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  • Eine Impfdosis von Biontech.
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/POOL

Großer Streit um Impf-Strategie: Der Impfstoff wird zum Zündstoff

Neues Jahr, neue Hoffnung? 2021 steht im Zeichen der Impfung, endlich soll das Corona-Virus eingeschränkt, am liebsten besiegt werden. Doch bislang läuft es schleppend, der Aufbruchsstimmung ist vielerorts Kritik an der Impfstrategie gewichen. Die MOPO erklärt, wo es derzeit hakt und wie die Diskussion rund um die Corona-Bekämpfung derzeit verläuft.

Hat Deutschland bei der Impfstoffbeschaffung versagt?

Schon früh war klar, dass Deutschland sich nicht im nationalen Alleingang um die Impfstoffe bemühen würde, sondern dies mit den EU-Ländern gemeinsam machen wollte. Neben Einigkeit und Solidarität erhoffte man sich auch durch den Zusammenschluss der 27 Mitgliedsstaaten Rabatte bei den Impfstoff-Herstellern.

Die EU bestellte die große Gemischtwaren-Impfstoffbox von sechs verschiedenen Herstellern – insgesamt wurden so knapp zwei Milliarden Impfdosen gesichert. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht klar, welche Hersteller wann und wie wirksam liefern würden. Aus heutiger Perspektive wohl nicht die bestmögliche Strategie.

Beschaffung des Impfstoffs: Zu viel Geschacher?

Zu bürokratisch, zu viel Preis-Geschacher lauten die Vorwürfe. Frauke Zipp, Neurologin und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, sprach gar von einem „groben Versagen der Verantwortlichen“.

Tatsächlich ist es so, dass BionTech, das bislang den einzig innerhalb der EU zugelassenen Impfstoff liefert, wohl der EU mehr als die 300 Millionen georderten Impfdosen anbot. Berichten zufolge wollte die EU aber unter anderem nicht mehr bestellen, weil vom französischen Impfstoff-Hersteller Sanofi 300 Millionen Dosen bestellt wurden – da sollte der Proporz nicht verletzt werden.

BionTech: Impfstoff ist teurer und muss gekühlt werden

Auch kursiert als Grund, dass BionTechs Impfstoff teurer sei, als andere. Nur: Muss man wirklich sparen, wenn es um Menschenleben geht und kostet der Lockdown wirtschaftlich nicht mehr auf lange Sicht?

Angesprochen auf mögliche Fehler bei der Impfstoffbeschaffung sagte Deutschlands bekanntester Virologe, Christian Drosten, dass es „praktisch unmöglich“ sei, „das im Nachhinein zu bewerten“. Drosten sagte, die Beschaffung sei eine komplexe Angelegenheit: „Man musste den Impfstoff mit Monaten Vorlauf bestellen – und wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, ob der betreffende Impfstoff auch funktionieren würde.” Mittlerweile verhandelt die EU mit Biontech über weitere Lieferungen und Deutschland hat sich selbst noch mal 30 Millionen Impfdosen gesichert.

Wann werden weitere Impfstoffe zugelassen?

Als Nächstes wird innerhalb der EU aller Voraussicht nach der Impfstoff von Moderna zugelassen. Die Entscheidung soll am 6. Januar fallen. Davon hat die EU 160 Millionen Dosen bestellt. Ebenfalls im Rennen um eine baldige Zulassung ist der Impfstoff von AstraZeneca, der zwar eine geringere Wirksamkeit als Biontech hat, dafür aber nicht bei minus 70 Grad gekühlt werden muss und einfacher herzustellen ist. Hiervon orderte die EU 400 Millionen Dosen.

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Rechnet man mit allen drei Herstellern hat Deutschland ein Anrecht auf insgesamt rund 190 Millionen Impfdosen. Deutschland benötigt mindestens 100 bis 120 Millionen Dosen, um für Herden-Immunität zu sorgen, da zwei Impfungen pro Person nötig sind. Es werden allerdings noch Monate vergehen, ehe ausreichend Menschen geimpft wurden, weil nur in Etappen geliefert wird.

Großbritannien: Erst mal nur eine Impfung

Großbritannien versucht nun aufgrund der Lieferengpässe eine neue Strategie: Anstatt nach drei Wochen direkt das zweite Mal zu impfen, weitet man den Zeitraum auf bis zu 12 Wochen aus. Das Kalkül: besser ein bisschen Schutz für viele als idealer Schutz für wenige. Studien dazu gibt es noch nicht, verschiedene Wissenschaftler halten das Vorgehen aber für legitim.

Sollten Geimpfte Sonderrechte bekommen?

Es wird derzeit debattiert, ob Menschen, die sich für eine Corona-Impfung entscheiden, früher wieder ihre Grundrechte wahrnehmen dürfen. Absehbar ist eine Entscheidung aber zu diesem Zeitpunkt nicht, dafür sind noch viel zu wenige geimpft und noch nicht geklärt, ob die Impfung überhaupt eine Weitergabe der Infektion verhindert. Solange nicht allen ein Impfangebot gemacht werden könne, sei es „ein Gebot der Fairness und der Solidarität, Sonderrechte weder einzufordern noch anzubieten“, so Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Warum haben viele Menschen Angst vor der Impfung?

In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich immunisieren lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.

Eine Mehrheit von 57 Prozent hat aber auch Angst vor Nebenwirkungen der Impfung. Vermutet wird, dass zum Beispiel viele Pfleger, die jetzt zuerst an der Reihe sind, nicht den Anfang beim in Rekordzeit entwickelten Impfstoff machen wollen. Lieber wollen viele abwarten und schauen, ob noch Nebenwirkungen auftreten, die bislang nicht erfasst wurden.

Wie lange wird der Lockdown dauern?

Am Dienstag kommen Bund und Länder wieder zusammen, um über weitere Corona-Maßnahmen zu beraten. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Lockdown erst mal nicht zurückgenommen. Zur Diskussion steht, ob gleich bis Ende Januar verlängert wird, oder ob man sich in zwei Wochen wieder trifft. Bundesländer wie Bayern mit hohen Inzidenzwerten sprechen sich für die erste Variante aus.

Auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist klar für eine Beibehaltung der aktuellen Regeln, wie lange ließ er aber offen. Virologe Christian Drosten erwartet eine schwierige erste Jahreshälfte. Er glaube, dass es in der zweiten Jahreshälfte zu einer Entspannung kommen könne – wenn viel geimpft werde. (fkm)

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