Islam-Experte: So wurden wir schon als Kinder zu Judenhassern erzogen
„Möge Allah die verfluchten Juden erniedrigen und zerstören“ – dieses Bittgebet wird freitags noch immer in Moscheen arabischer Staaten gepredigt. Abdel-Hakim Ourghi (55), Islam-Wissenschaftler und prominente Stimme der liberalen Muslime in Deutschland, wuchs in Algerien auf. Von klein auf lernte er: Juden und der Staat Israel sind die Feinde, das absolut Böse. Erst als er in Deutschland studierte, schaffte er das Gelernte abzulegen und sich weiterzubilden. Im Mai 2023 veröffentlichte er das Buch: „Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“. Mit der MOPO sprach er über das Problem des islamischen Antisemitismus in Deutschland, dessen Ursprünge und ob man dieses Problem noch unter Kontrolle bringen kann.
MOPO: „Juden sind Täter, Muslime die Opfer“ – mit 23 Jahren kamen Sie als indoktrinierter Antisemit aus Algerien nach Deutschland. Wie haben Sie diese Haltung ablegen können?
„Möge Allah die verfluchten Juden erniedrigen und zerstören“ – dieses Bittgebet wird freitags noch immer in Moscheen arabischer Staaten gepredigt. Abdel-Hakim Ourghi (55), Islam-Wissenschaftler und prominente Stimme der liberalen Muslime in Deutschland, wuchs in Algerien auf. Von klein auf lernte er: Juden und der Staat Israel sind die Feinde, das absolut Böse. Erst als er in Deutschland studierte, schaffte er es, das Gelernte abzulegen und sich weiterzubilden. Im Mai 2023 veröffentlichte er das Buch: „Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“. Mit der MOPO sprach er über islamischen Antisemitismus in Deutschland, dessen Ursprünge und die Frage, ob man dieses Problem noch unter Kontrolle bringen kann.
MOPO: „Juden sind Täter, Muslime die Opfer“ – mit 23 Jahren kamen Sie als indoktrinierter Antisemit aus Algerien nach Deutschland. Wie haben Sie diese Haltung ablegen können?
Abdel-Hakim Ourghi: Es hat damit zu tun, dass ich angefangen habe, mich mit der Geschichte des Islam zu beschäftigen. Das war während meines Studiums hier in Freiburg. Da entdeckte ich die Rolle des Propheten als Staatsmann und seinen politischen Umgang mit den Jüdinnen und Juden in Medina im siebten Jahrhundert. Das hat mich nachdenklich gestimmt. Ich fragte mich, warum haben wir das nicht gelernt?
Über was für einen Umgang sprechen wir?
Über einen Krieg, den der Prophet Mohammed gegen die Juden geführt hat. Wir haben immer gelernt, dass der Prophet ein friedfertiger Mensch war. Später habe ich mich mit der Geschichte Deutschlands auseinandergesetzt – und erfuhr zum ersten Mal von den sechs Millionen Juden, die während des NS-Regimes auf grausame Weise getötet wurden. Irgendwann habe ich dann zum ersten Mal Juden kennengelernt – und plötzlich hatte ich keine Angst mehr vor ihnen. Durch die Begegnung entdeckte ich Menschen, die ebenfalls Sehnsucht nach Frieden haben.
Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass in arabischen Staaten und generell muslimischen Ländern, Judenhass regelrecht Staatsräson ist und religiös legitimiert wird. Können Sie mir ein Beispiel aus Ihrem Leben in Algerien geben?
In meiner Heimat haben wir als muslimische Kinder schon früh gelernt, dass das Wort Jude ein Schimpfwort ist. Man durfte sich nicht ,wie ein Jude benehmen‘. Eine Lehrerin sagte, sie sei dankbar, dass Hitler die Juden hingerichtet hat, aber er hätte das zu Ende bringen müssen. Unsere sogenannte islamische Sozialisation war ein antisemitisches Programm. Uns wurde beigebracht, dass wir Muslime die Opfer sind und Juden die Täter, der Staat Israel war das Böse.

Woher kommt dieser Hass?
