Für eine Flasche Schnaps gekauft: Wie die Welpenmafia Hundebabys nach Hamburg holt
Flauschiges Fell und große Kulleraugen: Die Welpen auf den Fotos im Internet sehen zum Knutschen süß aus. Für mehrere hundert Euro kann man sich so einen Winzling in einer Hamburger Wohnung abholen, sogar das Muttertier soll vor Ort sein. Das kann doch kein Betrug sein, oder? Kann es. Tierschützer haben nun detailliert nachgezeichnet, wie die Welpenmafia die jungen Hundebabys nach Hamburg schafft und hier mit einem Riesenprofit an gutgläubige Online-Käufer verscherbelt – eine erschütternde Geschichte um Hundemütter an Ketten, Schnaps und einen Markt kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze.
Flauschiges Fell und große Kulleraugen: Die Welpen auf den Fotos im Internet sehen zum Knutschen süß aus. Für mehrere hundert Euro kann man sich so einen Winzling in einer Hamburger Wohnung abholen, sogar das Muttertier soll vor Ort sein. Das kann doch kein Betrug sein, oder? Kann es. Tierschützer haben nun detailliert nachgezeichnet, wie die Welpenmafia die Hundebabys nach Hamburg schafft und hier mit einem Riesenprofit an gutgläubige Online-Käufer verscherbelt – eine erschütternde Geschichte um Hundemütter an Ketten, Schnaps und einen Markt kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze.
Die Schäferhündin ist mit einer Kette am Schuppen befestigt, kann sich nur ein paar Meter in jede Richtung bewegen. Um sie herum tollen ihre fünf Welpen. Für eine Buddel Schnaps hat der Hamburger Tierschützer Stefan Klippstein (39) dem Bauern den ganzen Wurf abgekauft, sie suchen jetzt ein neues Zuhause.
„Nur ein dreieinhalb Stunden später hätte ich in Hamburg jeden Welpen für 1000 Euro verkaufen können“, sagt Klippstein zur MOPO. „Die weißen Hunde, die sich besonders gut verkaufen lassen, waren eigentlich schon für einen Hundehändler vom Markt in Slubice reserviert.“

Auf den polnischen Bauernhöfen, bei denen sich die Händler eindecken, so Tierschützer Klippstein aus Bahrenfeld, leben die Hundemütter in aller Regel in kleinen Verschlägen, fristen ihr Leben an der Kette und bekommen zweimal im Jahr Welpen: „Im Winter erfrieren ganze Würfe oder werden vom Fuchs gefressen, es gibt keine tierärztliche Versorgung.“
Der Weg der Hamburger Welpenmafia
Zusammen mit der polnischen Tierschutzorganisation Pro Animale hat Klippstein den Weg zurück verfolgt, auf dem die Hamburger Welpenmafia ihr Geschäft mit dem Tierleid betreibt. Im Zentrum steht der berühmte „Polenmarkt“ in Slubice, gleich gegenüber von Frankfurt an der Oder. Zwischenhändler klappern die Bauernhöfe ab und verscherbeln auf dem Markt die Welpen aus dem Kofferraum heraus für 50 Euro das Stück an Händler, die sie dann nach Hamburg und Berlin karren. Im Internet bringen die Tierbabys wenig später das Zehnfache ein. Klippstein: „Das ist wie beim Drogenhandel. Der Bauer kriegt ein bisschen Geld und die Mafia verdient sich dumm und dämlich.“
Auf dem Spartensender Sat1 Gold ist die abenteuerliche Recherche in einer vierteiligen Serie zu sehen.

