Party-Zoff auf St. Pauli: „Bald wird es hier Gewalt geben“
Die Außengastro-Bereiche in der Paul-Roosen-Straße (St. Pauli) sind gut gefüllt. Es wird getrunken und laut gelacht. Vor einem Kiosk steht eine Traube Menschen. Ein junger Mann öffnet seine Bierflasche mit einem Feuerzeug. Andere sitzen auf der Bordsteinkante, unterhalten sich und rauchen Zigaretten. Was für junge Hamburger:innen ein harmloses Vergnügen ist, lässt Anwohner:innen vor Wut kochen. Denn die wollen ihre Ruhe haben.
„Bald wird es hier Gewalt geben“, sagt Tatjana Glässer (52) im Gespräch mit der MOPO. „Einige Nachbar:innen sind mittlerweile aggressiv drauf. Man kann nachts nichts schlafen. Das eskaliert hier bald“, prophezeit sie.
Seit Monaten herrscht dicke Luft in der Paul-Roosen-Straße (St. Pauli). „Pauli wohnt!“ steht in dicken, schwarzen Buchstaben auf gelben DIN-A4-Zetteln. Sie kleben beinahe an allen Fenstern. Es wird zum Widerstand gegen die Außengastronomie aufgerufen, von „Belagerung“ und einem „Kipp-Punkt“ ist die Rede. Es ist die Reaktion verärgerter Anwohnerinnen und Anwohner. Die MOPO war vor Ort.
Die Außengastro-Bereiche sind gut gefüllt. Es wird getrunken und laut gelacht. Vor einem Kiosk steht eine Traube Menschen. Ein junger Mann öffnet seine Bierflasche mit einem Feuerzeug. Andere sitzen auf der Bordsteinkante, unterhalten sich und rauchen Zigaretten. Was für junge Hamburger:innen ein harmloses Vergnügen ist, lässt Anwohner:innen vor Wut kochen. Denn die wollen ihre Ruhe haben.
Hamburgerin warnt: „Das eskaliert hier bald“
„Bald wird es hier Gewalt geben“, sagt Tatjana Glässer (52) im Gespräch mit der MOPO. „Einige Nachbar:innen sind mittlerweile aggressiv drauf. Man kann nachts nichts schlafen. Das eskaliert hier bald“, prophezeit sie.
Noch ein Problem sei, dass die Parkflächen der Straße als Außenbereiche der Gastro genutzt werden dürfen – Anwohner:innen würden Slalom um Tische und Touristen laufen. Mit Nachbarn gründete sie die Initiative „Pauli wohnt!“.
„Fragt ihr euch, ob man morgens um 3.30 Uhr vielleicht doch die Polizei ruft? Steigt ihr auf dem Weg zu Edeka über 237 Füße? Lauft ihr Slalom um Tische und Tourist:innen? Wir auch“, heißt es in einem Schreiben der Initiative. Zwei Jahre habe man mit der Politik geredet, der Polizei, dem Ordnungsamt, dem Quartiersbeirat. „Auch wir mögen Bier, Schnaps, Tresen, Essen – aber der Kipppunkt ist erreicht. Wir haben keinen Bock mehr, noch einen Sommer belagert zu werden.“
„Einige Gastronome feiern mit“
Die Anwohner:innen sehen die Schuld bei den Gastronomen. „Die drehen die Musik laut. Teilweise feiern die Betreiber:innen mit. Wenn ich darum bat, die Musik leiser zu machen, wurde ich ausgelacht“, sagt Anwohnerin Glässer. „Dann zieh doch weg, du fette Sau“, wurde mir mal hinterher gerufen“, so die 52-Jährige. Ein Umzug kommt für sie nicht in Frage. „Ich bin hier verwurzelt. Ich lasse mich nicht verdrängen“, so Glässer. Sie wohnt seit 32 Jahren in der Paul-Roosen-Straße.
Ingrid K. (60) wohnt nur ein paar Häuser von Tatjana Glässer entfernt. Sie möchte ihren Nachnamen nicht nennen und auch nicht fotografiert werden, denn sie hat Angst. „Ich möchte hier friedlich durch die Straßen gehen können. Schließlich wohne ich hier“, sagt die 60-Jährige. Sie vermute, dass sich das ändert, wenn sie ihr Gesicht in der MOPO zeigt.
Betrunkene treffen sich auf Spielplatz, um zu vögeln
„Ich wohne direkt neben einem Spielplatz. ,Bummsplatz‘ könnte man den mittlerweile auch nennen“, sagt sie. Betrunkene würden auf den Spielplatz neben ihrer Wohnung ausweichen, um zu vögeln. „Kinder verletzen sich an Glasscherben, Rollstuhlfahrer:innen kommen nicht mehr über die Gehwege, Betrunkene kotzen und pissen gegen Hauswände, ich traue mich abends nicht mehr raus“, sagt K..
Auch Ingrid K. sieht die Verantwortung bei den Wirten. „Die sorgen nicht dafür, dass ihre Gäste ruhig sind oder dass die gehen, sobald die Außengastro-Bereiche geschlossen werden“, sagt K.. Die Gastronome müssten härter durchgreifen. Und die Gastro-Bereiche auf den Parkflächen müssten verschwinden. Die Straße sei zu schmal dafür. „Die Gastronomen wollen nur Kasse machen“.
Hamburg: Gastwirte fühlen sich ungerecht behandelt
Im Mai erklärten die Gastwirte der MOPO, sie fühlen sich von Anwohner:innen unfair behandelt. „Wir haben zwei Jahre echt hart kämpfen müssen, um zu überleben. Die Parkflächen waren monatelang die einzige Möglichkeit, Gäste zu bewirten“, sagt Stephanie Döring vom „Weinladen St. Pauli“. Die Pandemie sei noch nicht überstanden, die Gastronom:innen seien nach wie vor abhängig von den umfunktionierten Parkflächen.
Döring schlug ein Gespräch zwischen Betreiber:innen und Anwohner:innen vor, um Lösungen zu finden. „Wir möchten einen Austausch. Wir können uns gemeinsam Lösungen überlegen, statt uns gegenseitig so anzugehen“, sagt sie. Und so soll es nun kommen.
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Der Bezirk Hamburg-Mitte reagiert auf die verhärteten Fronten und veranstaltet am Mittwoch eine Sondersitzung zum Thema „Außengastronomie auf St. Pauli“. Um 17.30 Uhr geht es los in der Beruflichen Schule St. Pauli an der Budapester Straße 58. Anwohnende und Gewerbetreibende sind eingeladen, in einen Austausch zu gehen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.