„Stress programmiert“: Anwohner wehren sich gegen diese Flüchtlingsunterkunft
In einer Siedlung im Westen Hamburgs entsteht eine neue Flüchtlingsunterkunft, die später zu sozialem Wohnraum umgewandelt wird. Dass sie neue Nachbarn bekommen, ist für die Anwohner kein Problem. Doch sie fürchten sich vor der Größe des Projekts: 118 Wohnungen sollen hier entstehen – und das, obwohl ihr Stadtteil sowieso schon deutlich mehr Flüchtlinge aufnimmt als andere. Was genau auf dem ehemaligen Sportplatz geplant ist, warum die Anwohner auf Zinne sind – und welche Strategie der Sozialbehörde hinter dem Projekt steckt.
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In einer Siedlung im Westen Hamburgs entsteht eine neue Flüchtlingsunterkunft, die später zu sozialem Wohnraum umgewandelt werden soll. Dass sie neue Nachbarn bekommen, ist für die Anwohner kein Problem. Doch sie fürchten sich vor der Größe des Projekts: 118 Wohnungen sollen hier entstehen – und das, obwohl ihr Stadtteil sowieso schon deutlich mehr Flüchtlinge aufnimmt als andere. Was genau auf dem ehemaligen Sportplatz in Bahrenfeld geplant ist, warum die Anwohner auf Zinne sind – und welche Strategie der Sozialbehörde hinter dem Projekt steckt.
Es ist eine idyllische SAGA-Siedlung in Bahrenfeld. Die Kinder spielen im Vorgarten, die Nachbarn grüßen sich freundlich. Ein bisschen wie auf dem Dorf. Auf dem ehemaligen Sportplatz an der Wichmannstraße soll eine neue Flüchtlingsunterkunft entstehen, die schrittweise nach einem Jahr zu gefördertem Wohnraum umgewandelt werden soll.
Neue Flüchtlingsunterkunft in Bahrenfeld: „Das ist eine untragbare Dimension“
Dass neue Nachbarn ins Viertel kommen, ist für die Anwohner kein Problem – im Gegenteil. Was sie stört, ist die Größe der geplanten Unterkunft: Ursprünglich war an dem Standort lediglich eine Traglufthalle als Notunterkunft geplant. Jetzt sollen hier sechs Gebäude mit 118 Wohneinheiten für bis zu 370 Geflüchteten entstehen.
„Das ist eine untragbare Dimension“, sagt Lars Wiese. Der 48-Jährige ist Pressesprecher der kürzlich gegründeten Bürgerinitiative „Bahrenfeld unterstützt nachhaltige Teilhabe und Integration“ (kurz B.U.N.T).
Auf dem Gelände sind sechs freistehende Gebäude mit Flachdach und drei beziehungsweise vier Geschossen geplant. Zwischenzeitlich sollten zwei Gebäude sogar fünfgeschossig sein – nach einer Infoveranstaltung, bei der sich die Anwohner über die Höhe der Gebäude beschwert hatten, wurden die Planungen diesbezüglich geändert.
Die Bürgerinitiative kritisiert, dass eine gelungene Integration der Flüchtlinge bei so vielen Plätzen nicht möglich sei. „Hier ist Stress programmiert“, so Wiese. In der näheren Umgebung gibt es schon einige Wohnunterkünfte für Geflüchtete und Wohnungslose – mit insgesamt rund 1600 Plätzen.
In Bahrenfeld gibt es überproportional viele Unterkünfte
In Bahrenfeld ballen sich ohnehin schon die Unterkünfte. In dem Stadtteil gibt es nach Angaben der Sozialbehörde 3551 Soll-Plätze, im ganzen Bezirk Altona sind 5352 Asyl- und Schutzsuchende untergebracht. Heißt: Zwei Drittel der Plätze im Bezirk liegen in Bahrenfeld.
„Die Integration funktioniert bislang total toll. Wenn es hier um 60 neue Wohnungen ginge, würde niemand etwas sagen“, sagt Wiese im Bezug auf das Projekt an der Wichmannstraße. Aber 118 Wohnungen? Da würde das Viertel an seine Grenzen geraten.
Die Nachbarn rund um die Wichmannstraße fühlen sich nicht ernstgenommen. „Hier wird über unsere Köpfe entschieden“, sagt Lars Wiese. Sie wünschen sich, dass die Politik die Bedürfnisse der Anwohner mit einbezieht und die Baumasse des Projektes reduziert.
Doch die Flüchtlingssituation ist angespannt: „Die Zugangssituation aus 2022 und 2023 und die erwarteten Zugänge in 2024 führen dazu, dass wir zurzeit jede Fläche und jedes Objekt, das uns für die Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden angeboten wird, nutzen müssen“, so Sozialbehörden-Pressesprecher Wolfgang Arnhold.
Neue Strategie: Erst Flüchtlingsunterkunft, dann sozialer Wohnraum
Dass eine Unterkunft erst zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt wird und danach als sozialer Wohnraum weitervermietet wird, ist eine neue Strategie der Sozialbehörde: „Diesen Ansatz, den wir nach Möglichkeit auch an weiteren Standorten verfolgen wollen, haben wir ,In Zukunft wohnen‘ genannt“, so Arnhold.
Die Sozialbehörde verweist auf die zahlreichen schulischen Angebote in der Umgebung. „Am Standort Wichmannstraße ist festzustellen, dass sich im direkten Umfeld mehrere bezirkliche Einrichtungen und Angebote – Eltern-Kind-Zentrum, Stadtteilmütter, Jugendzentrum, Quartiersräume – befinden. Weiterhin gibt es einen engen Austausch zu Bedarfen und Kapazitäten mit den Gremien im Stadtteil, unter anderem dem AK Bahrenfeld, dem Quartiersbeirat Bahrenfeld und dem Sozialraumteam“, so die Behörde gegenüber der MOPO. Man rechne mit rund einem Drittel an Kindern unter 18 Jahren.
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Vorbereitende Maßnahmen wie eine Kampfmittelsondierung sind schon seit drei Wochen in vollem Gange. Große Laster fahren hierfür durch die eigentlich so idyllische Siedlung. Laut der Sozialbehörde soll das Projekt Ende 2024, Anfang 2025 fertiggestellt werden.