„Folter-Instrument!“ Aber Polizei besteht auf Stachelhalsband für Hunde
Der Leiter einer Hundeschule „Martin Rütter Dogs“ bezeichnet sie als „unnötige Folter-Instrumente“. Doch Stachelhalsbänder für Hunde waren bis vor Kurzem noch erlaubt. Jetzt verbietet das Tierschutzgesetz sie, was bei der Polizei in Hamburg, Berlin und einigen anderen Bundesländern zu massiven Protesten führt. Sie fordern Ausnahme-Regelungen für die Schutzhunde-Ausbildung und -Führung. Der Deutsche Tierschutzbund ist darüber empört.
Wer einen Polizeihund bei einer Demo aus der Nähe sieht, denkt naiv, dass das Tier nur ein normales Halsband trägt. Doch der Eindruck täuscht in der Regel. Denn es handelt sich oft um „cover up“-Zubehör. Das Metall-Kettenband mit den nach innen gerichteten Dornen wird von einem darumgelegten harmlos erscheinenden Halsband verdeckt. Soll das vor öffentlicher Kritik schützen?
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Der Leiter einer „Martin Rütter Dogs“-Hundeschule bezeichnet sie als „unnötige Folter-Instrumente“. Doch Stachelhalsbänder für Hunde waren bis vor Kurzem noch erlaubt. Jetzt verbietet das Tierschutzgesetz sie, was bei der Polizei in Hamburg, Berlin und einigen anderen Bundesländern zu massiven Protesten führt. Sie fordern Ausnahme-Regelungen für die Schutzhunde-Ausbildung und -Führung. Der Deutsche Tierschutzbund ist darüber empört.
Wer einen Polizeihund bei einer Demo aus der Nähe sieht, denkt naiv, dass das Tier nur ein normales Halsband trägt. Doch der Eindruck täuscht in der Regel. Denn es handelt sich oft um „cover up“-Zubehör. Das Metall-Kettenband mit den nach innen gerichteten Dornen wird von einem darumgelegten harmlos erscheinenden Halsband verdeckt. Soll das vor öffentlicher Kritik schützen?
Es dient dazu, dass der Hund, wenn er sich in einem Arm oder einer Wade verbissen hat und nicht mehr auf Kommandos reagiert, trotzdem noch kontrollierbar ist. Und zwar durch den Schmerz der Metallstacheln, die bei Zug auf der Leine auf den Hals drücken.
Polizei will weiter Stachelhalsbänder nutzen
Die Polizei in den meisten Bundesländern möchte ihre Schutzhunde weiterhin mit Stachelhalsbändern ausbilden und führen. Doch das ist seit diesem Jahr verboten.
Die novellierte bundesweite Tierschutz-Hundverordnung ist vor nicht einmal drei Wochen in Kraft getreten und schon steht sie wieder zur Diskussion. Sie besagt, dass „bei der Ausbildung, bei der Erziehung oder beim Training von Hunden keine Stachelhalsbänder oder andere für die Hunde schmerzhafte Mittel verwendet werden dürfen“.
Klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Ist es aber offenbar nicht. Auf einen Vorstoß von Niedersachsen soll in zwei Ausschüssen des Bundesrats Ende der Woche über Ausnahmeregelungen für die Schutzhunde-Ausbildung und das Führen von Schutzhunden verhandelt werden.
Hamburg und Berlin: Polizei fordert Ausnahme-Regelung
Am lautesten hatte sich bisher die Berliner Polizei gegen das neue Gesetz gestellt. Mit großer Unterstützung der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Aktuell gibt es keine bekannten Alternativen, um unsere vierbeinigen Kollegen auf bestimmte Einsatz-Situationen vorzubereiten“, sagt GdP-Landesvize Stephan Kelm. „Ein Schutzhund ist kein Schoßhund und wir sollten auch nicht vergessen, dass Straftäter im Regelfall keine Rücksicht auf das Tierschutzgesetz und das Wohl der Tiere nehmen.“
Kelm führt ein Beispiel an: „Wenn ein Schutzhund bei einem Randalierer zum Einsatz kommt und sich in dessen Arm verbeißt.“ Dabei klappe in 95 Prozent der Fälle die Kommunikation zwischen Hundeführer und Hund. Aber in fünf Prozent der Fälle müsse die Kontrolle eben anders zurückgewonnen werden. Was heißt das? Nur über den Schmerz, der über das Stachelhalsband ausgeübt wird, bekommt der Polizist seinen Hund wieder in den Griff.
Polizeihunde: Sind Schmerzen nötig, um sie zu bändigen?
Daher sei die GdP zwar „absolut offen für innovative Trainingsmethoden, in denen auf Schmerzen verzichtet werden kann“. Aber aktuell gebe es keine bekannten Alternativen, um Hunde auf bestimmte Einsatz-Situationen vorzubereiten.
Das wird auch in Hamburg so gesehen: „Wir sehen dringenden Nachbesserungsbedarf im Hinblick auf eine Öffnungsklausel oder Ausnahmeregelung für polizeiliche Belange“, so ein Polizei-Sprecher gegenüber der MOPO. Für die Polizei Hamburg sind 60 Hunde im Einsatz, darunter sind 40 Schutzhunde. Bei ihnen wird derzeit in jedem Einzelfall geprüft, ob sie eingesetzt werden können. Anders als in Berlin wurde aber keiner außer Dienst gestellt.
Vielleicht sollten Berlin und Hamburg einmal zu den Kollegen in Nordrhein-Westfalen gucken. Da wird die Lage ganz anders gesehen. „Die Polizei NRW verzichtet bei der zentralen Fortbildung bereits seit mehreren Jahren erfolgreich auf den Einsatz von Stachelhalsbändern“, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums mit. Bei der Ausbildung setze man auf positive Konditionierung der Hunde.
Hundetrainer: Stachelhalsband ist Folter-Instrument
Stachelhalsbänder führen laut Martin Döhler von der Hundeschule „Martin Rütter Dogs“ zu Blutergüssen oder zu gravierenden Quetschungen der Luftröhre oder des Kehlkopfes. „Daher sind alle Stachelhalsbänder ungeeignet für den Einsatz am Hund, egal ob mit oder ohne Noppen an den Stacheln.“ Sein Fazit: „Stachelhalsbänder als auch Kettenhalsbänder haben in der Hundeerziehung nichts verloren! Wer meint, dass er ein solches „Folterinstrument“ braucht, um Hunde zu erziehen, hat bisher noch nicht viel von Lernverhalten, Trainingsaufbau und der Beziehung zwischen Mensch und Hund verstanden!“
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Der Deutsche Tierschutzbund appelliert an die Politiker im Bundesrat, dem Druck nicht nachzugeben und am Gesetz ohne Ausnahmen festzuhalten. „Auch bei Diensthunden dürfen in der Ausbildung und im Einsatz keine schmerzhaften Strafreize und tierschutzwidrige Hilfsmittel genutzt werden“, so sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
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„Auch, wenn die Polizei bei Einsätzen zu jeder Zeit handlungsbereit sein und die Kontrolle über ihre Tiere haben muss, gibt es alternative, tierschutzkonforme Ausbildungsformen – auch für Schutzhunde. Sein Fazit: „Ein erfolgreicher tiergerechter Umgang ist möglich. Diensthundeausbilder sollten sich hierfür öffnen, anstatt an alten Mustern festzuhalten.“