Filetsteaks für Knastis, freie Fahrt für Drogen-Bosse: So korrupt ist Hamburg
Geldwäsche, Morddrohungen – und Filetsteaks im Knast: Der Einfluss von Drogenbossen in Hamburg ist enorm. Der Hafen ist vom organisierten Verbrechen infiltriert. Eine Razzia in den Justizvollzugsanstalten Fuhlsbüttel („Santa Fu“) und Glasmoor zeigt, dass Großdealer im Gefängnis ihre Geschäfte betreiben und leben wie in Freiheit. Es gilt: Wer draußen Geld und Macht hat, ist auch im Knast der starke Mann. Ein korruptes System, das ohne Schmiergelder nicht funktionieren könnte.
Geldwäsche, Morddrohungen – und Filetsteaks im Knast: Der Einfluss von Drogenbossen in Hamburg ist enorm. Der Hafen ist vom organisierten Verbrechen infiltriert. Eine Razzia in den Justizvollzugsanstalten Fuhlsbüttel („Santa Fu“) und Glasmoor zeigt, dass Großdealer im Gefängnis ihre Geschäfte betreiben und leben wie in Freiheit. Es gilt: Wer draußen Geld und Macht hat, ist auch im Knast der starke Mann. Ein korruptes System, das ohne Schmiergelder nicht funktionieren könnte.
Im April wird eine Justizbeamtin zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Sie hat über Jahre Ermittlungsakten abfotografiert und die Informationen an Hamburgs Drogenhändler weitergegeben. Im Mai durchsuchen Ermittler die Justizvollzugsanstalten Fuhlsbüttel und Glasmoor – die Häftlinge sollen Drogenhandel im großen Stil betrieben haben.
Hamburg: Ermittlungen gegen Insassen der JVA
Die Razzia zeigt: Die Drogen-Bosse dominieren nicht nur den Hamburger Hafen, sondern – sofern sie überhaupt geschnappt werden – auch das Gefängnis. Sie lassen sich Feinkostware in die Zellen schmuggeln und verdienen schmutziges Geld, indem sie ihre Geschäfte im Knast fortführen wie früher in Freiheit.
So floriert auch der Schmuggel von Drogen und Handys in die JVA Fuhlsbüttel. „Die Besuchs- und Telefonüberwachung ist eine Farce“, sagt Jan Reinecke, Hamburger Landeschef des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Es sei bekannt, dass Handys über unterschiedlichste Wege in Hamburger Justizvollzugsanstalten eingeschmuggelt werden und damit den Häftlingen frei zur Verfügung stehen. „Die Insassen brauchen kein Guthaben mehr, sie gehen einfach über das freie Wlan der Justizvollzugsanstalt ohne SIM-Karte im Handy ins Netz, können so mit ihren Kontakten verschlüsselt schreiben und telefonieren.“
Das könnte Sie auch interessieren: Kommentar zur Korruption im Knast: Hamburg muss jetzt neue Ideen wagen
Gegen 24 Männer, darunter 14 JVA-Insassen, wird derzeit außerdem wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ermittelt, bestätigt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft gegenüber der MOPO. Es bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten über mehrere Monate Betäubungsmittel in die JVA einschmuggeln ließen und sich hierfür eines „Freigängers“ bedienten. Einige der Beschuldigten verbüßen bereits Freiheitsstrafen wegen Drogendelikten, so die Sprecherin.
Drogen und Handys in die JVA Fuhlsbüttel geschmuggelt
Ein System, das auf externe Helfer angewiesen ist. „Mit Blick auf den Status quo ist zu befürchten, dass Mitarbeiter in der JVA wegschauen oder aktiv an Straftaten wie dem Drogenschmuggel beteiligt sind“, sagt BDK-Chef Reinecke zur MOPO. Es gebe in den Gefängnissen wie der JVA Fuhlsbüttel die Mittel, Möglichkeiten und Gelegenheiten für Korruption.
