Gehalt und Karriere: Warum manche Ausbildung heute besser ist als ein Studium
Mehr als 5000 Ausbildungsplätze sind in Hamburg noch frei – Betriebe suchen händeringend nach dem passenden Nachwuchs. Doch die meisten Abiturient:innen wollen lieber studieren. Dabei werden Ausbildungen unterschätzt, meint Sönke Fock, Leiter der Agentur für Arbeit in Hamburg. Die MOPO hat mit ihm darüber gesprochen, ob man mit Studium am Ende wirklich mehr verdient, was der Fachkräftemangel bedeutet und was Abiturient:innen bedenken sollten, wenn sie zwischen Ausbildung und Studium schwanken.
MOPO: Herr Fock, Ausbildung oder Studium: Wer verdient in seinem Leben mehr?
Sönke Fock: Das kommt auf den Studiengang an. Im Schnitt verdienen Akademiker zwar besser als Facharbeiter, aber Auszubildende steigen früher ins Berufsleben ein und erarbeiten sich oft einen jahrelangen Vorsprung, der erst einmal aufgeholt werden muss. Mit einem Studium der MINT-Fächer verdient man sehr gut – dann sind Facharbeiter schnell überholt. In den Geisteswissenschaften oder Kunst sieht es aber schon anders aus. Zudem gilt das nur, wenn der Facharbeiter stehen bleibt – aber auch er kann sich weiterbilden. Dann verdient er auch mehr und steht am Ende ebenso gut da.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Mehr als 5000 Ausbildungsplätze sind in Hamburg noch frei – Betriebe suchen händeringend nach dem passenden Nachwuchs. Doch die meisten Abiturient:innen wollen lieber studieren. Dabei werden Ausbildungen unterschätzt, meint Sönke Fock, Leiter der Agentur für Arbeit in Hamburg. Die MOPO hat mit ihm darüber gesprochen, ob man mit Studium am Ende wirklich mehr verdient, was der Fachkräftemangel bedeutet und was Abiturient:innen bedenken sollten, wenn sie zwischen Ausbildung und Studium schwanken.
MOPO: Herr Fock, Ausbildung oder Studium: Wer verdient in seinem Leben mehr?
Sönke Fock: Das kommt auf den Studiengang an. Im Schnitt verdienen Akademiker zwar besser als Facharbeiter, aber Auszubildende steigen früher ins Berufsleben ein und erarbeiten sich oft einen jahrelangen Vorsprung, der erst einmal aufgeholt werden muss. Mit einem Studium der MINT-Fächer verdient man sehr gut – dann sind Facharbeiter schnell überholt. In den Geisteswissenschaften oder Kunst sieht es aber schon anders aus. Zudem gilt das nur, wenn der Facharbeiter stehen bleibt – aber auch er kann sich weiterbilden. Dann verdient er auch mehr und steht am Ende ebenso gut da.
Aber stößt man mit einer Ausbildung nicht an eine gläserne Decke?
Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, was man möchte. Die aktuelle Generation will nicht nur Geld, sondern auch Familie und Beruf unter einen Hut bekommen, etwas Gutes für die Gesellschaft tun und sich weiterentwickeln. Mit einem Meister kann man zudem einen eigenen Betrieb übernehmen. Und auch eine enge Bindung an ein Unternehmen kann von Vorteil sein: Personaler erkennen, was in einer Person steckt, und fördern sie schon früh.
Und wer ist häufiger arbeitslos?
In der Pandemie waren besonders Fachkräfte der Gastro und Hotellerie betroffen – das war aber eine besondere Situation. Grundsätzlich hat man mit einem beruflichen Abschluss ein deutlich geringeres Risiko arbeitslos zu werden als Ungelernte. Und dann kommt es sehr auf die Berufssparte an. Im künstlerischen Bereich ist es typisch, zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zu wechseln – auch mit Studium. Im Handwerk hat man hingegen eine sichere Perspektive. Außerdem rutschen wir in einen riesigen Fachkräftemangel: Allein in Hamburg gehen über 175.000 Fach- und Führungskräfte in den nächsten zwölf Jahren in Rente. Ein Prozess, der schon heute läuft und in vielen Betrieben spürbar ist. Die nachfolgende Generation ist aber nur etwa 140.000 Personen stark. Arbeitslos zu werden, ist also ziemlich unwahrscheinlich.
