Hafenarbeiter: Der Verkauf der HHLA-Anteile geht alle Hamburger an!
Der umstrittene Hafen-Deal bewegt Hamburg: Nicht nur in der Bürgerschaft wird heftig darüber gestritten, auch Hafenarbeiter haben wütend gegen den geplanten Deal des Senats protestiert, der den Einstieg der Großreederei MSC mit 49,9 Prozent in den städtischen Hafenterminalbetreiber HHLA ermöglichen soll. Was genau sind die Befürchtungen? Und wie soll der schwächelnde Hafen sonst gerettet werden? Die MOPO hat mit den drei Vertretern der Hafenarbeiter, den Betriebsräten Sonja Petersen (HHLA), Christian Warnke (Paul Grimm Maritime Solutions) und Jens Paasch (HHLA-Terminal CTA) gesprochen.
Der umstrittene Hafen-Deal bewegt Hamburg: Nicht nur in der Bürgerschaft wird heftig darüber gestritten, auch Hafenarbeiter haben wütend gegen den geplanten Deal des Senats protestiert, der den Einstieg der Großreederei MSC mit 49,9 Prozent in den städtischen Hafenterminalbetreiber HHLA ermöglichen soll. Was genau sind die Befürchtungen? Und wie soll der schwächelnde Hafen sonst gerettet werden? Die MOPO hat mit den drei Vertretern der Hafenarbeiter, den Betriebsräten Sonja Petersen (HHLA), Christian Warnke (Paul Grimm Maritime Solutions) und Jens Paasch (HHLA-Terminal CTA) gesprochen.
MOPO: Hafenarbeiter haben wütend gegen den Hafen-Deal protestiert. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass es Ihnen nur um die eigenen Interessen geht, ohne das große Ganze für Hamburg im Blick zu haben?
Christian Warnke: Natürlich geht es nicht nur um die Beschäftigten. Aber die Arbeitsbedingungen im Hamburger Hafen haben eine große Strahlkraft. Viele Beschäftigte in anderen Branchen orientieren sich an unseren Lohnrunden und Tarifabschlüssen. Wir spielen eine wichtige Rolle für den Arbeitsmarkt in ganz Deutschland und darauf sind wir stolz.
Sonja Petersen: Zudem gehört die HHLA mehrheitlich der Freien und Hansestadt Hamburg und damit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Wenn die Stadt diese Anteile in Teilen veräußert, veräußert sie etwas, das eigentlich den Hamburgerinnen und Hamburgern gehört. Langfristig geht Hamburg damit das Geld verloren, das man über die Dividende jahrelang eingenommen hat. Deshalb ist unser Protest kein Kampf um die eigene Sache, sondern ein Starkmachen für das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger, denen etwas weggenommen werden soll. Das Thema geht alle an!
Aber die Stadt behält doch eine Mehrheit von 50,1 Prozent, um die Kontrolle zu behalten.
Petersen: Beim Verkauf an MSC geht es nicht um eine Beteiligung an einem Containerterminal, sondern um die gesamte HHLA. Entscheidungen, die hier getroffen werden, haben auch eine strategische Bedeutung, denn sie betreffen den gesamten Hamburger Hafen mit tausenden Arbeitsplätzen! Deshalb sollte man sich nicht zum Spielball einer internationalen Reederei machen, die ihre Strategien jederzeit ändern kann.
Jens Paasch: Wenn die Stadt mit 50,1 Prozent die Mehrheit hält, aber leere Kassen hat. Und MSC mit 49,9 Prozent nicht weiß, wohin mit ihrem Geld, dann ist doch klar, wer sich beugt.

Aber der Hafen schwächelt. Wenn man nichts ändert, gefährdet das auch Arbeitsplätze. Mit dem MSC-Deal will die Stadt doch genau das verhindern.
Warnke: Sich da in die Abhängigkeit eines Einzelnen zu begeben, birgt aber große Risiken. Deutschland hat das eigentlich längst gelernt. Die Abhängigkeit vom russischen Gas war höchst problematisch. Beim Hafen geht es um kritische Infrastruktur. Und jetzt sollen wir zulassen, dass sich die größte und mächtigste Reederei in der Deutschen Bucht ausbreitet und die Lenkung der Warenströme übernimmt?
Was befürchten Sie konkret?
