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Familienvater getötet: Nach Unfall-Drama in Hamburg: Gericht fällt Urteil

Wandsbek –

Vor fast genau einem Jahr, am 3. Juli 2019, kam Jörg Goedecke bei einem Verkehrsunfall ums Leben – weil eine Autofahrerin kurz nicht aufpasste. Nun fand die Verhandlung am Amtsgericht in Wandsbek statt. Die Fahrerin wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt – und die Familie kann durch das Urteil vielleicht endlich mit der Sache abschließen. Doch das ist nur ein schwacher Trost.

„Es ist so eine Verhandlung, bei der es keinen Gewinner gibt“, sagt der Verteidiger der Angeklagten Zainab Loun T., die damals den Unfallwagen fuhr. Und damit hat er nicht unrecht. Auch das Gerichtsurteil ändert nichts an der Tatsache, dass die Familie Goedecke einen geliebten Menschen verlor und zwei Kinder (15 und 18 Jahre alt) ihren Vater. Dass sie zuvor auch schon ihre Mutter verloren haben, macht den Fall umso tragischer. Und die Angeklagte T. auf der anderen Seite des Gerichtssaals muss ihr Leben lang mit der Schuld leben.

Prozess in Hamburg: „Ich weiß nicht, woher er kam“

„Ich war mit meinem jetzigen Ehemann und unseren zwei Kindern auf dem Weg nach Hause. An der Kreuzung habe ich einem Fahrradfahrer die Vorfahrt gewährt und mich dann noch mal umgeschaut. Dann bin ich weitergefahren. Ich weiß nicht, woher er kam“, erklärt die Angeklagte auf Nachfrage des Richters. Im nächsten Moment krachte sie auf der Berner Straße in Rahlstedt mit Jörg Goedecke, der mit seinem Roller unterwegs war, zusammen. 

Der damals 52-Jährige erlag am Tag nach dem Unfall im Krankenhaus seinen Verletzungen. Für die Familie ein Schock. Sie kämpft noch heute mit dem traumatischen Erlebnis. 

Die Angeklagte hatte an dem Tag vor einem Jahr offenbar schlechte Sicht. Die Sonne habe tief gestanden und sehr geblendet. „Wir hatten die Sonnenblenden heruntergeklappt“, sagt Zainab Loun T. in der Verhandlung. Ihr Mann, von Beruf Busfahrer, bestätigt diese Aussage. „Auch ich habe ihn einfach nicht gesehen.“

Auch die Unfallzeugen Phillip H. und Corinna C. berichten von tief stehender Sonne. „Erfahrungsgemäß scheint dort in der Fahrtrichtung die Sonne immer sehr stark ins Auto“, sagt H. dem Richter. Doch eine Entschuldigung, einfach loszufahren, ist das natürlich nicht.

Staatsanwältin: „Sie hätte schlichtweg nicht abbiegen dürfen“ 

Zu diesem Schluss kommt auch die Staatsanwältin: „Sie hätte schlichtweg nicht abbiegen dürfen.“ Doch es ist eben passiert. Seit dem Crash hat auch die Fahrerin eine schwere Last zu tragen. „Ich bin seit dem Unfall in psychiatrischer Behandlung. Konnte einen Monat lang nicht schlafen. Ich würde so gerne die Zeit zurückdrehen, aber das kann ich nicht. Ich hoffe, dass ich heute damit abschließen kann“, sagt Zainab Loun T. Das hofft die Familie Goedecke auch – zumindest teilweise, sie alle leiden noch sehr. Die Vertreterin des Nebenklägers und Bruders des Unfallopfers Jörg Goedecke, Ulrike H., merkte das deutlich während ihrer Gespräche mit der Familie: „Ich habe bei Strafverfahren noch nicht häufig auf dieser Seite des Gerichtssaals gestanden. Ich habe aber auch noch nie eine Familie so leiden sehen. Auch mein Mandant leidet furchtbar.“

Die Fahrerin des Wagens, selbst Mutter von zwei Kindern und während der Verhandlung sichtlich mitgenommen, bekommt sieben Monate auf Bewährung. 

Prozess nach Unfall in Hamburg: „Urteil auch eine Art Genugtuung“

„Die Strafe ist grundsätzlich formell, da sie schon genug leidet“, findet ihr Verteidiger. Trotzdem entscheidet sich das Gericht am Ende für eine  Bewährungs- und gegen eine Geldstrafe. Denn das „Urteil soll auch eine Art Genugtuung für die Geschädigten sein. Und eine Chance, einen Punkt zu machen und nach vorne zu schauen“, sagt der Richter in seinem Schlusswort.

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Nebenkläger Dirk Goedecke hat seinen Bruder bei einem Verkehrsunfall verloren – weil eine Autofahrerin ihn auf der Straße übersah. 

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Röer

„Ich bin so weit mit dem Urteil einverstanden. Ich habe auch gar nicht damit gerechnet, dass sie ins Gefängnis kommt“, sagt der Bruder des Opfers, Dirk Goedecke, nach dem Urteil im Gespräch mit der MOPO. „Ich habe auch Verständnis und glaube auch, dass sie ganz schwer leidet.“ Aber es sei gut, dass sie für ihren schweren Fehler ihre Strafe bekomme.

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„Wir müssen jetzt als Familie schauen, dass wir damit abschließen können. Gerade für die Kinder ist es jedoch sehr schwer.“ Das weiß auch die Mutter des Opfers. Sie weiß, wie sehr ihre Enkel unter dem Verlust des Vaters leiden: „Sie haben ihren Helden verloren.“ Jörg sei ein toller Mensch gewesen, der sehr viele Freunde hatte.

Es ist eine Tragödie, die durch eine kleine Unachtsamkeit am Steuer ausgelöst wurde. Vielleicht kann dieses Urteil nicht nur der Familie etwas Trost spenden, sondern auch deutlich machen, wie schnell so ein schrecklicher Unfall passieren – und wie man ihn vermeiden kann.

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