Fällen oder nicht? Bei Hamburgs Wäldern sind sich Naturschützer nicht einig
Trockene Sommer, Herbststürme und massiver Borkenkäfer-Befall. Die Wälder ächzen unter dem Klimawandel. Und dann will Hamburg in den nächsten Jahren auch noch 15 Hektar intakten Wald fällen. Zum Tag des Waldes am 21. März fordert der Nabu, dass in wertvollen Waldflächen keine Bäume mehr gefällt werden dürfen. Andere Experten sehen das überraschend anders.
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Trockene Sommer, Herbststürme und massiver Borkenkäfer-Befall. Die Wälder ächzen unter dem Klimawandel. Und dann will Hamburg in den nächsten Jahren auch noch 15 Hektar intakten Wald fällen. Zum Tag des Waldes am 21. März fordert der Nabu, dass in wertvollen Waldflächen keine Bäume mehr gefällt werden dürfen. Andere Experten sehen das überraschend anders.
„Wir brauchen mehr naturnahe Wälder, die fit für den Klimawandel sind und wertvolle Lebensräume für Tiere, Pflanzen und Pilze bieten“, sagt der Vorsitzende des Nabu, Malte Siegert. „Hamburgs Wälder sind unsere grüne Lunge und nicht der Holzlieferant für einen schnelllebigen Markt.“
Nabu Hamburg: Mehr Wälder sich selbst überlassen
„In den Wäldern muss sich Natur entwickeln dürfen, ohne forstwirtschaftliche Eingriffe. Daher fordern wir einen Einschlagstopp für wertvolle Waldflächen, damit sich die Natur regenerieren und besser an die Folgen des Klimawandels anpassen kann.“
Besonders bedenklich ist laut Nabu die geplante Rodung des ökologisch bedeutenden „Wilden Waldes“ in Wilhelmsburg, der sich am dicht besiedelten Reiherstiegviertel seit Jahrzehnten ohne menschliche Eingriffe entwickeln konnte. Noch in diesem Jahr soll der zehn Hektar große Wald dem Neubaugebiet Spreehafenviertel weichen – trotz mehr als 20.000 Protestschreiben, die der Nabu kürzlich dem Senat überreichte.
Und das ist längst nicht alles. In Moorfleet müssen weitere sieben Hektar Wald weichen, und zwar für den vierspurigen Ausbau der Autobahn A1. Dagegen protestiert auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW). „Das Abholzen von Wäldern im städtischen und stadtnahen Raum ist im Hinblick auf den Klimawandel absolut kontraproduktiv und sollte unterlassen werden“, so Jan Muntendorf, Waldexperte bei der SDW.
Gefällte Bäume werden im Umland ersetzt
Abgeholzte Wälder sind laut Experten unwiederbringlich verloren. Denn auch ein Ausgleich durch Neuanpflanzung könne diese Wälder nicht ersetzen. Zudem findet der Ausgleich meist nicht in Hamburg, sondern in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen statt. „Das selbstgesteckte Ziel der Koalitionsparteien, in jedem Hamburger Bezirk einen Hektar Wald aufzuforsten, stockt nicht nur, es ist vor dem Hintergrund eines Waldverlustes von 15 Hektar auch viel zu wenig“, so Muntendorf.
Ein Großteil des Hamburger Waldes wird von Förstern betreut. Die anfälligen Nadelholz-Monokulturen aus der Nachkriegszeit sind mittlerweile auf fast kompletter Fläche in Laubmischwälder umgewandelt. Etwa im Klövensteen. Der Laubholzanteil von 75 Prozent an den Jungbeständen und am Nachwuchs belege den Waldumbau.
Erfreulich: „Durch die nachhaltige Holznutzung werden Hamburgs Wälder auch wieder älter und die Bäume somit dicker“, so Muntendorf. Vom jährlichen Holzzuwachs von rund sieben Festmetern nutzen die Förster nur rund die Hälfte. Es wächst laut SDW also mehr zu, als geerntet wird.
Umgang mit Hamburgs Wäldern: Umweltschützer sind sich nicht einig
Nicht einig sind sich die Umweltschützer von Nabu und SDW beim weiteren Umgang mit den Wäldern: Der Nabu fordert, dass deutlich weniger Bäume im Wald gefällt werden und er sich viel mehr selbst überlassen bleibt – ohne forstwirtschaftliche Eingriffe. Bisher ist das nur bei zehn Prozent der Waldflächen in Hamburg gegeben. Siegert: „Wir brauchen ein neues Leitbild, das auf dem Vertrauen in die Kraft des Waldes basiert, sich selbst zu heilen.“
Die SDW sieht das anders. „Der Naturschutz kommt in Hamburgs Wäldern nicht zu kurz. Insbesondere alte Buchenwälder wie in Hausbruch oder im Wohldorfer Wald stehen unter Schutz“, so Muntendorf. Für sie trage Hamburg eine besondere Verantwortung. Noch größere Waldflächen sich selbst zu überlassen, hält man dort für falsch.