahr 2023 muss man darüber reden.“