Wie störend ist Reklame? Initiative will Hamburg „werbefrei“ machen
Eine Stadt ohne Werbung? Was ein wenig utopisch klingt, wird in mehreren Ländern schon umgesetzt – auch hierzulande. Die nächste Stadt, die mitmacht, könnte Hamburg sein.
Inspiriert von der Initiative „Berlin Werbefrei“ will nun auch ein Hamburger Pendant Außenwerbung aus dem Stadtbild verbannen. Ziel ist vor allem ein grundsätzliches Verbot von digitalen Werbeanlagen und Leuchtreklame. Zum Auftakt hatten Anhänger der Bürgerinitiative zu Wochenbeginn eine Kunstaktion vor dem Rathaus organisiert und die ersten Unterschriften für ein neues Werberegulierungsgesetz gesammelt.
Vorbild für „Hamburg Werbefrei“ ist die Schweiz
Eine Stadt ohne Werbung? Was ein wenig utopisch klingt, wird in mehreren Ländern schon umgesetzt – auch hierzulande. Die nächste Stadt, die mitmacht, könnte Hamburg sein.
Inspiriert von der Initiative „Berlin Werbefrei“ will nun auch ein Hamburger Pendant Außenwerbung aus dem Stadtbild verbannen. Ziel ist vor allem ein grundsätzliches Verbot von digitalen Werbeanlagen und Leuchtreklame. Zum Auftakt hatten Anhänger der Bürgerinitiative zu Wochenbeginn eine Kunstaktion vor dem Rathaus organisiert und die ersten Unterschriften für ein neues Werberegulierungsgesetz gesammelt.
Vorbild für „Hamburg Werbefrei“ ist die Schweiz
Vorbild für die Initiative „Hamburg Werbefrei“ ist Genf. Als erste Schweizer Stadt werden hier ab 2025 kommerzielle Werbeplakate aus dem öffentlichen Raum verbannt. So hat es gerade die rot-grüne Mehrheit im Stadtparlament auf Druck der Zéro Pub-Initiative beschlossen. Auslöser war eine außergewöhnliche Situation: Der Vertrag mit einer Werbefirma war ausgelaufen, der neue noch nicht in Kraft getreten.

Hamburg steht vor einer ähnlichen Situation: Seit 2009 vermarkten die Branchenriesen JCDecaux und DSM/Ströer die städtischen Werbeflächen in Hamburg. Der damalige Finanzsenator Michael Freytag (CDU) freute sich über die hohe Nachfrage nach den Werberechten: „Es ist eine neue Zeit, und die Agentur- und Medienstadt Hamburg ist ein Filetstück für Außenwerbung.“
So hat die Stadt Hamburg 2020 rund 27 Millionen Euro mit Außenwerbung eingenommen. Die Verträge haben eine Laufzeit von 15 Jahren – coronabedingt wurden sie vergangenes Jahr bis Ende 2026 verlängert, wie die Verkehrsbehörde auf MOPO-Anfrage bestätigte. In der Zeit sollen nun alle Werbetafeln digitalisiert werden. Stand jetzt müssen die Werbefirmen nach Ende der Vertragslaufzeit ihre Werbetafeln selbst auf eigene Kosten entfernen.

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Ganz im Sinne von Martin Weise, Initiator von Hamburg Werbefrei: „Außenwerbung ist nervig. Man kann sich ihr nicht entziehen. Sie ist allgegenwärtig. Es wird oft für schädliche Produkte geworben: für Zigaretten, für Glücksspiel, für klimaschädliche Produkte. Die Anlagen selbst sind riesige Ressourcenverschwender. Gerade durch die Digitalisierung der Werbeanlagen wird irre viel Strom verbraucht.“
Ein sogenanntes Digital-City-Lightboard verbrauche Weise zufolge jährlich etwa 15.000 Kilowattstunden (kWh) im 24-Stunden-Betrieb. Zum Vergleich: Das ist soviel wie zehn durchschnittliche Single-Haushalte. „Das steht Hamburgs Ziel, klimaneutral zu werden, völlig entgegen“, sagt Weise. „Die Lichtverschmutzung birgt auch nochmal Gefahr für Mensch und Natur.“
Hamburg Werbefrei: Zusammenarbeit mit Berliner Initiative
Weise und seine Mitstreiter arbeiten eng mit der Initiative „Berlin Werbefrei“ zusammen. Diese hatte 2018 über 32.000 Unterschriften gegen Außenwerbung gesammelt. „Deren Initiator Fadi El-Ghazi hat auch unseren Gesetzesentwurf geschrieben.“ Der sieht eine Änderung der Bauordnung vor: „Die Stelle, an der definiert wird, welche Werbeanlagen zulässig sind, wird so neu gefasst, dass digitale Werbeanlagen und Wechsellichtanlagen unzulässig sind. Wir wollen Außenwerbung aber nicht komplett aus dem Stadtbild verbannen. Schaufenster, Firmenschilder, Werbung an Bushaltestellen, an Litfaßsäulen und auf privaten Flächen sind weiterhin zulässig. Jedoch maximal im Format A0. Damit wäre die Plakatierung deutlich kleiner und optisch nicht mehr so dominant“, sagt Weise.

Litfaßsäulen bleiben der Stadt erhalten. „Unser Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Hälfte der Werbung für Veranstaltungshinweise sein muss. Wenn die nicht ausgefüllt werden, dürfen die Flächen aber auch für kommerzielle Werbung zur Verfügung gestellt werden. Damit wären Kulturveranstaltungen besser gestellt.“ Übrigens sei die Werbung in den U-Bahnen und an den Bahnsteigen nicht betroffen. Die Werbung stehe auf privatem Grund der Deutschen Bahn, die nicht vom öffentlichen Raum aus einsehbar sei.
Werbefreie Vorbilder São Paulo, Genf, Grenoble
Ganz weltfremd scheint das Anliegen der Hamburger Werbe-Gegner indes nicht. „Genf ist ein tolles Vorbild. Da war die Werbereduktion ursächlich auf eine Volksinitiative zurückzuführen. Es gibt noch andere internationale Beispiele, wie Grenoble und São Paulo“, sagt Weise. In der brasilianischen Millionenmetropole São Paulo hatte 2007 der damalige Bürgermeister Gilberto Kassab ein strenges Außenwerbeverbot eingeführt. Binnen eines Jahres verschwanden 15.000 Werbetafeln.
Éric Piolle, der 2014 mit seiner Losung „Bäume statt Werbetafeln“ ins Rathaus der französischen Alpenstadt Grenoble zog, verbannte wie sein brasilianischer Amtskollege die Werbetafeln aus der Innenstadt. An ihre Stelle pflanzte er Bäume und schwärmt seit jeher von Grenobles Vorreiterrolle als erste werbefreie Stadt Europas.
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„Hamburg Werbefrei“ hat sechs Monate Zeit, um 10.000 Unterschriften von wahlberechtigten Hamburger Bürgern zu sammeln. Danach sollen im Sommer 2023 das Volksbegehren und 2024 parallel zur Europawahl der Volksentscheid folgen. Wenn alles nach Plan läuft, ist in fünf Jahren also Schluss mit Außenwerbung. Ströer wollte sich auf MOPO-Anfrage nicht zur Bürgerinitiative äußern.