Die Maschen der kriminellen Netzwerke werden dabei immer raffinierter, auch weil die Käufer inzwischen misstrauischer geworden sind, wie die Hamburger Tierschützerin Sina Hanke (34), Vorsitzende des Vereins Animal Care, beobachtet: „Die Welpen werden nicht mehr aus dem Kofferraum heraus verkauft oder auf der Straße übergeben“, sagt Hanke zur MOPO. „Die Verkaufsgespräche finden jetzt in Wohnungen statt, es ist von einer Hobbyzucht die Rede, es gibt Impfpapiere und ein Muttertier. Dass die Papiere Fälschungen sind und das angebliche Muttertier gar kein Gesäuge zeigt, fällt erstmal nicht auf.“
Und am Ende entpuppt sich der teure Modehund „Toypudel“, den derzeit alle haben wollen, doch als kranker Pudelwelpe aus einer polnischen Vermehrungsanlage – der wenig später enorme Tierarztkosten verursacht oder gar stirbt.
Illegaler Welpenhandel im Internet
Dabei wirkt der hohe Preis für die Welpen sogar Vertrauen erweckend: nicht so teuer wie von einem registrierten Züchter, aber auch kein Ramschpreis. Eine der beliebtesten Online-Plattformen für alle, die sofort und ohne viele Fragen – wie sie im Tierheim üblich sind – einen Welpen haben wollen, ist „Deine-Tierwelt.de“, auf der jeden Tag dutzende Rassewelpen in Kleinanzeige angeboten werden: Dalmatinermischlinge für 750 Euro, Chihuahuas für 850 Euro.
Unter jeder Anzeige steht: „Geprüfte Identität“. „Wir sind die erste Plattform in Deutschland, die ein Online-Ident-Verfahren für Verkäufer eingeführt hat“, erklärt Andreas Bytzek von „Deine-Tierwelt.de“ auf MOPO-Nachfrage. „Das stellt für die Händlerringe eine hohe Hürde dar und diejenigen, die genug kriminelle Energie aufbringen, um etwa durch unverdächtige Strohmänner trotzdem auf die Plattform zu kommen, setzen sich einem hohen Risiko polizeilicher Verfolgung aus.“

Tierschützerin Sina Hanke bleibt skeptisch: „Damit erwischt man nur die kleinen Fische, die sich und ihre Ausweise den Netzwerken zur Verfügung stellen. Wie viele Welpen-Anzeigen etwa ein Anbieter mit geprüfter Identität geschaltet hat, erkennt man als Käufer nicht.“
Berlin prüft im Kampf gegen die Welpenmafia derzeit, ob man nicht von jedem Hundehalter bei der Anmeldung einen Herkunftsnachweis des Hundes verlangen könnte. Das wollte der CDU-Abgeordnete Sandro Kappe auch für Hamburg anregen, scheiterte mit seinem Antrag aber an der rot-grünen Mehrheit in der Bürgerschaft: „Wir halten das nicht für zielführend“, sagt Urs Tabbert, Experte für Tierschutz der SPD-Fraktion zur MOPO. „Das führt bei unseriösen Anbietern nur zu Ausweichbewegungen an Orte, wo die Hamburger Behörden keine Kontrollmöglichkeiten haben.“
Prozess gegen Welpenmafia
Eine Frau, die zu einem großen Welpenhändler-Clan gehören soll, steht ab kommenden Dienstag vor dem Amtsgericht Reinbek. Als Zeugin geladen: Sina Hanke, die mit Animal Care in detektivischer Kleinarbeit mehr als 130 illegale Welpenverkäufe des Netzwerkes in Hamburg und Umgebung aufgedeckt hat. Damals war die Welpenmafia vor allem bei der Plattform Ebay-Kleinanzeigen (heute: Kleinanzeigen.de) aktiv, die den Verkauf von Tieren inzwischen verboten hat.
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Und die Schäferhündin, deren Wurf Tierschützer Klippstein für eine Flasche Schnaps bekommen hat? Die wurde inzwischen in das „Kettenhundprogramm“ von Pro Animale aufgenommen: Die Tierschützer bauen einen sicher umzäunten Auslauf auf dem Hof des Halters und überzeugen ihn, im Gegenzug sein Tier nicht mehr anzuketten.
Die Hündin wurde außerdem kastriert. Ihre Jungen wurden in einer Auffangstation in Brandenburg aufgepäppelt, hoffen jetzt auf liebevolle Familien. Interessenten können sich bei „Rendezvous mit Tieren“ in Markgrafpieske melden (Telefon: 033633/65 701).