Flüchtlingsheim Sophienterrasse: Die beschämende 50-Jahre-Klausel
Die Flüchtlingsunterkunft Sophienterrasse, derzeit Zuhause für 167 Menschen, wird im kommenden Jahr geschlossen. So sieht es der Nachbarschaftsvertrag vor, den einige Harvestehuder Anwohner im Jahr 2015 mit der Stadt geschlossen haben. Die Kläger haben sich damals vor Gericht aber auch noch einen ganz besonderen 50-Jahre-Passus erstritten, der jetzt für Empörung sorgt.
Die Flüchtlingsunterkunft Sophienterrasse, derzeit Zuhause für 167 Menschen, wird im kommenden Jahr geschlossen. So sieht es der Nachbarschaftsvertrag vor, den einige Harvestehuder Anwohner im Jahr 2015 mit der Stadt geschlossen haben. Die Kläger haben sich damals vor Gericht aber auch noch einen ganz besonderen 50-Jahre-Passus erstritten, der jetzt für Empörung sorgt.
Im Januar 2016 zogen die ersten Bewohner in die Unterkunft an der Sophienterrasse, ab September 2024 muss die Unterbringung geschlossen werden. So steht es in dem Nachbarschaftsvertrag, den Hamburg nach langem juristischen Ringen mit einigen Anliegern geschlossen hat. Neben der strengen zeitlichen Begrenzung ließen die Kläger sich noch einen speziellen Passus in den gerichtlichen Vergleich schreiben: Sobald die Flüchtlinge ausgezogen sind, darf an dem Standort 50 Jahre lang keine öffentliche Unterbringung oder eine „sonstige soziale oder gesundheitliche“ Nutzung erfolgen.
Stadt darf ihr Eigentum nicht für soziale Zwecke nutzen
Der Gebäudekomplex, in dem einst das Kreiswehrersatzamt residierte, ist Eigentum der Stadt – das sie nun aber trotz größter Not für nichts nutzen darf, was irgendwie sozial angehaucht ist. So ein Zugeständnis an die Villenbewohner ist in Hamburg einmalig, wie die Sozialbehörde auf MOPO-Anfrage bestätigt.
Harvestehude ist ab kommendem Jahr also wieder flüchtlingsfrei, denn andere geeignete Flächen im Nobel-Stadtteil gibt es „aktuell“ nicht, wie der Senat auf Anfrage der Linken mitteilt. Die Schließung der gut funktionierenden Unterkunft mit 190 Plätzen kommt zur Unzeit: Hamburg steht – was die Unterbringung von Flüchtlingen angeht – mit dem Rücken zur Wand: 44.089 Menschen leben in den städtischen Unterkünften, damit sind 96 Prozent der Kapazitäten voll, und zwar inklusive provisorischer Unterbringungen wie Hotels. Alles in allem hat die Stadt derzeit 45.889 Plätze zu vergeben – und der Zustrom reißt nicht ab, eine Situation, die sich 2015 keiner hat träumen lassen.
Linke fordert neue Verhandlungen mit Nachbarn
Was mit dem städtischen Grundstück in bester Lage passieren soll? „Im Eimsbütteler Wohnungsbauprogramm 2023 ist das Grundstück als Potenzialfläche für Wohnungsbau aufgeführt“, heißt es dazu in der Senatsantwort auf die Anfrage der Linken Carola Ensslen. Die Bürgerschaftsabgeordnete will die gerichtliche Einigung nicht in Frage stellen, sagt aber: „Es gäbe ja die Möglichkeit, mit der Nachbarschaft erneut in Verhandlungen zu treten. Leider stelle ich aber fest, dass der Senat dies scheut. Es wird ja nicht einmal der Versuch unternommen.“

Hendrikje Blandow-Schlegel ist fassungslos über den 50-Jahre-Passus: „Wie kann man eine städtische Fläche für Jahrzehnte der sozialen Nutzung entziehen? Da kann keine Kita, kein Altenheim, keine Beratungsstelle entstehen. Nichts. Das ist unmoralisch und ein Skandal.“ Die Anwältin und Ex-SPD-Bürgerschaftsabgeordnete gehört zu der großen Mehrheit von Harvestehudern, die sich mit viel Engagement um die neuen Nachbarn gekümmert haben. Sie ist Vorsitzende der „Flüchtlingshilfe Harvestehude“, einem Verein, der inzwischen Sprachkurse an zehn Standorten anbietet, der hamburgweit Nachhilfe und Patenschaften organisiert.
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Es ist auch diesem Verein zu verdanken, dass die Unterkunft, die im Vorfeld für Riesenaufregung im Stadtteil gesorgt hatte, schließlich jahrelang geräuschlos lief. Viele Bewohner haben reguläre Wohnungen gefunden, Kinder haben die Schule abgeschlossen, einige studieren inzwischen. Blandow-Schlegels Vision für die Sophienterrasse: „Ein Studentenwohnheim für Studierende mit und ohne Migrationshintergrund.“ Aber das wäre natürlich eine unzulässige soziale Nutzung.