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  • Foto: Florian Quandt

Familie und Karriere: Wir sind die Teilzeit-Azubis von der Hochbahn

St. Georg –

Eine Ausbildung in Teilzeit ist für die meisten Unternehmen immer noch Neuland. Dabei kann sich der Versuch lohnen – für beide Parteien. Die MOPO hat mit zwei Auszubildenden bei der Hamburger Hochbahn über die Chancen des Lehrlingsmodells gesprochen.

Jungen Müttern und Vätern wird es nicht gerade leicht gemacht, nach ihrer Elternzeit ins Berufsleben zu starten. Eine gute Möglichkeit ist die Teilzeit-Ausbildung, doch nur wenige Unternehmen bieten dieses Modell an. Eine Ausnahme ist die Hamburger Hochbahn, bei der zurzeit rund 100 Auszubildende arbeiten – zehn davon in Teilzeit. Seit 2017 ist dieses neue Ausbildungsmodell bei Hamburgs größtem Verkehrsunternehmen möglich. 

Teilzeit-Ausbildung bei der Hochbahn in Hamburg: Darauf kommt es an

Eine der beiden ersten Absolventinnen ist Sheila Meffert: Die Kenianerin hat ihre kaufmännische Ausbildung im Bereich Dialogmarketing Ende Juli abgeschlossen. Die 28-Jährige kam vor etwa sieben Jahren als Au-Pair-Mädchen nach Deutschland. In dieser Zeit lernte sie ihren Freund kennen, wurde schwanger – und entschied sich zu bleiben. Nach ihrer Elternzeit stand die junge Mutter vor der Frage, wie es weitergehen sollte. Für sie kam nur eine Teilzeit-Ausbildung infrage.

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Mittlerweile ist es deutlich einfacher als früher, an so einen Ausbildungsplatz zu kommen. Zum 1. Januar 2020 hat die Handelskammer das Berufsbildungsgesetz geändert: Damit wurden die bürokratischen Hürden aufgehoben. So sollten Anreize für Menschen mit Behinderung oder Lernbeeinträchtigungen geschaffen, aber nach wie vor auch junge Eltern gefördert werden. Vorher musste ein nachweisliches Interesse bestehen: Nur wer ein Kind betreut oder einen Angehörigen pflegt, hatte überhaupt eine Chance.

Sabrina (29) macht ihre Teilzeit-Ausbildung bei der Hochbahn

Auch Sabrina Szeroka ist im Bereich Dialogmarketing bei der Hochbahn untergekommen. Die 29-Jährige beginnt nun ihr zweites Ausbildungsjahr – mit zwei Kindern daheim. Ihre vorige Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin hat sie abgebrochen: Nach ihren Schwangerschaften war zu viel Zeit vergangen. Zudem sei ihr in der Zwischenzeit klar geworden, dass sie sich beruflich umorientieren wollte. Eine Beratungsstelle verwies sie schließlich an das Angebot des Hamburger Verkehrsunternehmens.

Dort haben die Teilzeit-Azubis eine 30-Stunden-Woche. Eine Verlängerung der Ausbildungszeit entsteht dadurch nicht – die Dauer beträgt weiterhin drei Jahre. Dafür gibt es etwas weniger Gehalt, das durch Tarifverträge geregelt wird. Dass die Bezahlung stimmt, ist bei dem Teilzeit-Modell enorm wichtig: Schließlich müssen viele Auszubildende auch Kinder mitversorgen. Die Hochbahn zahle allerdings gut, gerade im Vergleich zu anderen Unternehmen.

Hamburger Hochbahn als flexibler Arbeitgeber: Teilzeit und Gleitzeit

Ein weiterer Vorteil: Gleitzeit. „Manchmal bekomme ich auf der Arbeit einen Anruf und es heißt, meine Tochter sei krank und ich müsse sie abholen. Dann bespricht man das schnell und darf natürlich los“, so Sabrina Szeroka. Einbußen habe man dadurch nicht – stattdessen arbeite man einfach am nächsten Tag ein bisschen länger. Bis das Zeitmanagement reibungslos klappt, dauert es ein bisschen. „Nach drei Jahren hat man einen Plan als Mutter. Es ist nicht immer einfach, aber man kriegt das hin“, sagt Sheila Meffert.

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Zu Beginn plagten die 28-Jährige Zweifel. „Am Anfang hatte ich Angst, dass wir nicht so ernst genommen werden wie die Vollzeit-Azubis.“ Auch die deutsche Sprache war eine Herausforderung: Als Sheila Meffert mit ihrer Ausbildung begann, war sie gerade mal drei Jahre in Deutschland – und hatte Angst, dass ihre Kenntnisse nicht reichten. „Wenn man dann in einer Abteilung eingesetzt wird, in der man viel telefoniert, weiß man nicht, was auf einen zukommt: Ob sich die Kunden etwa beschweren, wenn die Grammatik nicht stimmt.“

Teilzeit-Absolventin gewinnt Sonderpreis für Integration

Ihre Sorgen haben sich nicht bewahrheitet – ganz im Gegenteil. Im vergangenen Jahr verlieh die Handelskammer der Kenianerin sogar den Sonderpreis für Integration im Rahmen des Wettbewerbes „Hamburgs bester Azubi“. Und da Sheila Meffert ihren Job trotz der anfänglichen Sprachbarrieren so gut gemacht hat, wurde die Absolventin bei der Hochbahn übernommen. Jetzt arbeitet sie 35 Stunden in der Woche – und ist damit sehr zufrieden. Sie und Sabrina Szeroka sind zwei Frauen, die zeigen, dass der Spagat zwischen Karriere und Familie gelingen kann.

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„Viele Unternehmen sehen Kinder als ein Manko für die Karriere. Dabei sind Eltern häufig motivierter, zielstrebiger und besser organisiert – sie kennen das schon aus ihrem Alltag, viele Dinge unter einen Hut bringen zu müssen. Das wird oft gar nicht erkannt, was sehr schade ist“, findet Sabrina Szeroka. Die besonderen Eigenschaften von jungen Eltern könnten eigentlich schon Anreiz genug für Unternehmen sein, das Ausbildungsmodell einfach mal zu testen. Damit tun sie nicht nur der Firma einen Gefallen, sondern geben jungen Eltern eine Perspektive.

Ausbildung in Teilzeit: Alleine geht es nicht 

Teilzeit-Ausbildung hin oder her – ohne Unterstützung funktioniert auch dieses Modell für junge Eltern nicht. „Ich bin extra in meinen alten Stadtteil zurückgezogen, wo auch meine Eltern und Schwiegereltern leben. Das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit: Wenn ich mal eine Stunde länger arbeite oder im Stau stehe, ist immer jemand da, der meine Kinder von der Kita abholen kann“, erzählt Sabrina Szeroka. Ihre Kollegin sieht das ähnlich: „Mein Partner und meine Schwiegereltern unterstützen mich. An einigen Tagen hat man Seminare oder Schulungen und ist nicht so flexibel wie sonst. Da braucht man Unterstützung – ganz alleine geht es nicht.“

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