Die Kinder kommen selbstverständlich nicht als Antisemiten zur Welt. Sie werden in ihren Gemeinden zu Antisemiten erzogen. Dazu leisten etwa arabische und türkische Fernsehsender, das Internet und Hassprediger in einigen hiesigen Moscheen einen erheblichen Beitrag. Antijudaismus ist eine Seite der Geschichte des Islam. Wenn wir Quellen wie den Koran oder das politische Handeln des Propheten genau unter die Lupe nehmen, stellen wir fest, dass die Judenfeindschaft in den Schriften des Islams legitimiert ist. Im Koran gibt es einen ganzen Sündenkatalog der Juden. Sie werden als Ungläubige bezeichnet, über die der Fluch Gottes komme, solange sie sich nicht zum Islam bekennen. Sie hätten den Bund mit Gott gebrochen. Diffamierend ist auch das koranische Motiv, dass Gott die Juden wegen ihrer Sünden und Torheiten in Tiere verwandelt – Affen, Schweine, Götzendiener.
Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel kommt es in Deutschland immer wieder zu sogenannten Pro-Palästina-Demonstrationen, auf denen der Terror relativiert oder sogar gefeiert wird. Hat Deutschland ein Problem mit islamischem Antisemitismus?
Ein gravierendes Problem. Wir als liberale Muslime haben immer vor dem islamischen Antisemitismus und vor dem politischen Islam gewarnt. Man wollte das lange nicht wahrhaben, aber das Problem war immer da. Und jetzt zeigt es sein wahres Gesicht, wenn sich muslimische Jugendliche, die hier geboren und sozialisiert sind, mit Terrororganisationen wie der Hamas identifizieren und der Davidstern an Häuser und Synagogen gemalt wird. Das ist alarmierend.
Wir haben das Problem unterschätzt?
Die etablierten Parteien müssen ihre Vorgehensweise diesbezüglich infrage stellen, müssen gucken, wo sie und die Integration von Muslimen gescheitert sind. Wir brauchen dringend zukunftsorientierte Konzepte, wie man mit islamischem Antisemitismus umgehen soll. Denn dieser ist nicht nur auf der Straße präsent, sondern auch in unserem Alltag und schon in den Schulen. Ich kriege täglich E-Mails von Lehrern, die nicht wissen, wie sie mit dem Antisemitismus umgehen sollen.
Muslimische Verbände stehen derzeit vermehrt in der Kritik, sich nicht deutlich genug vom Terror der Hamas und dem Hass auf Israel zu distanzieren. Wie erklären Sie diese Zurückhaltung?
Die Gefahren des islamischen Antisemitismus kommen von den politischen Auslandsorganisationen wie Ditib. Man sollte sehr vorsichtig sein, mit diesen Dachverbänden zusammenzuarbeiten. Deshalb habe ich immer dafür plädiert: Der Islam braucht keine kirchlichen Strukturen. Niemand hat bei den Muslimen eine Bevollmächtigung, andere Muslime zu vertreten. Das ist eher eine Erfindung hier bei uns im Westen. Der Islam muss unbedingt eine private Sache werden.
Was braucht es, damit muslimische Antisemiten in ihrer Weltanschauung eine Wandlung vollziehen?
Zunächst dürfen Muslime den Koran nicht wortwörtlich verstehen, es ist sehr wichtig, dass sie den Koran als zeitgeschichtliches Dokument begreifen. Man muss aber auch den Mut haben, den Propheten nur als gewöhnlichen Menschen zu betrachten. In der Praxis muss der islamische Antisemitismus bereits in der Grundschule im islamischen Religionsunterricht thematisiert werden. Wir brauchen dringend Exkursionen für muslimische Schülerinnen und Schüler in die Shoah-Gedenkstätten und müssen diese mit Vor- und Nacharbeit begleiten. Wir dürfen sie damit nicht alleine lassen. Ein letzter Punkt wäre die dialogische Begegnung von Juden und Muslimen in den Synagogen und Moscheen. Ich glaube, dadurch können viele Wunden geheilt werden.
Sie selbst wollen den Islam reformieren, Muslime aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit und aus ihrer „ewigen Opferrolle“ befreien. Wie kann das gelingen?
Wir brauchen eine Erinnerungskultur – wie die Deutschen mit ihrer Geschichte – und viel Aufklärungsarbeit. Wir müssen die Probleme benennen. Ich glaube, das ist der Beginn für ein friedliches Miteinander.