Gesichert wie eine Festung: Hier verschanzen sich Hamburger Rechtsextremisten
Das schwarze Tor vor der Einfahrt sieht so massiv aus, als würde es sogar dem Angriff eines Panzers standhalten. Rund um das Grundstück ist ein mächtiger Zaun gezogen, der oben zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Und dann gibt es auch noch etliche Kameras, die dafür sorgen, dass sich niemand unbemerkt nähern kann. Die Rede ist nicht vom Todesstreifen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, auch nicht von „Fort Knox“, sondern von einem Hamburger Studentenwohnheim. Wer sind die dubiosen Bewohner und wovor haben sie so viel Angst?
Das schwarze Tor vor der Einfahrt sieht so massiv aus, als würde es sogar dem Angriff eines Panzers standhalten. Rund um das Grundstück ist ein mächtiger Zaun gezogen, der oben zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Und dann gibt es auch noch etliche Kameras, die dafür sorgen, dass sich niemand unbemerkt nähern kann. Die Rede ist nicht vom Todesstreifen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, auch nicht von „Fort Knox“, sondern von einem Hamburger Studentenwohnheim. Wer sind die dubiosen Bewohner und wovor haben sie so viel Angst?
Das fragen sich auch die Nachbarn. Die sind ziemlich besorgt, so besorgt, dass niemand zitiert, niemand fotografiert werden möchte. „Besser, wir legen uns nicht mit denen da an“, heißt es. Die Anwohner sagen, dass bisher alles ruhig geblieben sei. Aber die Befürchtung ist allgegenwärtig, dass unruhige Zeiten auf den Stadtteil zukommen. Neben „solchen Leuten“ zu wohnen, so sagt eine Frau hinter vorgehaltener Hand, das mache allen ein „ungutes Gefühl“.

Anwohner entsetzt: Berüchtigte „Burschenschaft Germania“ hat neuen Sitz in Marienthal
Ortstermin in der Jüthornstraße im Wandsbeker Stadtteil Marienthal. Eine ziemlich ruhige Wohngegend. Noch. Hier hat nämlich heimlich, still und leise die Hamburger Burschenschaft Germania ihr neues Domizil bezogen. „Als diese Leute einzogen sind, habe ich sie mal gefragt, wer sie sind. Aber sie haben sich verleugnet“, erzählt ein Nachbarn empört. „Sie behaupteten, hier werde ein x-beliebiges Studentenwohnheim eröffnet. Kein Wort, dass es sich bei ihnen um diese berüchtigte Burschenschaft handelt.“
Erst als dann draußen auf der Straße das Hamburger Bündnis gegen Rechts demonstrierte, erfuhr das ganze Viertel, wer die Neuen wirklich sind.

Schon seit Jahrzehnten macht die Hamburger Burschenschaft Germania (HB! Germania) Schlagzeilen: Ihre Mitglieder zerhacken sich gegenseitig mit Säbeln die Gesichter, singen bei Sauforgien mit Vorliebe nationalistische Lieder und grölen „Sieg Heil“ – so laut, dass es in der Nachbarschaft niemand überhören kann. Die 1919 gegründete Burschenschaft ist gut vernetzt mit AfD, Identitärer Bewegung & Co., deshalb wird sie seit vielen Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Als rechtsextremistische Organisation.
Polizei rückte häufig nach Winterhude aus
Bis vor einigen Monaten befand sich das Verbindungshaus des Vereins noch an der Sierichstraße in Winterhude – die Anwohner dort werden das so schnell nicht vergessen. Wegen lauter Musik und ruhestörendem Lärm riefen die genervten Nachbarn im Laufe der Jahre unzählige Male die Polizei. Laut Hamburger Bündnis gegen Rechts musste der Träger des sogenannten „Germanenhauses“ insgesamt 12.000 Euro an Ordnungsgeldern zahlen. Als ein Gericht dann auch noch eine Sicherheitszahlung in Höhe von 80.000 Euro anordnete – Geld, das im Falle weiterer Verstöße einbehalten worden wäre – zogen die „Germanen“ die Konsequenz und verließen die Sierichstraße. Zunächst mit unbekanntem Ziel.
Nun sind sie in der Jüthornstraße wieder aufgetaucht. Wieso dort? Warum ausgerechnet dieses Haus? Dazu gibt es Indizien. Nach MOPO-Informationen gehörte die Immobilie bis vor wenigen Monaten noch einem Hamburger Rechtsanwalt. Mag sein, dass der das Haus schlicht dem Meistbietenden verkauft hat. Wahrscheinlicher aber ist, dass sich Verkäufer und Käufer sehr gut kennen und es deshalb zu dem Deal kam: Der Anwalt ist selbst sogenannter „Alter Herr“ einer schlagenden Verbindung, die engen Kontakt zur Germania pflegt.
Inzwischen formiert sich der Widerstand gegen die neuen Nachbarn. Alles dafür zu tun, dass sich die rechte Burschenschaft unwohl fühlt und wieder verschwindet – das hat sich eine Bürgerinitiative auf die Fahne geschrieben. „Marienthal bleibt bunt“ nennt sie sich. Zum ersten Treffen vor wenigen Tagen erschienen immerhin rund 100 Personen, die nun gemeinsam beratschlagen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Burschenschaft wieder loszuwerden.

