Eine kleine Revolution: So funktioniert Hamburgs erster Mitmach-Supermarkt
In New York und Paris haben Mitmach-Supermärkte Tausende von Mitgliedern – jetzt kommt das Konzept auch nach Hamburg. Regional und fair soll es zugehen. „Der Kunde erfährt genau, wofür er sein Geld ausgibt“, sagt eine der Macherinnen. Und: „Wir wollen kostendeckend wirtschaften und keine Gewinne machen.“ Schon in wenigen Wochen soll Eröffnung sein.
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Die Idee steht kurz vor der Vollendung: Schon in wenigen Wochen soll Hamburgs erster demokratischer Supermarkt in Bahrenfeld eröffnen. Heißt: Im „WirMarkt“ kann jeder Mitglied werden und mitbestimmen, was in die Regale kommt. Es ist eine kleine Revolution nach New Yorker Vorbild. Ein PopUp Store in Ottensen informiert ab heute drei Tage lang, was das genau bedeutet.
Die roten Äpfel sehen zum Anbeißen aus. Vorsichtig schichtet „WirMarkt“-Gründerin Barbara Knoben die Früchte auf einem Holztisch auf und stellt ein Schild daneben. Es erklärt haargenau, warum ein Kilo dieser Äpfel 3,54 Euro kostet. Wieviel davon der Bio-Obsthof Augustin im Alten Land für Pacht, Anbau, Baum- und Bodenpflege sowie Lagerung bekommt (1,18 Euro), wieviel der Zwischenhändler Naturkost Nord (1,44 Euro) und wieviel der „WirMarkt“ für Miete, Marketing und Gehälter (0,92 Euro).
Neuer Mitmach-Supermarkt in Hamburg setzt auf Transparenz bei Preisen und Lieferketten
„Der Kunde erfährt so genau, wofür er sein Geld ausgibt“, erklärt Barbara Knoben. Transparenz gehört zu den Grundprinzipien des „WirMarkts“. Denn Transparenz schafft Vertrauen. Niemand soll sich hier betrogen fühlen. So realisiert der neue Laden einen weiteren seiner selbstgesetzten Leitsätze: Die Abkehr vom Prinzip der Gewinnmaximierung.
„Wir wollen kostendeckend wirtschaften und keine Gewinne machen“, erklärt Barbara Knoben, die früher als Unternehmensberaterin gearbeitet und ihren Job bewusst an den Nagel gehängt hat. Auch ein Flyer, der im PopUp Store Neues Amt an der Neuen Großen Bergstraße 5 ausliegt, bringt es auf den Punkt: „Du kaufst nicht einfach nur ein. Du entscheidest über die Welt, in der wir leben.“
Im „WirMarkt“ kann jeder Mitglied werden – und beim Einkauf weniger zahlen
Knoben und ihre Mit-Gründer Kristina Sönnichsen und Fabian Gebert sind überzeugt: Die bisherige Form des Wirtschaftens, die auf ewiges Wachstum setzt, hat ausgedient. Sie zerstört den Planeten. Etwas Neues muss her. Künftig muss statt Geld die Menschenwürde im Vordergrund stehen. Die soziale Gerechtigkeit. Die Natur und Umwelt. Und nicht nur Unternehmen, sondern jeder Konsument hat die Möglichkeit, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass diese Wende funktioniert.
Im „WirMarkt“ funktioniert das so: Jedes Mitglied zahlt einmalig 100 Euro Einlage in die Genossenschaft als eine Art Kaution, die beim Austritt zurück gezahlt wird. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man arbeitet pro Monat drei Stunden im Laden mit – an der Kasse, im Lager oder was auch immer gerade anfällt. Oder man zahlt einen Monatsbeitrag von 35 Euro. Dafür bekommt man die Lebensmittel 15 bis 20 Prozent günstiger als in anderen Bio-Supermärkten.
In New York und Paris haben Mitmach-Supermärkte Tausende von Mitgliedern
„In Einzelfällen können Menschen aus sozialen Gründen auch von beidem befreit werden“, sagt Knoben. Und obwohl das alles erstmal ein wenig kompliziert klingt, der Mietvertrag für das Gelände in Bahrenfeld noch nicht endgültig in trockenen Tüchern ist, so ist die Nachfrage schon jetzt enorm: Mehr als 500 Hamburger haben ihr Interesse angemeldet, 80 sind bereits Mitglied geworden. Wieder andere haben mit Darlehen ausgeholfen. Weitere Unterstützung ist willkommen, auch um die Eigenkapitalquote für die Bank zu erreichen.
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In anderen Städten feiern partizipative Supermärkte mit ähnlichem Ansatz wie „Park Slope“ in New York oder „La Louve“ in Paris längst große Erfolge. „Park Slope“ hat 17.000 Mitglieder. „La Louve“ 8000. In Berlin eröffnete vergangenes Jahr der „Supercoop“ im Wedding. In München „Foodhub“ in Obergiesing.
Nun ist die Idee auch in der Hansestadt angekommen. Die Gespräche der „WirMarkt“-Leute mit einer großen Wohnungsbaugenossenschaft stehen kurz vor dem Abschluss. Wenn alles glatt geht, könnte es schon im Juli losgehen mit der Zeitenwende in der Hamburger Supermarkt-Landschaft.