Geschichtsort Stadthaus: Geht der Streit in die nächste Runde?
Das Stadthaus, einst Hauptquartier der Gestapo und Zentrale des NS-Terrors in unserer Stadt: Seit im Jahr 2018 dort eine Gedenkstätte eröffnet wurde, sorgt sie für Schlagzeilen – aber nie für gute. Es gab Demos, Proteste, Mahnwachen und in Medienberichten war immer wieder von „Blamage“, „Torheit“ und „Geschichtsignoranz“ die Rede. Ob mit der Neugestaltung des Erinnerungsortes an der Straße Stadthausbrücke der jahrelange Streit nun beendet ist?
Das Stadthaus, einst Hauptquartier der Gestapo und Zentrale des NS-Terrors in unserer Stadt: Seit im Jahr 2018 dort eine Gedenkstätte eröffnet wurde, sorgt sie für Schlagzeilen – aber nie für gute. Es gab Demos, Proteste, Mahnwachen, und in Medienberichten war immer wieder von „Blamage“, „Torheit“ und „Geschichtsignoranz“ die Rede. Ob mit der Neugestaltung des Erinnerungsortes an der Straße Stadthausbrücke der jahrelange Streit nun beendet ist? Die Kulturbehörde hofft darauf. Am Montag war Eröffnung.
Zumindest eines kann dem Team der Stiftung „Hamburger Gedenkstätten und Lernorte“ niemand absprechen: Leiter Professor Oliver von Wrochem und seine Mitarbeiter haben sich sehr große Mühe gegeben. Zwar ist der zentrale Teil der Ausstellung, der sich im wesentlichen mit der Hamburger Polizei und ihren Verbrechen während der NS-Diktatur beschäftigt, unverändert geblieben.
Aber es gibt auch viel Neues: Zum Beispiel einen zusätzlich Seminar- und Veranstaltungsraum, etwa für Schulkassen oder andere Besuchergruppen. Ein Schaufenster zur Straße hin kann künftig im vierteljährlichen Wechsel von Verfolgtenverbänden oder erinnerungspolitisch engagierten Initiativen gestaltet werden. Und eine kleine Fläche für wechselnde Sonderausstellungen wurde auch geschaffen – aktuell wird dort an den Widerstandskämpfer Helmuth Hübener erinnert, den die Nazis im Alter von 17 Jahren hinrichteten.

Neu sind ein Seminarraum und eine kleine Ausstellungsfläche
Es gibt noch eine Neuerung: In einer Ecke der Ausstellung sind sogenannte Memory Boxes (Erinnerungskisten) gestapelt, in denen Besucher stöbern und sich mit den Biografien von NS-Verfolgten und Widerstandskämpfern vertraut machen können.
Es sollen im Laufe der Zeit noch weitere Memory Boxes hinzukommen: Die Hoffnung ist, dass möglichst viele Angehörige von NS-Verfolgten Fotos, Dokumente und Lebensläufe ihres Familienmitglieds beisteuern und so dessen Schicksal einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir finden: eine sehr charmante Idee.

Ist Ihr Interesse am neuen Erinnerungsort Stadthaus geweckt? Dann schauen Sie doch mal vorbei. Anlässlich der Wiedereröffnung gibt es am Dienstag einen „Tag der offenen Tür“: Zwischen 10 und 16 Uhr werden – immer zur vollen Stunde – Kurzrundgänge angeboten.
Die beiden Historikerinnen Christiane Heß und Christine Eckel, die künftig schwerpunktmäßig den Gedenkort Stadthaus betreuen, führen die Besucher dann auch in den „Seufzergang“: Das ist eine authentisch erhaltene Fleetbrücke, über die Gefangene auf dem Weg zu den Verhörzellen geführt wurden – unter Schlägen und Gebrüll der Wachleute.
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Blutspur vor dem Stadthaus – woran sie erinnern soll
Kultursenator Brosda gibt zu: Nicht alle Wünsche hätten erfüllt werden können
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) äußerte sich zufrieden mit dem neugestalteten Gedenkort. Er hoffe darauf, dass die Ausstellung „nicht nur bewusst gesucht, sondern auch zufällig gefunden wird“. Sprich: Er wünscht sich, dass auch Passanten angesprochen werden, die eigentlich gar nicht die Absicht hatten, sich mit der NS-Geschichte zu beschäftigen.
Brosda sagte, der neue Geschichtsort Stadthaus stelle eine deutliche Verbesserung zur vorherigen Situation dar, auch wenn nicht alle Wünsche hätten erfüllt werden können.

Mit dieser letzten Bemerkung spielte der Senator auf die Kritiker an, die auch jetzt keine Ruhe geben. Während der Eröffnung am Montag stand einer von ihnen vor dem Stadthaus und ließ sich von Medienvertretern interviewen: Ex-Pastor Ulrich Hentschel, ein Experte für Erinnerungskultur. Hentschel kritisiert, dass auch die neugestaltete Gedenkstätte lediglich über 350 Quadratmeter Fläche verfüge – versprochen gewesen seien 750.
Auf diesem viel zu geringen Raum sei es nicht möglich gewesen, die zentrale Forderung der Verfolgtenverbände zu erfüllen: nämlich die Gedenkstätte in erster Linie dem antifaschistischen Widerstand zu widmen. Eine Chance sei vertan worden, so Hentschel. Und er versprach: „Der Protest geht weiter!“
Kritiker sind enttäuscht: Sie wollten eine große Ausstellung zum Widerstand
Das ganze Dilemma um das Stadthaus hatte 2009 begonnen, als ein CDU-Senat das ehemalige Domizil der Hamburger Baubehörde an einen Immobilienentwickler verhökerte. Der Käufer verpflichtete sich damals vertraglich, auf einer Fläche von 750 Quadratmetern und auf eigene Kosten eine NS-Gedenkstätte zu errichten – allerdings ist der Vertrag wohl sehr unklar formuliert und unterschiedlich auslegbar.
Am Ende blieben in dem luxussanierten Gebäude lediglich 50 Quadratmeter für die NS-Gedenkstätte übrig. Die Ausstellung zur Nazi-Vergangenheit musste sich die Fläche mit einem Buchladen und einem Lesecafé teilen. „Zweifelhafte Privatisierung des Gedenkens“, so urteilten damals 20 namhafte deutsche Historiker und protestierten öffentlich.

Im März 2022 gingen dann der Buchladen und das Lesecafé pleite. Schlecht für die Buchhändlerin, aber der Stadt bot sich in dieser Situation die Gelegenheit, die gesamte Fläche in Eigenregie zu übernehmen. Das tat sie, und kurz darauf begann der Umbau, so dass am Montag Wiedereröffnung gefeiert werden konnte.
Die Stadt ist nun für 20 Jahre Mieter der Fläche und hat danach unbegrenzt die Option zu verlängern. Der Eigentümer, die Ärzteversorgung Niedersachsen, überlässt die Räume der Stadt mietfrei – was großzügiger klingt als es ist. Für den Umbau, der deutlich mehr als 100.000 Euro kostete, und für die jährlichen Personalkosten von 139.000 Euro kommt die Stadt auf – was Kritiker wie Pastor Hentschel auf die Palme bringt. Hentschel & Co. interpretieren den Kaufvertrag von 2009 nämlich so, dass eigentlich der komplette Betrieb der Gedenkstätte vom Gebäudeeigentümer getragen werden müsste.
Geöffnet ist der Geschichtsort Stadthaus von heute an immer montags bis samstags von 10 bis 17 Uhr. Adresse: Stadthausbrücke 6, Eintritt frei