Greenpeace-Interview: „Wir können Bürger:innen mehr zumuten!“
No coal, no war (Keine Kohle, kein Krieg): Unter diesem Motto hatten Greenpeace-Aktivist:innen zuletzt mit Schlauchbooten einen russischen Kohlefrachter im Hamburger Hafen blockiert – und damit einen großen Polizeieinsatz samt Hubschrauber ausgelöst. Aber treffen solche Aktionen jetzt die richtigen? Und wie soll ein Energie-Embargo überhaupt funktionieren? Die MOPO hat mit der Hamburgerin Marion Tiemann, Greenpeace-Kampaignerin für Klimawandel und Mobilität, gesprochen.
Frau Tiemann, warum der Protest im Hafen?
Marion Tiemann: Wir fordern einen Importstopp von Öl, Gas und Kohle aus Russland – und das so schnell wie möglich. Wir überweisen immer noch täglich Millionen Euro an Putin und finanzieren seinen Krieg in der Ukraine mit. Und das mit fossiler Energie, vor der wir wegen der Klimakrise ohnehin dringend die Finger lassen müssen. Die Bundesregierung muss Putin den Geldhahn zudrehen.
Aber glauben Sie wirklich, dass Putin durch den Importstopp einknickt?
- Deutsch (Deutschland)
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No coal, no war (Keine Kohle, kein Krieg): Unter diesem Motto hatten Greenpeace-Aktivist:innen zuletzt mit Schlauchbooten einen russischen Kohlefrachter im Hamburger Hafen blockiert – und damit einen großen Polizeieinsatz samt Hubschrauber ausgelöst. Aber treffen solche Aktionen jetzt die richtigen? Und wie soll ein Energie-Embargo überhaupt funktionieren? Die MOPO hat mit der Hamburgerin Marion Tiemann, Greenpeace-Kampaignerin für Klimawandel und Mobilität, gesprochen.
Frau Tiemann, warum der Protest im Hafen?
Marion Tiemann: Wir fordern einen Importstopp von Öl, Gas und Kohle aus Russland – und das so schnell wie möglich. Wir überweisen immer noch täglich Millionen Euro an Putin und finanzieren seinen Krieg in der Ukraine mit. Und das mit fossiler Energie, vor der wir wegen der Klimakrise ohnehin dringend die Finger lassen müssen. Die Bundesregierung muss Putin den Geldhahn zudrehen.
Aber glauben Sie wirklich, dass Putin durch den Importstopp einknickt?
Krieg muss finanziert werden und das wollen wir Putin so schwer wie möglich machen. Fast die Hälfte der russischen Einnahmen kommt aus dem Verkauf von fossiler Energie. Das ist unser größter Hebel, Frieden zu ermöglichen. Auch kann Putin einfach entscheiden, nichts mehr zu liefern, was tun wir dann?
Die Protestaktion im Hafen trifft aber vor allem den Frachter. Bringt das überhaupt etwas?
Ja, solche Aktionen sind effektiv und haben schon bewirkt, dass sich Meinungen ändern. Wir brauchen einen starken Protest, sonst findet kein Wandel statt. Ich sehe ein, dass er für das Unternehmen Umstände bedeutet. Wer aber jetzt noch Geld mit Öl, Kohle und Gas aus Russland verdient, handelt unmoralisch und muss mit Protesten rechnen. Und es gibt Menschen und Unternehmen, die beeindruckend Haltung zeigen. In den Niederlanden haben sich zum Beispiel Hafenarbeiter:innen geweigert, Kohle zu entladen. Aber unser Hauptadressat ist die Bundesregierung. Sie kann den Importstopp beschließen.
Doch die lehnt ein sofortiges Embargo ab. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat wegen steigender Preise Angst um den sozialen Frieden.
Menschen, die so in existenzielle Nöte geraten, muss man zielgerichtet helfen. Dafür gibt es Wege. Ich bin davon überzeugt, dass man den Bürger:innen auch mehr zumuten kann: Dem ZDF-Politbarometer zufolge sind 55 Prozent dafür, den Import zu stoppen, auch wenn es zu Versorgungsproblemen kommt.
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Aber wie soll der Importstopp funktionieren?
Wir müssen Energie einsparen, wo wir können. Gerade im Verkehr ist etwa mit einem Tempolimit, autofreien Sonntagen und mehr Radfahren viel Einspar-Potenzial für Öl. Kurzfristig lässt sich etwa ein Drittel der russischen Ölimporte einsparen.
Aber nur weniger Auto zu fahren oder auch weniger zu heizen reicht doch nicht. Wie soll die Energie-Lücke ausgeglichen werden?
Neben dem Anzapfen von Reserven kommen wir nicht drum herum, erst noch für kurze Zeit fossile Energien aus anderen Ländern zu importieren, bevor wir ganz daraus aussteigen. Gleichzeitig müssen wir Erneuerbare Energien und Wärmepumpen massiv ausbauen, und dafür sorgen, dass keine neuen Diesel und Benziner mehr auf die Straße kommen.
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Oder doch wieder nach Öl in der Nordsee bohren, wie es Christian Lindner (FDP) ins Spiel gebracht hat?
Das ist eine reine Scheindiskussion. Der Vorrat würde nur für zwei Monate reichen. Aber dass das oder eine längere Laufzeit von Kohlekraftwerken überhaupt vorgeschlagen wird, ist absolut verrückt. Dieser Konflikt darf nicht zu einem Rückfall zu den fossilen Brennstoffen führen, womit wir die Klimakrise verschlimmern würden.