G20 in Hamburg: Warum noch immer kein Polizist vor Gericht steht
Die Ermittlungen wegen Polizeigewalt während des G20-Gipfels nähern sich ihrem Ende – und möglicherweise wird es am Ende keine einzige Anklage gegen einen Beamten geben. Nur noch sechs Verfahren sind offen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilt. 157 Fälle sind bereits eingestellt worden. Die Linke sieht darin das „Versagen des Rechtsstaates“, die Staatsanwaltschaft das genaue Gegenteil.
Die Videos von knüppelnden Polizisten sind teilweise verstörend und kaum zu ertragen – neben marodierenden Mobs auf der Elbchaussee und Plünderungen im Schanzenviertel sorgten im Nachgang des G20-Gipfels im Juli 2017 auch Schilderungen von unmäßiger Polizeigewalt für Schlagzeilen. Doch fast alle G20-Verfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen Beamte sind eingestellt worden, sechs sind noch offen.
Warum ist es der Staatsanwaltschaft bisher in keinem einzigen Fall gelungen, die Vorwürfe gerichtsfest zu erhärten? Während es hunderte Urteile und Strafbefehle gegen randalierende Demonstranten gegeben hat?
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Die Ermittlungen wegen Polizeigewalt während des G20-Gipfels nähern sich ihrem Ende – und möglicherweise wird es am Ende keine einzige Anklage gegen einen Beamten geben. Nur noch sechs Verfahren sind offen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilt. 157 Fälle sind bereits eingestellt worden. Die Linke sieht darin das „Versagen des Rechtsstaates“, die Staatsanwaltschaft das genaue Gegenteil.
Die Videos von knüppelnden Polizisten sind teilweise verstörend und kaum zu ertragen – neben marodierenden Mobs auf der Elbchaussee und Plünderungen im Schanzenviertel sorgten im Nachgang des G20-Gipfels im Juli 2017 auch Schilderungen von unmäßiger Polizeigewalt für Schlagzeilen. Wie die Staatsanwaltschaft auf MOPO-Anfrage mitteilt, sind fünf Jahre später 157 G20-Verfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen Beamte eingestellt worden, sechs sind noch offen. Nur ein Strafbefehl ist ergangen, allerdings gegen einen Beamten, der einen Kollegen verletzt hatte.
G20: Keine Anklage gegen Polizisten
„Das ist ein eklatantes Versagen des Rechtsstaates“, sagt Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft. Selbst Innensenator Andy Grote (SPD) hatte im September 2019 am Rande des N-Klubs gegenüber der MOPO erklärt: „Wenn man die Bilder sieht, und die haben wir alle gesehen, dann hat man schon das Gefühl, dass da auch Dinge dabei waren, die tatsächlich strafwürdig sind.“
Warum ist es der Staatsanwaltschaft trotzdem bisher in keinem einzigen Fall gelungen, die Vorwürfe gerichtsfest zu erhärten? Während es hunderte Urteile und Strafbefehle gegen randalierende Demonstranten gegeben hat?
Die Ermittler verweisen darauf, dass eine Anklage gegen Demonstranten deutlich leichter zu erheben ist: Wer eine Flasche auf Polizisten schleudert, begeht in jedem Fall eine Straftat. Der Schlagstockeinsatz eines Polizisten ist aber nicht zwangsläufig eine Körperverletzung im Amt, sondern zunächst durch das Gewaltmonopol des Staates gerechtfertigt. Die Staatsanwaltschaft muss quasi den viel komplizierteren Gegenbeweis erbringen, dass die Gewalt in dem speziellen Fall unverhältnismäßig war.
G20: Linke fordern Aufklärung zur Polizeigewalt
Videos allein reichen da aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht aus, weil sie nur Momente zeigen und oft nicht klar ist, ob es zuvor etwa „Widerstand“ gegeben hat, was das brutale Vorgehen dann rechtmäßig erscheinen ließe.
Gab es also keine Polizeigewalt bei G20? Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering, betont gegenüber der MOPO, dass jedes eingestellte Verfahren gegen G20-Polizisten noch einmal zusätzlich von der Generalstaatsanwaltschaft überprüft worden sei. Den Vorwurf, die Einstellungen verstießen gegen den Rechtsstaat, weist sie entschieden zurück: „Auch für Polizeibeamte gilt die Unschuldsvermutung und der Grundsatz ,im Zweifel für den Angeklagten.’“ Es sei nicht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, „gesellschaftliche Erwartungshaltungen zu erfüllen.“
Unter den sechs noch offenen Verfahren sind mehrere, die für große Empörung gesorgt haben. Etwa der Fall einer Tänzerin, die mit ihrer Musikgruppe am Tag nach den Plünderungen im Schanzenviertel für „Entspannung“ sorgen wollte und auf dem Neuen Pferdemarkt tanzte. Eine Polizeieinheit aus Baden-Württemberg soll die Gruppe ohne Vorwarnung zusammengeknüppelt haben, die Tänzerin erlitt einen Schienbeinbruch.
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Auch der Fall einer Radlerin, die am Holstenglacis von einem Polizisten von Rad gestoßen worden sein soll und sich das Handgelenk brach, ist noch offen. Ebenso das Vorgehen gegen die „Falken“, eine Jugendgruppe, die wegen einer Verwechslung schon bei der Anfahrt zu G20 in polizeilichen Gewahrsam genommen und teilweise geschlagen worden waren. In ihrem Fall hat das Verwaltungsgericht bereits festgestellt, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hatte.