„Aufgeheizte Stimmung“: Kein Publikum bei Prozess um Gruppenvergewaltigung erlaubt
Prozessbeginn um ein schockierendes Verbrechen: In der Nacht vom 19. auf den 20. September 2020 ist ein 15-jähriges Mädchen im Hamburger Stadtpark von einer Gruppe Männer vergewaltigt worden. Seit Dienstag stehen elf Angeklagte vor der Jugendkammer des Landgerichts am Sievekingplatz (Neustadt). Unter anderem wegen der aufgeheizten öffentlichen Stimmung findet das Verfahren ohne Publikum statt. Dennoch gibt es erste Details über die Tat und die Verdächtigen – der jüngste von ihnen war zur Tatzeit erst 16 Jahre alt.
Nach und nach treffen die jungen Angeklagten ein, einige von schmächtiger Gestalt, andere kräftiger, fast alle mit Baseballkappe und Kapuze drüber, dazu die im Gericht noch vorgeschriebene Masken – die Gesichter sind nicht zu erkennen. Zwei der Männer sind Zwillingsbrüder.
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Prozessbeginn um ein schockierendes Verbrechen: In der Nacht vom 19. auf den 20. September 2020 ist ein 15-jähriges Mädchen im Hamburger Stadtpark von einer Gruppe Männer vergewaltigt worden. Seit Dienstag stehen elf Angeklagte vor der Jugendkammer des Landgerichts am Sievekingplatz (Neustadt). Unter anderem wegen der aufgeheizten öffentlichen Stimmung findet das Verfahren ohne Publikum statt. Dennoch gibt es erste Details über die Tat und die Verdächtigen – der jüngste von ihnen war zur Tatzeit erst 16 Jahre alt.
Nach und nach treffen die jungen Angeklagten ein, einige von schmächtiger Gestalt, andere kräftiger, fast alle mit Baseballkappe und Kapuze drüber, dazu die im Gericht noch vorgeschriebene Masken – die Gesichter sind nicht zu erkennen. Zwei der Männer sind Zwillingsbrüder.
Laut einer Senatsantwort auf Kleine Anfragen der CDU- und der AfD-Bürgerschaftsfraktionen sind vier der Angeklagten Deutsche, sechs haben andere Staatsangehörigkeiten, bei einem ist die Nationalität unklar. Das Gericht hat einen Dolmetscher für Arabisch bestellt.
Mehrere von ihnen galten zunächst als Zeugen, bevor die Ermittlungen ergaben, dass sie zu den Peinigern des Mädchens gehört haben sollen. Unter anderem die Vernehmung unzähliger, oft alkoholisierter Zeugen aus dem Stadtpark ist der Grund, warum der Prozess erst jetzt beginnt.
Jüngster Angeklagter war zur Tatzeit erst 16 Jahre alt
Auf die Verdächtigen, von denen der Jüngste zur Tatzeit erst 16 Jahre alt war, war die Polizei unter anderem durch Videoaufnahmen von nahen U-Bahnstationen gekommen. Später wurden bei Hausdurchsuchungen DNA-Proben sichergestellt, die zu den Spermaspuren vom Tatort passten.
Zehn der jungen Männern wird Vergewaltigung vorgeworfen, dem elften das Filmen der Taten mit dem Handy (Herstellung kinderpornographischer Inhalte und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches). Auch einer der mutmaßlichen Vergewaltiger soll Aufnahmen gemacht haben, die Videos sind aber nie aufgetaucht.
Jeder Angeklagte hat zwei Verteidiger, dazu die Kammer um die Vorsitzende Anne Meier-Göring, Staatsanwaltschaft, Gutachter und Vertreter der Jugendhilfe – Saal 300, der größte im Landgericht, ist am Ende mit rund 60 Personen gut gefüllt. Die Schülerin ist Nebenklägerin in dem Verfahren, zum Prozessauftakt wird sie von ihrer Anwältin vertreten.
Hamburg: Prozess um Stadtpark-Vergewaltigung findet ohne Zuschauer statt
Noch vor der Anklageverlesung stellen die Verteidiger und die Anwältin des Opfers Anträge auf Ausschuss der Öffentlichkeit. Nur ein Angeklagter, so wird später bekannt, habe sich die Anwesenheit von Presse und Publikum gewünscht, damit die Öffentlichkeit sich ein Bild von den „wahren Umständen“ machen könne.
Nach kurzer Beratung schließt das Gericht Zuschauer für die Dauer des gesamten Verfahrens aus: Opfer und Beschuldigte sind sehr jung, außerdem geht es um Vorwürfe aus dem intimsten Bereich. Auch auf die „aufgeheizte Stimmung“ in der Öffentlichkeit geht Meyer-Göring ein, deutet an, dass wahrscheinlich auch die Plädoyers und Teile der mündlichen Urteilsbegründung nicht-öffentlich sein werden.
Als das Verbrechen öffentlich wurde, war es im Internet zu Aufrufen zur Selbstjustiz gekommen. Unter anderem wurden Fotos der angeblichen „Täter“ aus sozialen Netzwerken veröffentlicht, gar die Adresse eines der Männer. Auch der Arbeitgeber eines der Jugendlichen wurde kontaktiert.
Gegen die mutmaßlichen Teilnehmer am Online-Pranger laufen Ermittlungen. Die Hamburger Polizei leitete nach Angaben der Staatsanwaltschaft 144 Ermittlungsverfahren ein. 79 der Verfahren seien an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben worden. Einige Fälle seien eingestellt worden, auch weil die Beschuldigten so jung sind, dass sie als nicht strafmündig gelten.
Vergewaltigung wurde mit dem Handy gefilmt
Das liegt dem Prozess zugrunde: Laut Staatsanwaltschaft traf die stark alkoholisierte Schülerin am späten Abend zunächst nahe der Festwiese im Stadtpark auf einen der Angeklagten, der mit ihr ins Gespräch gekommen sei und sie dann in ein Gebüsch geführt habe. Dort seien drei andere Angeklagte hinzugetreten, und es soll zu sexuellen Handlungen gekommen sein, bei denen teilweise auch Gewalt gegenüber der 15-Jährigen angewendet worden sein soll.
Einer der vier Männer soll auch noch die Handtasche des Mädchens entwendet haben. Anschließend soll die Schülerin jeweils von anderen Angeklagten noch zwei weitere Male von der Festwiese aus in ein Gebüsch geführt worden sein, wo es zu sexuellen Handlungen gekommen sei.
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Das Gericht will bis Dezember jeden Dienstag und Donnerstag verhandeln. Bis zum 20. Dezember sind 41 Verhandlungstage angesetzt.