Millionen-Auftrag an Parteifreund: Hat der Senator gelogen?
Hat Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel seinem Parteifreund einen Millionen-Auftrag zugeschustert? Vieles deutet darauf hin. Jetzt meldet sich erstmals einer der verprellten Wettbewerber zu Wort. Er widerspricht der Darstellung der Finanzbehörde. Lesen Sie den kompletten Artikel mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang testen für nur 99 Cent!
Hat Senator Dressel seinem Parteifreund einen Millionen-Auftrag zugeschustert? Vieles deutet darauf hin. Jetzt meldet sich erstmals einer der verprellten Wettbewerber zu Wort. Er widerspricht der Darstellung der Finanzbehörde.
Seit Wochen betont die Finanzbehörde, die Auswahl für den Auftrag zur Förderung von FinTech-Start-ups sei nach einer „intensiven Markterkundung“ erfolgt. Sowohl gegenüber der MOPO als auch gegenüber den Oppositionsparteien gab die Behörde an, sie habe im Januar 2021 „drei potentiellen Betreibern die Möglichkeit gegeben, ihr Konzept für Aufbau und Betrieb eines Accelerators in Hamburg vorzustellen“, so der Wortlaut in der Senatsantwort auf die Anfragen von CDU und Linken. Zwei Anbieter hätten die Chance zur Präsentation wahrgenommen. Nur wer diese Wettbewerber sind, das wurde nicht verraten.
Verprellter Wettbewerber: „Wir wurden nicht angefragt!“
Einer, das ist klar, war der von Dressel Begünstigte Nico Lumma. Die anderen beiden ergeben sich aus einem Hinweis des Senats weiter unten in der Antwort, wo auf die zwei einzigen bereits in Hamburg existierenden Acceleratoren im Bereich Finanztechnologie verwiesen wird. Sie seien bei „Fintech Hamburg“ gelistet, so der Senat. Auf der Webseite dieser Initiative des Branchenverbands Finanzplatz Hamburg finden sich dann einmal der Next Commerce Accelerator (NCA) sowie die „comdirect Startup garage“. Die MOPO hat mit beiden gesprochen.
„Zu Ihren Fragen können wir Ihnen mitteilen, dass wir nicht angefragt wurden, eine Präsentation im Hinblick auf die Ausübung des Accelerator-Auftrags abzuhalten“, erklärte jetzt NCA-Geschäftsführer Christoph Schepan, der zusammen mit seinem Geschäftspartner – anders als Dressels Parteifreund Lumma – über weitreichende Kompetenzen im Bereich FinTech-Start-up-Förderung verfügt.
So hat NCA unter anderem das Start-up „Pockid“ hervorgebracht, das kürzlich zum „Newcomer Fintech of the Year 2021“ gekürt wurde. Nico Lumma und sein New Media Accelerator, dessen Kompetenz sich auf die Medienbranche richtet, wird bei Finanzplatz Hamburg nicht einmal erwähnt.
Hamburg hat zwei Acceleratoren im Finanzbereich. Genommen wurde ein SPD-Mann
Auch die „comdirect Startup garage“, die mit dem besonders bei jüngeren Menschen äußerst beliebten Online-Broker „Trade Republic“ großen Erfolg im Bereich FinTech verbuchen konnte, wäre als Manager für den Neun-Millionen-Auftrag bestens geeignet gewesen. Gegenüber der MOPO hält sich die comdirect bedeckt: „Die Entstehung des Hamburger FinTech-Accelerators sehen wir als positiven und notwendigen Schritt, um den FinTech-Standort Hamburg weiter auszubauen. Das Modell ergänzt sich gut mit unserer comdirect Start-up-Garage, in der wir Start-ups für den Commerzbank-Konzern fördern“, so eine Sprecherin.
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Nach MOPO-Informationen fühlt man sich auch bei Finanzplatz Hamburg durch die Direktvergabe ohne öffentliche Ausschreibung komplett umgangen. So soll Senator Dressel auf allen vier Mitgliederversammlungen 2021 kein Wort über das Vergabeverfahren verloren haben, obwohl er hier der geballten Branchen-Kompetenz gegenüber saß und sich Rat bei der Suche nach einem geeigneten Betreiber hätte holen können.
Die Finanzbehörde weist diese Darstellung von Teilnehmern als „falsch“ zurück. Senator Dressel habe auf der Mitgliederversammlung am 23. April über den Sachstand zum Accelerator informiert und dabei auch auf das Vergabeverfahren verwiesen. Zu dem Widerspruch zwischen der angeblich durchgeführten „intensiven Marktanalyse“ und der Darstellung von NCA-Geschäftsführer Schepan, nicht kontaktiert worden zu sein, wollte die Behörde „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ keine Angaben machen. Nur so viel: Die bei FinTech Hamburg gelisteten Acceleratoren seien in die Markterkundung einbezogen worden. Zitat: „Die Einladungen für eine Präsentation haben sich schlussendlich aus den Diskussionen der teilnehmenden Unternehmen/Institutionen des Arbeitskreises ergeben.“
Insidern aus der Hamburger Finanzbranche zufolge wurde durch die Umgehung einer EU-weiten Ausschreibung des Auftrags die Chance vertan, Talente von internationalem Rang nach Hamburg zu holen, um die hiesige Szene nach vorne zu bringen und weltweit zu vernetzen. Am Dienstagabend ist der dubiose Deal Thema im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft.