Historischer Flohmarkt-Fund: Mit dem Nazi-Schiff ab Hamburg auf große Fahrt
Gestatten, ich bin Thomas Hirschbiegel, der MOPO-Flohmarktfuchs. Seit mehr als 50 Jahren besuche ich jede Woche Märkte im Norden und kaufe historische Dokumente, alte Fotos und alles, was mit Hamburg zu tun hat. Aber auch bei Design der 70er Jahre oder einer schönen alten Armbanduhr kann ich zu oft nicht widerstehen. An dieser Stelle präsentiere in unregelmäßigen Abständen meine neuesten Schätze. Heute: ein ganz besonderes Album.
Gestatten, ich bin Thomas Hirschbiegel, der MOPO-Flohmarktfuchs. Seit mehr als 50 Jahren besuche ich jede Woche Märkte im Norden und kaufe historische Dokumente, alte Fotos und alles, was mit Hamburg zu tun hat. Aber auch bei Design der 70er Jahre oder einer schönen alten Armbanduhr kann ich zu oft nicht widerstehen. An dieser Stelle präsentiere in unregelmäßigen Abständen meine neuesten Schätze. Heute: ein ganz besonderes Album.
Fotoalben sind auf dem Flohmarkt meine große Leidenschaft. Ich liebe es, ganze Lebensgeschichten durchzublättern. Meist kosten die Exemplare nur wenige Euro. Doch für ein abgegriffenes braunes Exemplar verlangte eine Händlerin auf der „Flohschanze“ selbstbewusst mal eben 50 Euro.
Ich hab dennoch zugeschlagen. Das Album gewährte mir einen einmaligen Einblick ins „Dritte Reich“.

„Mit Kraft durch Freude nach Norwegen“, so konnte ich auf der ersten Seite des Albums lesen. Und es befand sich eine Fahrkarte für die „40. Seereise mit dem Motorschiff Monte Sarmiento der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft“ darin.
Die Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) wurde schon 1933 gegründet. Ziel war es, die breite Bevölkerung vor allem durch Erholungsurlaube zu einer „wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen“ zu formen.

Dazu muss man wissen, dass der durchschnittliche Arbeiter in der Weimarer Republik meist nur acht bis zwölf Tage Urlaub hatte. Die Nazis verlängerten diesen bezahlten Urlaub auf zwei, drei Wochen im Jahr. KdF wurde gegründet, damit sich künftig nicht nur die Oberschicht eine Ferienreise leisten konnte. Die eigenen KdF-Kreuzfahrtschiffe wie „Wilhelm Gustloff“ oder „Robert Ley“ boten den Reisenden aus der Arbeiterschicht plötzlich einen nie gekannten Komfort und Luxus im Urlaub. Ziel der Nazis war es, auch eher skeptische Menschen aus der Arbeiterschaft für das Regime zu gewinnen.
Laut Fahrkarte in dem Foto-Fundstück kam der erst 17 Jahre alte Heinz Altmann aus der Chemie-Stadt Bitterfeld bei Halle/Saale in den Genuss so einer Reise. Am 21. Juli 1937 erreichte er mit einem Sonderzug Hamburg, wie er feinsäuberlich in dem Fotoalbum notiert hat. Und gleich meckerte der junge Mann über das offenbar selbst in Bitterfeld berüchtigte „Hamburger Wetter“.

Dann aber startete er zur großen Stadtrundfahrt und Höhepunkt für den Jungen ist der Besuch der „Reeperbahn bei Nacht“, den er gleich gekonnt mit seiner offenbar leistungsstarken Kamera dokumentiert.
Am 23. Juli dann stach die „Monte Sarmiento“ in See und am Anleger Landungsbrücken spielte eine Kapelle der SA für die KdF-Touristen. Unser junger Reisender bezog das Bett Nr. 4 in der „Männer-Kabine Nr. 515“. Ja, nichts mit Einzelkabinen!

An Bord des Kreuzfahrers herrschte dann auch Nazi-mäßig eine strenge Ordnung. Geweckt wurde morgens um 6 Uhr per Trompetensignal. So stand es in der Schiffsordnung, die auf der letzten Seite des Fotoalbums prangt. Heinz Altmann gehörte laut Tischkarte der „1. Gruppe“ der Reisenden an. Das bedeutete, für ihn gab es schon um 7 Uhr Frühstück und um 11.30 Uhr Mittagessen. Auch der Beginn der Mahlzeiten wurde an Bord durch ein „Signal“ bekannt gegeben.
Sechs Tage lang schipperte die „Monte Sarmiento“ durch Norwegens Fjorde, fuhr an Schären vorbei und erreichte auch die Stadt Bergen. Heinz Altmann fotografierte fleißig und beschriftete die Fotos später penibel.
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Ganz hinten im Album entdecke ich noch eine „Relief-Fjordkarte“ von Norwegen, auf der der junge Reisende mit Bleistift seine Schiffsreise eingezeichnet hat. Ich stelle mir vor, wie er junge Arbeiter vermutlich wenig später zur Wehrmacht eingezogen wurde. Ob Heinz Altmann den Krieg wohl überlebt hat?