Gelähmt über Nacht: Plötzlich konnte ich mich nicht mehr bewegen
Gelähmt über Nacht: Was klingt wie ein Albtraum, ist Sascha Kirchhecker wirklich passiert. Im Alter von 44 Jahren erlitt der Schausteller im Schlaf einen Wirbelsäuleninfarkt. Seitdem kann er nicht mehr laufen und kaum noch am sozialen Leben teilnehmen. Eine spezielle OP in der Schweiz macht ihm jetzt Hoffnung – doch es gibt ein Problem.
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Gelähmt über Nacht: Was klingt wie ein Albtraum, ist Sascha Kirchhecker wirklich passiert. Im Alter von 44 Jahren erlitt der Schausteller im Schlaf einen Wirbelsäuleninfarkt. Seitdem kann er nicht mehr laufen und kaum noch am sozialen Leben teilnehmen. Eine spezielle OP in der Schweiz macht ihm jetzt Hoffnung – doch es gibt ein Problem.
Zum Wohnwagen von Schausteller Sascha Kirchhecker auf dem Hamburger Dom führt eine lange Rampe. Die Tür ist extra breit und der Tisch lässt sich verschieben, damit der 47-Jährige mit seinem Rollstuhl daran vorbeikommt. Den Wagen haben Kirchhecker und seine Frau nach dem schweren Schicksalsschlag vor drei Jahren gekauft – der alte war für den querschnittsgelähmten Mann ungeeignet.
Gesund und sportlich: Wirbelsäuleninfarkt mit 44
Eigentlich war Kirchhecker ein ganz normaler, gesunder Mann – ging zum Fußball und zum Judo, trank kaum Alkohol, rauchte nicht. Auf dem Dom groß geworden, führte er ein normales Schaustellerleben, reiste mit seiner Frau, dem Crêpes-Stand und der Automatenhalle über die norddeutschen Jahrmärkte. Der 1. Juli 2019 änderte alles. „Am Vorabend bin ich kerngesund ins Bett gegangen“, erinnert sich Kirchhecker. „Doch um vier Uhr morgens haben mich die schlimmsten Schmerzen geweckt, die ich je gespürt habe. Mein Rücken tat unfassbar weh. Nach einer Weile war es wieder weg. Und ich lag ganz komisch da und konnte mich nicht mehr bewegen.“
Wie die Ärzte später herausfanden, hatte Sascha Kirchhecker einen Rückenmarksinfarkt erlitten. Dabei wurden die Nerven beschädigt. Mitten in der Nacht war Kirchhecker plötzlich gelähmt. „Ich hatte Glück, dass meine Frau neben mir lag“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. „Wäre die Blutung nicht rechtzeitig gestoppt worden, wäre ich gestorben.“ Denn je nachdem, bis zu welcher Höhe die Wirbel betroffen sind, wird auch die Funktion bestimmter Organe eingeschränkt. Bei Kirchhecker funktionieren Darm und Blase nicht mehr richtig, er ist auf Katheter angewiesen.
In der schicksalhaften Nacht versuchten die Ärzte im Krankenhaus ihr Möglichstes. Doch nach der Operation stand die Diagnose: Querschnittslähmung. „Sie haben mir gesagt, dass ich nie wieder laufen werde“, sagt er. Ursache für den Infarkt war wahrscheinlich ein Blutgerinnsel. Warum es ausgerechnet Sascha Kirchhecker getroffen hat, ist den Ärzten nach wie vor ein Rätsel. Risikofaktoren sind wenig Bewegung, hohes Alter oder Diabetes – all das traf auf den damals 44-Jährigen nicht zu. Rückenmarksinfarkte sind extrem selten. Sie machen nur ein Prozent aller Infarkte aus.
Operation in der Schweiz macht Kirchhecker Hoffnung
Sascha Kirchheckers Alltag sieht heute ganz anders aus. Meistens sitzt er an dem kleinen Tisch in seinem Wohnwagen und erledigt Büroarbeiten. Die praktische Arbeit liegt nun ganz bei seiner Frau und seinem Sohn, der seine IT-Ausbildung aufgegeben hat. „Meine Frau schmeißt den Haushalt, pflegt mich und arbeitet im Betrieb. Sie ist großartig“, sagt Kirchhecker. „Es fühlt sich furchtbar an, wenn morgens alle rausgehen und ich bleibe hier sitzen und kann kaum etwas machen.“ Nicht einmal seine Freunde kann er besuchen: Die Türen der anderen Wohnwagen sind zu klein für seinen Rollstuhl. Auch in die Crêpes-Bude passt Kirchhecker nicht mehr rein.
Doch es gibt Hoffnung. Der in der Schweiz lebende Arzt Dr. Marc Possover hat eine Methode entwickelt, die Beine mit Elektroden so zu stimulieren, dass Patienten wenigstens ein bisschen laufen können. Im Januar ist Kirchheckers OP-Termin. Das Problem: Der Eingriff kostet 85.000 Euro, die Krankenkasse will das nicht übernehmen. Schließlich ist Possover ein Privatarzt, der nicht in Deutschland praktiziert. Die Absage will Kirchhecker nicht akzeptieren und hat mithilfe eines Anwalts Einspruch eingelegt. „Schließlich gibt es in Deutschland keine Alternative mit dem gleichen Ergebnis“, erklärt er. Fürs erste hat er sich das Geld geliehen und seine restlichen Ersparnisse zusammengekratzt. Den größten Teil seiner privaten Altersvorsorge hatte er schon im Lockdown aufgebraucht.
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Erst die Krankheit, dann Corona und nun die Energiekrise: Nur der Gedanke an die bevorstehende OP hilft Kirchhecker, die Hoffnung nicht zu verlieren. Sein Ziel: „Ich möchte irgendwann wieder zehn Schritte am Stück gehen können!“