Das könnte Sie auch interessieren: Wieso das denn? Neues Gesetz verbietet zu viele Blaulichter bei Polizei und Feuerwehr
Sind die Ausbildungsberufe selbst denn zukunftssicher? Gerade handwerkliche Tätigkeiten werden doch langfristig durch Maschinen ersetzt.
Es gibt sehr viele Ausbildungsberufe, gerade im Bereich Erneuerbare Energien oder Digitalisierung, die genau auf die Wirtschaft von morgen zugeschnitten sind. Zudem denken viele, dass nur einfache Arbeiten durch die Digitalisierung ersetzt werden. Aber auch andere Arbeiten werden von Robotern übernommen – Operationen zum Beispiel, weil sie viel genauer sind. Die Veränderungen betreffen alle. Das heißt aber ja nicht automatisch, dass man den Arbeitsplatz verliert, sondern dass sich Abläufe und Inhalte ändern. Wir brauchen also besondere Lernkompetenzen, um diese Veränderungen mitzugehen. Die kann man sowohl in einem Studium als auch in einer Meisterausbildung aufbauen.
Dennoch wählen immer mehr Abiturient:innen ein Studium. Glauben Sie, dass Ausbildungsberufe wieder beliebter werden?
Ich wünsche es mir. Aber ich glaube, dafür müssten wir sie deutlich mehr wertschätzen. Wenn ich daran denke, was jetzt alles ansteht – allein beim Thema Klimaunabhängigkeit. Das können wir ohne qualifizierte Fachkräfte im Gewerbe, Industrie und Handwerk gar nicht schaffen. Aber auch die klassischen Bäcker: Sie sind nicht nur elementar für die Grundversorgung, sondern auch für gesunde Ernährung. Das würden wir alles schwer vermissen, wenn wir ausschließlich der Akademisierung frönen.
Das könnte Sie auch interessieren: Wirt entsetzt: Kontrolleure wollten seine Tische in den Müll werfen
Was raten Sie Abiturient:innen, die zwischen Studium und Ausbildung schwanken?
Ich rate ihnen, sich selbst und andere zu fragen, was ihre Stärken sind. Damit sie einen Bereich wählen, in dem sie sich entwickeln können. Eine gute Option kann auch ein duales Studium sein. Ohnehin sollte man sich über Alternativen zum Studium informieren – es gibt 300 tolle, moderne Ausbildungsberufe, von denen die meisten viele gar nicht kennen. Übrigens kann eine Ausbildung auch für Studienabbrecher genau das Richtige sein, genauso wie jemand mit Ausbildung später noch studieren kann. Die Wege sind nicht in Stein gemeißelt.
Top-Verdiener fünf Jahre nach abgeschlossener Ausbildung sind laut einer Erhebung der Hamburger Agentur für Arbeit Schiffsmechaniker:innen mit 3890 bis 4586 Euro brutto im Monat, Fahrzeuginterieur-Mechaniker:innen mit 3695 bis 4043 Euro und Medientechnolog:innen Siebdruck mit 3608 bis 3935 Euro. Zu den Verdienstflops unter den Ausbildungsberufen gehören hingegen Orthopädietechnik-Mechaniker:innen (1350 bis 1765 brutto monatlich fünf Jahre nach der Ausbildung), Florist:innen (1765 bis 1961 Euro) und pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (1945 bis 2287 Euro). Wer einen Techniker- oder Meisterabschluss macht, verdient laut einer Untersuchung der Universität Tübingen von 2019 über sein Berufsleben hinweg aber meist ähnlich viel wie Menschen mit abgeschlossenem Studium.