70 Jahre „Goldener Handschuh“: Kenner der Kult-Kneipe über Abstürze und Herzlichkeit
Geschäftsleute, die mit Randständigen feiern. Kiezianer, die mit Touristen einen am Tresen heben. Im „Goldenen Handschuh“ am Hamburger Berg ist es egal, was man ist. Es zählt nur das Wer. „Ob jung, ob alt, ob arm, ob reich, in unserer Kneipe sind wir alle gleich.“ Das war schon die Maxime von Herbert Nürnberg. Vor 70 Jahren gründete er die legendäre Kneipe auf St. Pauli, die traurige Bekanntheit durch den Frauenmörder Fritz Honka erlangte, der in den 70ern seine Opfer dort kennenlernte. Dienstag wird der Geburtstag ab 11 Uhr mit einem großen Sommerfest gefeiert. In der MOPO gratulieren „Handschuh“-Kenner mit teils besonderen Geschichten aus dem wilden Kneipen-Alltag, von menschlicher Wärme und schlimmen Drogenabstürzen.
Geschäftsleute, die mit Randständigen feiern. Kiezianer, die mit Touristen einen am Tresen heben. Im „Goldenen Handschuh“ am Hamburger Berg ist es egal, was man ist. Es zählt nur das Wer. „Ob jung, ob alt, ob arm, ob reich, in unserer Kneipe sind wir alle gleich.“ Das war schon die Maxime von Herbert Nürnberg. Vor 70 Jahren gründete er die legendäre Kneipe auf St. Pauli, die traurige Bekanntheit durch den Frauenmörder Fritz Honka erlangte, der in den 70ern seine Opfer dort kennenlernte. Dienstag wird der Geburtstag ab 11 Uhr mit einem großen Sommerfest gefeiert. In der MOPO gratulieren „Handschuh“-Kenner mit teils besonderen Geschichten aus dem wilden Kneipen-Alltag, von menschlicher Wärme und schlimmen Drogenabstürzen.
„Diesen einen Besuch werde ich nie vergessen. Ich kam gerade vom Klo …“
Burlesque-Queen Eve Champagne (38): „Der ,Handschuh‘ – das sind meine Nachbarn. Eine legendäre und wichtige Institution auf dem Kiez. Einen meiner Besuche werde ich nie vergessen. Ich komme vom pink gestrichenen Klo der Kneipe. Über dem Waschbecken kotzt gerade eine Transe. Sie flucht in drei Sprachen, dreht völlig durch. Ich halte ihre Haare und versuche sie zu beruhigen. Irgendwann höre ich aus ihrem Gebrüll raus, dass sie Koks nehmen wollte. Es war aber Ketamin. Das Narkosemittel ist ihr gar nicht gut bekommen. Ganz schlechter Trip. Ich habe ihr beigestanden und O-Saft eingeflößt. Die Moral von der Geschichte: Man nehme nur Drogen, die man kennt. Was so alles in einer „Handschuh“-Nacht passieren kann! Ich wünsche dem Laden noch weitere Jahrzehnte mit skurrilen, lustigen und schönen Geschichten.“

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„Bodenständige Menschen, bei denen noch das Wort gilt“
Lars Schütze (55), Erster Vorsitzender der IG St. Pauli und ehemaliger Juniorchef der legendären Esso-Tankstelle am Spielbudenplatz: „Natürlich kannte ich die Honka-Geschichte von klein auf. Aber erst nach ungefähr 30 Jahren auf dem Kiez war ich das erste Mal im ,Handschuh‘. An dem Tag, an dem der Film im Kino anlief, setzte ich mich alleine an den Tresen und trank ein Bier. Einfach, um die Atmosphäre zu erleben, bevor ich mir den Film anschaue. Ich bin auch gleich voll eingestiegen. Eine betrunkene, ältere Dame kam mir sehr nahe, auf der Suche nach jemandem, der ihr ein Bier ausgibt. Eine Gruppe junger Herren schlug derart über die Stränge, dass der Mann hinterm Tresen eine klare Ansage machen musste. Später lernte ich die Betreiberfamilie kennen und war häufiger in der Kneipe. Schade, dass ich so viele Jahre gebraucht habe, um endlich dort zu landen. Der ,Handschuh‘ ist eine Institution mit herzlichen Betreibern. Bodenständige Menschen, die das Herz am rechten Fleck haben und bei denen noch das Wort gilt.“

„Ein sicherer Hafen, in dem jeder Mensch einen festen Ankerplatz bekommt“
Kiez-Historikerin Eva Decker (49): „Boxen, Kiez und Kneipen – das ist häufig eine Kombination, die kein Glück bringt. Manch einem hat sie jedoch zwei Karrieren beschert. Wie Herbert Nürnberg, erfolgreicher Amateurboxer und Begründer jener Familien-Dynastie, die den ,Goldenen Handschuh‘ betreibt. 1953 wurde aus der Boxlegende ein Gastronom. Dass er mit dem ,Handschuh‘ eine Institution geschaffen hatte, konnte Herbert Nürnberg damals nicht wissen. Auch nicht, dass später noch seine Urenkel über den eigens erhöhten Bretterboden hinterm Tresen laufen werden – der Gründer war nur 1,70 Meter groß, weshalb die ,Bühne‘ eingebaut wurde. Ich möchte dem 1995 verstorbenen Herbert Nürnberg posthum gratulieren – für ein Lebenswerk, das weit mehr ist als nur eine Kneipengründung. Er hat den ,Goldenen Handschuh‘ geprägt und den Grundstein für jenen sicheren Hafen gelegt, in dem jeder Mensch, der es braucht, einen festen Ankerplatz bekommt.“

„Unglaublich, wie viele Gesichter die Kneipe hat“

Schauspieler Lars Nagel (49), „Nasen-Ernie“ im Film „Der Goldene Handschuh“: „Kaum verändert seit Bestehen, rau und gemütlich, stabil gegen jeden Wandel und läuft wie eh und je. Zu dieser Leistung möchte ich der Familie Nürnberg herzlich gratulieren. Der Handschuh ist ein Aushängeschild, ein Eckpfeiler St. Paulis. Ich bin stolz, dass ich im Film von Fatih Akin einen Stammgast dieses besonderen Ladens spielen durfte. Zur Vorbereitung auf die Rolle habe ich den ,Handschuh‘ häufig besucht. Unglaublich, wie viele Gesichter die Kneipe hat – je nachdem, zu welcher Tages- oder Nachtzeit man kommt. Das Publikum reicht von Anwohnern, Touristen, Partyleuten bis hin zu schweren Jungs. Nach der Premierenfeier wurde einem aus unserem Team sein Geld im ,Handschuh‘ gestohlen. Nicht so geil, aber es zeigt: In der Kneipe sind alle unterwegs. Ich hoffe, dass es den Laden noch weitere 70 Jahre gibt, damit diese Tradition erhalten bleibt.“