Geschäftsidee raffgieriger Vermieter: Die Zwangs-WG in Hamburg
Sie sind ein raffgieriger Hausbesitzer und möchten gerne von heute auf morgen die Mieteinnahmen vervielfachen – und das auch noch ganz legal? Kein Problem! Das Zauberwort lautet: Zwangs-WG. Wohnungen zimmerweise möbliert zu vermieten, ist eine Möglichkeit, die Mietpreisbremse zu umgehen. Und niemand unternimmt was dagegen. Bisher.
Sie sind ein raffgieriger Hausbesitzer und möchten gerne von heute auf morgen die Mieteinnahmen vervielfachen – und das auch noch ganz legal? Kein Problem! Das Zauberwort lautet: Zwangs-WG. Wohnungen zimmerweise möbliert zu vermieten, ist eine Möglichkeit, die Mietpreisbremse zu umgehen. Und niemand unternimmt was dagegen. Bisher.
Mit genau diesem Geschäftsmodell macht aktuell die Firma Stacey Real Estate GmbH von sich reden. Nehmen wir beispielsweise das Gründerzeithaus An der Apostelkirche 13 in Eimsbüttel. Im Frühjahr 2019 ging das Gebäude in den Besitz der Firma M DQuadrat Immobilien GmbH über. Eine Erdgeschoss-Wohnung wird seither durch die Firma Stacey Real Estate vermietet – aber nicht in einem Stück, sondern aufgeteilt in winzige möblierte Zimmer und zu Preisen, dass einem die Ohren schlackern. Für die zwölf beziehungweise 15 Quadratmeter kleinen „Butzen“ zahlen die Bewohner 995 Euro beziehungsweise 1095 Euro monatlich.

Solche Mondpreise gibt’s: 995 Euro für zwölf Quadratmeter
Mietervereine wie „Mieter helfen Mietern“ (MhM) sprechen von einer „Zwangs-WG“. Davon sei immer dann die Rede, so MhM-Jurist Marc Meyer, wenn ein Vermieter eine Wohnung nicht komplett, sondern zimmerweise vermietet – denn so entsteht eine Wohngemeinschaft, bei der die Bewohner kein Mitspracherecht darüber haben, wer nebenan einzieht. Die Fluktuation ist groß: Meist bleiben die Bewohner nur ein, zwei Monate.
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Das Ziel dieses Geschäftsmodells: Profit machen. Sehr großen Profit sogar. Angeblich sind die Mieteinnahmen für die fragliche Erdgeschoss-Wohnung im Haus An der Apostelkirche 13 dank des Stacey-Geschäftsmodells um das Dreifache in die Höhe geschossen, was allerdings Stacey auf Nachfrage weder bestätigte noch dementierte – die Anfrage der MOPO blieb nämlich komplett unbeantwortet.

Das Beispiel zeigt: Der äußerst angespannte Wohnungsmarkt macht manche Vermieter erfinderisch. Möblierte Wohnungen sind ein besonders beliebter Trick: Zwar gilt – entgegen der landläufigen Meinung – auch für sie der Mietenspiegel. Allerdings darf ein Vermieter, der „möblierte“ Wohnungen anbietet, einen Möblierungszuschlag verlangen, der nicht gesondert ausgewiesen sein muss. Ein potentieller Mieter kann daher in der Regel nicht nachvollziehen, ob die Netto-Kaltmiete der Mietpreisbremse entspricht. So kommt es in Hamburg bei möblierten Wohnungen in Extrem-Fällen zu Quadratmeterpreisen von 50 bis 60 Euro. Kein Wunder, dass laut Institut „Forschung+Beratung“ (FB) der Anteil der möblierten Wohnungen von 2014 bis 2020 von 8,3 auf 18,3 Prozent gestiegen sein soll.
Altbauwohnungen werden zimmerweise möbliert vermietet – zu unglaublichen Preisen
Große Altbauwohnungen aufzuteilen und die Zimmer einzeln möbliert zu vermieten, ist eine Methode, die aktuell immer mehr Nachahmer findet. Stacey ist da bei weitem nicht das einzige Unternehmen auf dem Markt. Aber handelt es sich bei dieser Vermietungspraxis nicht um eine hotelähnliche gewerbliche Nutzung und ist damit Zweckentfremdung von Wohnraum? Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Verein „Mieter helfen Mietern“ sieht schon Anhaltspunkte, die den Verdacht erhärten, denn abgesehen davon, dass die Zimmer voll möbliert sind, sind im Preis wöchentliche Reinigung, die Heizung, die GEZ-Gebühren, monatliche Events und eine „Coffee and water flatrate“ enthalten. Klingt tatsächlich alles sehr nach Hotel, oder?

Doch die Behörden greifen trotzdem nicht ein. Ihnen sind die Hände gebunden. Wieso? Weil Stacey klug vorgeht und darauf verzichtet, in den Verträgen eine Maximalmietdauer festzuschreiben. Es werden Mietverträge mit üblichen Kündigungsfristen geschlossen. Die Mieter können also so lange wohnen bleiben wie sie wollen – theoretisch. Voraussetzung ist, dass jemand auf Dauer für so wenig Fläche so viel bezahlen will und kann … Unwahrscheinlich.
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Das Bezirksamt Eimsbüttel teilt mit, ihm seien die Hände gebunden. Eine Zweckentfremdung im Sinne des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes liege dann vor, „wenn Wohnraum an wechselnde Nutzer zum Zwecke des nicht auf Dauer angelegten Gebrauchs überlassen wird.“ Das sei hier nicht der Fall. Schon bei einem wohnraumschutzrechtlichen Verfahren im Jahr 2020 konnte der Bezirk der Firma Stacey eine Zweckentfremdung von Wohnraum nicht nachweisen, und ein zweites Mal will er sich wohl keine blutige Nase holen.
Geltende Gesetze bieten keine Handhabe gegen diese Vermietungspraxis
„Die zimmerweise Vermietung dieser Wohnung ist ein Paradebeispiel dafür, wie fehlende Schutzregelungen die Umgehung der Mietpreisbremse und das Aufrufen von Mondpreisen auf Kosten der Mieter ermöglichen“, kommentiert Marc Meyer von „Mieter helfen Mietern“ den Fall. Er appelliert an den Senat, das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz zeitnah so nachzuschärfen, dass Wohnungsteilungen durch Firmen oder Privatpersonen, die selber nicht in der Wohnung leben, untersagt wird.
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Zwar hat Hamburg im Juni im Bundesrat einen Gesetzesantrag zur Vermietung möblierten Wohnraums und zu Kurzzeitvermietungen eingebracht: Demnach soll es bei möbliertem Wohnraum zur Pflicht werden, den Möblierungszuschlag klar und transparent auszuweisen, damit die Nettokaltmiete nachvollziehbar und vergleichbar ist. Aus Sicht von „Mieter helfen Mietern“ ist dies zwar begrüßenswert, aber die Machenschaften von Stacey und vergleichbarer Firmen würden damit nicht gestoppt.

Wieso nicht? „Weil deren Geschäftsmodell ja im Wesentlichen darauf beruht, Zimmer einzeln zu vermieten. Der Hamburger Mietenspiegel gilt aber nur für ganze Wohnungen, nicht für einzelne Zimmer.“ Marc Meyer fordert deshalb: „Das Bundesbauministerium muss den Markt für möblierte Wohnungen dringend so regulieren, dass auch möblierte Zimmer vom Mietenspiegel umfasst und überhöhte Mieten nach den Vorschriften der Mietpreisbremse herabgesetzt werden können.“