Petersen: MSC verspricht Hamburg zwar eine Abfertigungsmenge von einer Million TEU bis 2031. (Anmerkung der Redaktion: TEU steht für Twenty-Foot Equivalent Unit und meint einen 20-Fuß-Standardcontainer.) Das hat bisher noch kein Reeder garantieren können. Das bedeutet eine große Unsicherheit, denn die Reederei wird immer in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse handeln und dabei nicht auf eine kleine Hafenanlage gucken. Und selbst wenn MSC garantiert, dass die Arbeitsbedingungen bleiben: Der Erfahrung nach ist das das Papier nicht wert, auf dem es steht. Das steht und fällt allein mit der Situation des Hafens.
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Paasch: Das Versprechen von einer Million TEU ist auch nicht viel wert. Wir wissen nicht, wie sich andere Reedereien verhalten. Wenn sie wegen der MSC-Dominanz abwandern oder sie würden die gleiche Menge Container aus Hamburg abziehen, dann ist der wirtschaftliche Nutzen gleich Null.
Führt der Deal zu mehr Konkurrenz unter deutschen Häfen?
Petersen: Angesichts der wirtschaftlichen Situation weltweit ist nicht davon auszugehen, dass es in naher Zukunft zu einem Mengenwachstum kommt. Das heißt, die Container können hier nur durch Verlagerung herkommen. Das wird darauf hinauslaufen, dass die europäischen Häfen gegeneinander ausgespielt werden. In Deutschland wird das auf einen Verteilungswettkampf zwischen HHLA und Eurogate hinauslaufen und zwischen Hamburg und Bremerhaven. Damit ist keinem deutschen Standort geholfen.
Warnke: Es würde zu Zwist und Reibereien führen. Aber die Belegschaften in Bremerhaven sind unsere Kolleginnen und Kollegen. Wir sind solidarisch.
Wie soll der Hamburger Hafen sonst aus der Krise kommen?
Petersen: Wir werden nicht gewinnen können, solange darüber spekuliert wird, welche Dienste abgezogen und verlagert werden. Denn solange wird es einen kontinuierlichen Arbeitsplatzabbau geben. Die HHLA will in den kommenden zwei Jahren mindestens 500 Arbeitsplätze abbauen. Bei Eurogate gibt es einen ähnlichen Druck. Wir brauchen eine nationale Hafenstrategie, um der Macht der Reeder etwas entgegenzusetzten.
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Aber woher kommen bei einer Zusammenarbeit der Häfen mehr Container?
Petersen: Indem der Verteilungswettkampf eingedämmt wird. Wir brauchen gemeinsame Strategien, um Ladungen an Hamburg zu binden. Was macht die Ladung aus, die nach Hamburg kommt? Und wie kann man zusätzlich Ladung gewinnen? Wie kommen wir an die ran, die produzieren? Das ist von der HHLA sehr vernachlässigt worden.
Oder muss der Hafen günstiger werden, um mehr Ladung anzuziehen? Er gilt als teurer als die Konkurrenz –unter anderem wegen guter Löhne für Hafenarbeiter.
Warnke: Es sind nicht nur gute Löhne. Es gibt auch noch Liegegebühren. Ja, es gibt gute Löhne, aber auch gut ausgebildete und qualifizierte Menschen, die hier konsumieren und Steuergelder für die Region einbringen. Gut 60 Prozent der Steuereinahmen werden aus Lohnsteuern generiert.
Paasch: Sind andere Häfen denn wirklich billiger oder unterliegen wir einfach einem ungleichen Wettbewerb? Man hört in Europäischen Häfen von staatlichen Förderungen.
Petersen: Dass der Hamburger Hafen teurerer ist, wird seit Jahren zwar so gesagt. Aber es ist nie valide berechnet worden, ob das wirklich stimmt. So ist es nur ein wunderbarer Schlag, um die Menschen gegeneinander auszuspielen. Man wäre gut beraten mal auszurechnen, was man an den Häfen in der Nordrange zahlt, und wer wie subventioniert wird.
Was haben Sie jetzt geplant?
Paasch: Wir werden mit der Stadt und der Wirtschaftssenatorin sprechen und hoffen, mehr Informationen zu bekommen. Aber das Ganze erzeugt Skepsis in den Belegschafen. Sie gehen seit Jahren den Wandel mit, Arbeitsplätze wurden durch Automatisierungen und ähnlichem abgebaut. Und jetzt versucht man sie über Nacht durch Funk und Fernsehen vor vollendete Tatsachen zu stellen.
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Petersen: Es ist nicht nur ein HHLA-Thema, sondern geht alle Hamburger und Hamburgerinnen an. Wir bauen unsere Netzwerke aus, informieren die Bevölkerung und werden Stellungnahmen aus der Politik anfordern, dass der Verkauf nicht stattfinden kann.
Warnke: Aufgeben ist keine Option.
Paasch: Es heißt ja: Wenn der Hafenarbeiter will, steht der Hafen still.