Hagenbeck: Jetzt setzt der Chef auch noch Besucher unter Druck
Vier Jahre ist es her, dass die Hamburger Familie Leonhard nach ihrem Besuch bei Hagenbeck eine kritische Google-Bewertung abgegeben hat. Jetzt bekam sie Post – von einer Anwaltskanzlei, die Tierpark-Chef Albrecht beauftragt hat. Kein Einzelfall, wie die MOPO herausfand.
Vier Jahre ist es her, dass die Hamburger Familie Leonhard nach ihrem Besuch bei Hagenbeck eine kritische Google-Bewertung abgegeben hat. Jetzt bekam sie Post von einer Anwaltskanzlei, die Tierpark-Chef Albrecht beauftragt hat. Kein Einzelfall, wie die MOPO herausfand.
Imke Leonhard kann es noch gar nicht fassen. „Meinem Sohn ging es doch darum, sich für eine gute Tierhaltung einzusetzen“, erzählt die Mutter. Bei ihrem Besuch im August 2019 sei ihnen aufgefallen, dass einige Tiere „in ihrem eigenen Kot standen und nicht sonderlich gesund/gepflegt aussahen“.
Kritische Google-Bewertung zu Hagenbeck: Familien werden unter Druck gesetzt
Genau diesen Wortlaut verwendete ihr Sohn Ben dann auch bei seiner Google-Bewertung, bei der er dem Tierpark nur einen von fünf möglichen Sternen gab. Dafür bekam er nun Ärger: Ende September erhielt die Familie Post von Google mit der Ankündigung, der Eintrag werde gelöscht, sofern die Familie sich nicht zu einer Beschwerde seitens der Geschäftsführung des Tierparks Hagenbeck äußere. Das Beschwerdeschreiben war der Mail angehängt.
Darin erhebt eine Anwaltskanzlei aus dem feinen Hamburger Stadtteil Rotherbaum im Auftrag von Hagenbeck-Boss Dirk Albrecht schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Familie. Von einer „unwahren Tatsachenbehauptung“ ist die Rede. Die Bewertung sei „rechtswidrig“. Außerdem wird den Leonhards unterstellt, sie seien in Wirklichkeit nie im Zoo gewesen, sondern würden „gezielt die Reputation“ des Zoos schädigen. Sogar „rechtliche Schritte“ werden angedroht.

Imke Leonhard ist sprachlos: „Man wird ja wohl mal seine Meinung sagen dürfen!“ Die massive Reaktion auf die Bewertung ist für sie ein Zeichen, „dass da jemand sehr dünnhäutig ist“. Dass sie und ihr Sohn einen Nachweis über den Zoo-Besuch vorlegen sollen, findet sie geradezu absurd: „Nach vier Jahren haben wir die Tickets nicht mehr!“
Druck und Unterstellungen: Hagenbeck-Kunden fühlen sich schlecht behandelt
Leonhard hat ihren eigenen Schluss aus der Sache gezogen: „Da werden wir nicht mehr hingehen!“ Das will auch die Eimsbüttler Familie L. nicht mehr, der es ganz ähnlich erging wie den Leonhards.
Familienvater Meik L. hatte sich im August über die teuren Eintrittspreise geärgert, die anfallen, wenn er mit seiner Frau und dem kleinen Sohn (5) in den Tierpark geht. „In Berlin und selbst in München sind die Zoos deutlich günstiger!“
Davon ausgehend, dass der Eintrittspreis auch für andere Familien nur schwer zu berappen ist, gab Meik L. eine kurze Bewertung bei Google ab: „Zoo Berlin – 19 €, Hagenbeck 29€??? Warum nehmt ihr die Leute aus?“ Dafür bekam er hunderte von Likes – aber bald darauf auch das gleiche Schreiben wie die Leonhards.
Hagenbeck-Gast: „Als Besucher mundtot gemacht“
„Das scheint eine Taktik zu sein“, meint Meik L. „Man wird als Besucher mundtot gemacht.“ Der Therapeut aus Eimsbüttel will das nicht auf sich sitzen lassen. Den Nachweis über den Zoobesuch konnte er leicht erbringen. „Google hat ja meine Bewegungsdaten. Ich hab ihnen meinen Standortverlauf zugeschickt.“ Bisher ist die Bewertung noch nicht wieder freigeschaltet, die Sache wohl in Bearbeitung.
Der Tierpark Hagenbeck wollte zu den Vorgängen nicht selbst Stellung beziehen. Stattdessen beauftragte Geschäftsführer Dirk Albrecht die Anwaltskanzlei aus Rotherbaum damit, die Fragen der MOPO zu beantworten. Dabei wurde nicht offengelegt, wie viele Hagenbeck-Besucher genau die gleiche Post wie die beiden Hamburger Familien bekommen haben. Nur so viel: „Eine zweistellige Zahl.“
Warum den Besuchern unterstellt wird, sie seien gar nicht im Zoo gewesen, erklärt der Anwalt mit den Worten: „In vielen der gerügten Bewertungen behaupten die Bewerter nicht einmal, den Tierpark besucht zu haben. Der Tierpark steht sehr im Mittelpunkt der Diskussion um das Tierwohl in Parks generell, und während einige Bewertungen überhaupt nicht versuchen, ihre negative Agenda zu verschleiern, hat es den Anschein, als ob die Angriffe teilweise auch subtiler erfolgen. Genau das soll durch die aktuelle Aktion geprüft werden.“
Hagenbeck-Geschäftsführung wittert hinter kritischen Bewertungen eine Kampagne
Die Hagenbeck-Geschäftsführung wittert offenbar eine Kampagne. Hintergrund könnte der wochenlange Streik im Tierpark sein, der dazu führte, dass viele Bürger der Stadt sich mit den Zoo-Mitarbeitern solidarisierten. Schon da reagierte Geschäftsführer Albrecht dünnhäutig, indem er mehreren Besuchern die Jahreskarten entzog.
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Will Hagenbeck nur noch positive Google-Bewertungen erlauben? Die Objektivität des Bewertungstools will der Anwalt nicht in Frage stellen, schränkt aber ein: „Negative Bewertungen gehören zur Vollständigkeit, wenn diese authentisch sind, sich auf einen Besuch im Tierpark beziehen und kein politisches Statement darstellen.“
Die beiden Hamburger Familien fühlen sich völlig missverstanden. „Ich bin keine politische Organisation, sondern war immer ein regelmäßiger Hagenbeck-Besucher“, betont Meik L. „Mir war es einfach ein Anliegen zu sagen, dass Familien aus sozial schwachen Verhältnissen durch die teuren Eintrittspreise im Zoo immer weniger Möglichkeiten bekommen, etwas in Hamburg zu unternehmen.“ Statt zu Hagenbeck will er mit seinem Sohn jetzt lieber in die Wildparks im Hamburger Umland gehen.