Trucker und Grundschüler lernen gemeinsam – auf dem Lehrplan steht Überleben
Für Kinder kann es im Hamburger Straßenverkehr schnell sehr gefährlich werden – vor allem, wenn Lkw unterwegs sind. Erst vor ein paar Tagen kam ein Radfahrer in Wilhelmsburg bei einem tödlichen Zusammenstoß mit einem Lastwagen ums Leben. Das ist leider kein Einzelfall. Deshalb organisierte die Berufliche Schule für Fahrzeugtechnik am Montag einen Parcours für Viertklässler, den sie gemeinsam mit angehenden Lkw-Fahrern absolvierten. Eine sehr ungewöhnliche Zusammensetzung, die für mehr Sicherheit auf der Straße sorgen soll.
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Für Kinder kann es im Hamburger Straßenverkehr schnell sehr gefährlich werden – vor allem, wenn sie Fahrrad fahren und Lkw unterwegs sind. Deshalb organisierte die Berufliche Schule für Fahrzeugtechnik am Montag einen Parcours für Viertklässler, den sie gemeinsam mit angehenden Lkw-Fahrern absolvierten. Eine sehr ungewöhnliche Zusammensetzung, die für mehr Sicherheit auf der Straße sorgen soll.
„Seht ihr jetzt den Fahrer?“ Der 20-jährige Leon Einhaus steht mit den beiden Viertklässlern Mohammad und Hasib neben einem großen Lkw auf dem Hof der Beruflichen Schule für Fahrzeugtechnik in Hamm und deutet auf die zwei Seitenspiegel des Fahrzeugs. An diesem Tag ist der Azubi ihr Pate und begleitet sie bei den fünf aufgebauten Stationen.
Grundschüler und Lkw-Azubis meistern zusammen Parcours
Die beiden Viertklässler schütteln als Antwort auf seine Frage den Kopf. „Und dann sieht er uns auch nicht!“, schlussfolgert Hasib und springt einmal auf und ab. Er stellt sich einen Meter nach rechts. „Und jetzt?“ Er winkt fröhlich in Richtung Fahrzeugkabine.
Drinnen sitzen die beiden Klassenkameradinnen Frieda und Amina (beide 10), die die Perspektive des Lkw-Fahrers einnehmen. Jetzt können sie Hasib tatsächlich sehen – und winken im Spiegel zurück. „Das ist total spannend, mal in so einem Fahrzeug zu sitzen und die andere Seite zu sehen“, sagt Frieda begeistert. Daneben sitzt Adem Orkan (24), der ihnen geduldig Spiegel und Mechanik erklärt.
Aufgebaute Stationen behandeln toten Winkel und Rechtsabbiegen
Nach 30 Minuten geht es dann für die Grundschüler zur nächsten Station. Dort lernen sie, in welcher Farbe die Lampen beim Rückwärtsgang aufleuchten und wie sich der Piepton anhört. Weiter geht’s an einer aufgebauten Rechtskurve, an der ein Zebrastreifen aufgemalt wurde.
„Als erstes Blickkontakt mit dem Fahrer aufnehmen“, weiß Frieda und winkt wieder. Der Azubi in der Fahrerkabine winkt zurück und bleibt dann stehen. Erst dann überqueren die Schüler zusammen mit Polizistin und Verkehrsschullehrerin Kerstin Beiersdorf die „Straße“.
„Das Wichtigste ist, dass die Fahrer ihre Spiegel richtig einstellen“, sagt Elisa Surej, die die künftigen Berufskraftfahrer ausbildet. „So kann der tote Winkel so gut wie ausgeschlossen werden. Ein Restrisiko gibt es natürlich immer. Deshalb müssen sowohl die Kinder als auch die Lkw-Fahrer darauf achten, genügend Abstand zu halten und Blickkontakt zueinander zu suchen. Winken hilft da sehr“, weiß die 38-Jährige.
Für Lkw-Fahrer gelte natürlich, unbedingt im Schritttempo um die Kurve zu fahren. „Leider machen das viele nicht“, sagt Surej und schüttelt den Kopf.
So entstand die Idee für den gemeinsamen Parcours
Etwa 120 Azubis absolvieren derzeit an der Berufsschule ihre dreijährige Ausbildung zum Lkw-Fahrer. „Bisher gab es aber keine Einheit, in der sie sich speziell mit Kindern im Straßenverkehr beschäftigen, total bescheuert!“, sagt Surej. „Als meine Tochter von der Fahrradprüfung kam und vom toten Winkel erzählte, kam mir dann die Idee, diese beiden Gruppen zusammenzuführen. So werden sich meine Azubis bewusst, wie irrational und impulsiv Kinder handeln können.“ Sie lacht und deutet in Richtung des einen Lkw, wo Adem Orkan die Grundschüler immer wieder davon abhalten muss, auf die sich bewegende Heckklappe zu springen.
Die Ausbilderin hofft, dass mithilfe solcher Trainings künftige Unfälle verhindert werden können. Erst vergangene Woche erfasste ein Lkw-Fahrer beim Rechtsabbiegen einen Radfahrer in Wilhelmsburg, der daraufhin noch an der Unfallstelle starb. Zuvor war im Februar eine Radfahrerin in der HafenCity ebenfalls von einem abbiegenden Lkw-Fahrer tödlich verletzt worden.
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„Natürlich gibt es die Lkw-Abbiegeassistenten, die bieten aber auch keine einhundertprozentige Sicherheit“, weiß Surej. Viele der Modelle piepten in einer Tour, weil die Technik nicht zwischen Mensch und Baum unterscheiden könne. Der Parcours mit den Kindern soll künftig fest in den Lehrplan integriert werden.