Schwiegervater und Schwager beinahe getötet – Urteil im Mordprozess
Ein Mann stürmt mit einem Messer in ein Hamburger Mehrfamilienhaus. Im vierten Stock greift er seinen Schwiegervater und seinen Schwager an. Vorausgegangen war ein jahrelanger Familienstreit.
Wegen beinahe tödlicher Messerstiche auf seinen Schwiegervater und seinen Schwager hat das Hamburger Landgericht einen 33-Jährigen zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte am Abend des 14. Februar seinen Schwiegervater an der Wohnungstür mit einem Messer angriff. Der 56-Jährige erlitt einen fünf Zentimeter tiefen Stich in den Brustkorb.
„Sehr viel Leid über die gesamte Familie gebracht“
Der Sohn des Verletzten kam seinem Vater zu Hilfe und konnte den Angreifer schließlich in die Flucht schlagen. Allerdings wurde auch er schwer verletzt. Der 22-Jährige erlitt zwei erhebliche Schnittverletzungen am Oberkörper. Sowohl beim Vater als auch beim Sohn seien die Verletzungen nur zufällig nicht lebensgefährlich gewesen, hatte der Staatsanwalt erklärt.
„Sie haben sehr viel Leid über die gesamte Familie gebracht“, sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Der Angeklagte hätte gewusst, dass die Stiche lebensgefährlich sein könnten und habe die schweren Verletzungen in Kauf genommen. Da seine beiden Opfer nicht mit einem Angriff gerechnet hätten, sei der Mordversuch an dem Schwiegervater auch heimtückisch gewesen.
„Sie handelten aus Wut und einem Gefühl der Kränkung“, sagte die Richterin. Trotzdem sei die Tat weiterhin „sehr schwer verständlich“. Dem Angriff vorausgegangen war ein jahrelanger Streit zwischen den beiden Familien. Vor 15 Jahren hatte der türkische Angeklagte – damals 18 Jahre alt – die 16 Jahre alte Tochter der Familie über das Internet kennengelernt und „war mit ihr durchgebrannt“, wie die Richterin schilderte. Auch als die beiden in Deutschland geheiratet hätten, sei das Verhältnis zu der Schwiegerfamilie angespannt geblieben.
Auslöser: Anderer Schwiegersohn bekam mehr Anerkennung
Auslöser für die Tat sei nun gewesen, dass eine andere Tochter der Familie einen syrischen Arzt heiraten sollte – und dieser Schwiegersohn mehr Anerkennung bekommen habe als der Angeklagte.
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen versuchten Mordes und versuchten Totschlags, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren und 2 Monaten gefordert. Die Nebenklage hatte 14 Jahre Haft für den Angeklagten gefordert. Diese Tat „verändert womöglich das Leben zweier Familien für immer“, sagte der Anwalt der beiden Nebenkläger. Ohne jede Vorwarnung und aus Heimtücke habe der Angeklagte seinen Schwiegervater und seinen Schwager mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt.
Angeklagter „im psychischen Ausnahmezustand“
In seinem letzten Wort sagte der Angeklagte, es tue ihm leid und er sei bereit, es wieder gutzumachen. „Was in der Familie passiert ist, macht mich sehr traurig“, sagte der 33-Jährige. Seine beiden Anwälte hatten wegen gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als fünf Jahren gefordert. Der 33-Jährige habe sich „in einem psychischen Ausnahmezustand“ befunden und seinen Schwiegervater nicht töten, sondern ihm nur Schmerzen zufügen wollen. Die Tat sei die Folge von „jahrelanger Demütigung“ und „fortlebender Feindseligkeit“. Die Familie seiner Frau habe ihn nie akzeptiert, dabei habe er nur dazu gehören wollen.
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In das Mehrfamilienhaus gelangte der Angeklagte an jenem Freitagabend, indem er sich als Paketbote ausgab. Dann sei er durch das Treppenhaus bis zur Wohnung im vierten Stock gelaufen. Nach der Tat sei er mit einem vor dem Haus abgestellten Auto geflüchtet. Unmittelbar nach der Tat war eine Fahndung der Polizei zunächst erfolglos geblieben. Rund zwei Wochen später wurde der Angeklagte in Dortmund verhaftet. Zielfahnder lokalisierten ihn nach Angaben der Polizei in einer Gaststätte, wo ihn Spezialkräfte festnahmen. (dpa/mp)
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