Denn der Job des Justizvollzugsbeamten sei schwierig, so Reinecke. „Der Beamte muss wie ein Sozialarbeiter agieren, auf dem Weg der Tugend wandeln und gleichzeitig für Ruhe im Gefängnis sorgen. Außerdem hat er Insassen vor sich, die mit illegalen Geschäften wesentlich mehr Geld verdienen als er.“ Wer einmal einen Vorteil angenommen habe, komme aus der Abhängigkeit häufig nicht mehr raus.
Justizbehörde verweist auf bestehende Maßnahmen
Die Justizbehörde in Hamburg reagiert auf Nachfrage, wie es zu diesen Zuständen kommen konnte und was man nun dagegen unternehmen wolle, gelassen. Der Tenor: Man tue bereits alles, um den Schmuggel in die JVA zu unterbinden. „Selbstverständlich werden laufend verschiedene Maßnahmen ergriffen, um dem Einbringen von verbotenen Gegenständen entgegenzuwirken“, sagt eine Sprecherin der Behörde. „Dazu finden regelmäßig Durchsuchungen von Hafträumen und Arbeitsplätzen durch speziell ausgebildete Revisionsbeamte statt.“
Gefangene, die das Gefängnis verlassen und wieder zurückkehren – zum Beispiel im Rahmen von Lockerungen – würden durchsucht. Außerdem sei es den Gefangenen nicht gestattet, die Kleidung, die sie draußen getragen haben, mit in die Zelle zu nehmen. Besucher der Insassen werden ebenfalls durchsucht, der Besuch mit Kameras überwacht, so die Sprecherin. Soweit gesetzlich erlaubt, werde auch die ein- und ausgehende Post kontrolliert. Die Kollegen vor Ort seien bestens ausgebildet und ausgerüstet. Man bereite sie in ihrer Ausbildung auch auf Drohungen und Bestechungsversuche von Gefangenen vor und bringe ihnen bei, damit professionell umzugehen. Trotz aller Bemühungen könne der Schmuggel verbotener Gegenstände in den Justizvollzug jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Für Jan Reinecke ist das nicht genug. Um dem Problem der Korruption vorzubeugen, müssten auch die Anreize für Bestechlichkeit so gering wie möglich gehalten werden. Das schaffe man über eine entsprechende Bezahlung. Doch nicht nur das: „Wir brauchen eine ,Gefängnispolizei‘, die interne Ermittlungen und unangekündigte Maßnahmen in den Justizvollzugsanstalten durchführt“, fordert der BDK-Chef. Die müsse natürlich unabhängig, also nicht der Gefängnisleitung unterstellt sein.
Anstieg der Korruptionsstraftaten in Deutschland
Auch Europol hat sich im April mit dem Problem der Korruption im Zusammenhang mit Drogenschmuggel beschäftigt – in einem Analysebericht zu den drei größten Häfen Europas, die gleichzeitig am stärksten von Kriminalität betroffen sind: Antwerpen, Rotterdam und Hamburg. Kriminelle, so die Experten der europäischen Ermittlungsbehörde, würden hier auch Vertreter nationaler Behörden bestechen, sowie andere Akteure, deren Maßnahmen erforderlich sind, um die Einfuhr illegaler Lieferungen sicherzustellen.
„Da davon auszugehen ist, dass organisierte Kriminalität auch in Hamburg über Einfluss verfügt, dürften auch Kontakte in Ermittlungs- und anderweitige Verwaltungsbehörden existieren“, warnt Jan Reinecke, Landeschef beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), gegenüber der MOPO.
Das könnte Sie auch interessieren: Kommentar: Hamburgs Hafen, ein Narco-Paradies
Das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichte im vergangenen September das „Bundeslagebild Korruption 2021“. Darin zeigt sich ein erneuter Anstieg der registrierten Korruptionsstraftaten in Deutschland (7433), ein Plus von knapp 35 Prozent. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg 2021 auf 2457 – unter denen, die Vorteile angenommen haben (1089), sind 55 Prozent Amtsträger.