Zäune rund ein Meter zu hoch: Bezirksamt Wandsbek leitet Verfahren ein
Eine Möglichkeit, der Germania das Leben schwer zu machen, bietet möglicherweise das Baurecht. Paragraph 11 der Hamburger Bauordnung sieht vor, dass Einfriedungen von privaten Grundstücken – also Zäune und Hecken – maximal 1,50 Meter hoch sein dürfen und durchbrochen sein müssen. Sabine Kühn (68) von der Initiative „Marienthal bleibt bunt“ und die MOPO bewaffneten sich deshalb mit einem Zollstock und nahmen Maß: Die Zäune, die die Burschenschaftler um ihr Haus gezogen haben, sind teils 2,40 Meter, teils sogar 2,60 Meter hoch. Und das riesige schwarze Tor ist alles, nur nicht durchbrochen. Ein Blick in den Vorgarten, so wie vorgeschrieben, lässt es nicht zu.
Es könnte also sein, dass die rechten Burschen ihre Festung in Kürze ein wenig abrüsten müssen. Das Bezirksamt Wandsbek reagierte jedenfalls sofort auf den Hinweis und leitete ein „Verfahren zur Herstellung ordnungsmäßer Zustände“ ein – so lautet das im Amtsdeutsch. „Zwar wird das nicht dazu führen, dass die Germania gleich wieder verschwindet.“ Darüber ist sich Sabine Kühn im Klaren. „Aber steter Tropfen höhlt den Stein, sagt das Sprichwort. Die sollen merken, dass sie hier nicht gewollt sind.“

Nun warten in der Jüthornstraße alle gespannt auf den 19. April. Für diesen Tag hat die Burschenschaft Germania angekündigt, im neuen Domizil ein Fest feiern zu wollen. Ob es wieder feucht-fröhlich wird? Ob wieder „Sieg Heil“-Gegröle zu hören sein wird? Für Rechtsextremisten gäbe es dazu jedenfalls einen Anlass. Denn ihr großes Idol hätte tags darauf, am 20. April, Geburtstag.
Verfassungsschützer sprechen von „rechtsextremistischer Grundhaltung“
Was über die Hamburger Burschenschaft Germania bekannt ist? Auf einem Flugblatt, das die Burschenschaft kürzlich unter den Nachbarn in der Jüthornstraße verteilt hat, stellt sie sich selbst so dar: „Wir sind weder eine politische Partei oder eine weltanschauliche Organisation, sondern verstehen uns als eine Wertegemeinschaft. Wir fordern von unseren Mitgliedern eine feste Haltung bei der Abwehr demokratiefeindlicher oder unser Gemeinwesen gefährender Aktivitäten.“ Beim Gebäude an der Jüthornstraße handele es sich um ein Studentenwohnheim. Es biete „jungen Studenten nicht nur eine beliebige Unterkunft“, sondern ermögliche es ihnen, „sich in eine Gemeinschaft einfinden zu können, in der der Austausch mit Studenten anderer Fachbereiche befördert wird“. Soweit die Selbstdarstellung.
Was das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) über die „Germania“ zu sagen hat, hört sich ganz anders an: Bereits 1993 schrieben die Verfassungsschützer in einem internen Bericht: „Aus ihrer Ablehnung der Demokratie und ihrer Befürwortung des Führerprinzips machen viele ‚Germanen‘ kein Hehl.“
Das LfV betrachtet die „Germanen“ auch heute noch als rechtsextremistisches „Beobachtungsobjekt“. „Nach wie vor illustriert ein Vorkommnis aus dem Jahr 2016 das vorherrschende Gedankengut der HB! Germania“, heißt es im Hamburger Verfassungsschutzbericht von 2020. „Nachbarn und Polizeibeamte hörten damals deutliche ,Sieg-Heil‘-Rufe aus dem Haus der HB! Germania.“ Diese Vorkommnisse seien „keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer innerhalb der HB! Germania verbreiteten rechtsextremistischen Grundhaltung.“
Die „Germanen“ haben Verbindungen bis ins Verteidigungsministerium
Umso erschreckender, wenn Mitglieder einer solchen Burschenschaft auch noch bewaffnet sind. 2020 bestätigte der Senat, dass sieben Personen, die das Landesamt für Verfassungsschutz der Burschenschaft Germania zurechnet, „waffenrechtliche Erlaubnisse“ besitzen.
Noch etwas machte 2020 Schlagzeilen: nämlich die Nachricht, dass die Burschenschaft Germania Verbindungen sogar bis ins Verteidigungsministerium hat. Jan G., ein Beamter des Ministeriums, soll bis 2015 sogenannter „Alter Herr“ bei der „Germania“ gewesen sein soll. Ein Beispiel dafür, wie gut vernetzt die „Germanen“ offenbar sind.