Fachkräftemangel: Wie Hamburg das Problem noch verschlimmert
Kamala Gurbanariyeva aus Aserbaidschan hat in Hamburg eine Ausbildung in der Pflege begonnen. Fachkräfte sind hier Mangelware, doch auf ihre Aufenthaltserlaubnis muss die 44-Jährige wohl noch bis nächstes Jahr warten – die zuständige Dienststelle des „Hamburg Welcome Center” hat tausende E-Mails noch nicht einmal bearbeitet. Was ist da los?
- Deutsch (Deutschland)
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Kamala Gurbanariyeva aus Aserbaidschan hat in Hamburg eine Ausbildung in der Pflege begonnen. Fachkräfte sind hier Mangelware, doch auf ihre Aufenthaltserlaubnis muss die 44-Jährige wohl noch bis nächstes Jahr warten – die zuständige Dienststelle des „Hamburg Welcome Center” hat tausende E-Mails noch nicht einmal bearbeitet. Was ist da los?
„Seit Februar 2023 macht meine Schwester eine Ausbildung in der Pflege. Um einen Aufenthaltstitel zu erhalten, muss man seine Unterlagen und drei Gehaltsabrechnungen einreichen, um eine Beschäftigung nachzuweisen. Das hat sie im Mai getan“, sagt Güler Meyer (45) zur MOPO. Weil ihre Schwester Kamala Gurbanariyeva noch nicht so gut Deutsch spricht, hilft sie ihr mit den Behördengängen.
„Hamburg Welcome Center“: Lange Wartezeiten
Sechs Wochen später hatte sich das „Hamburg Welcome Center“ noch nicht gemeldet. Die 2021 eingeführte Dienststelle soll zugewanderte Fachkräfte bei allen Fragen rund um die Themen Einreise und Aufenthalt unterstützen. Also fragt Güler Meyer nach. „Uns wurde gesagt, dass ihr Antrag noch nicht bearbeitet worden sei, weil momentan so viel los ist. Das Problem war: Das Visum meiner Schwester sollte am 15. Juli ablaufen“, sagt Meyer.
Der Rat der Dienststelle: Eine E-Mail mit dem Betreff „eilig“ schicken. Das tun Meyer und ihre Schwester. Eine Woche später, es ist mittlerweile Ende Juni, meldet sich tatsächlich jemand. Kamala Gurbanariyeva erhält endlich einen Termin für ihren Aufenthaltstitel – für den 5. Januar 2024.
„Für uns war es sehr belastend”
„Bis dahin hat meine Schwester nun eine Fiktionsbescheinigung bekommen, doch selbst damit ist es sehr schwer in Hamburg ein Konto zu eröffnen“, sagt Meyer. Eine Fiktionsbescheinigung wird als Übergangslösung ausgestellt, wenn über einen beantragten Aufenthaltstitel noch nicht entschieden wurde. Die Bescheinigung muss allerdings ausgestellt werden, solange das Visum noch gültig ist. In Gurbanariyevas Fall geschah das erst kurz vor Ablauf.
„Meine Schwester hatte Angst, ob alles klappt“, sagt Meyer. „Für uns war es sehr belastend, so lange auf einen Termin zu warten.“ Gurbanariyeva wollte auch gern ihre Mutter in Aserbaidschan besuchen, aber ohne die Sicherheit wieder in Deutschland einreisen zu können, ging das natürlich nicht.
Linken-Anfrage ergibt: Mehr als 6000 unbearbeitete E-Mails
Eine Anfrage der Linksfraktion hat ergeben, dass lange Wartezeiten beim „Hamburg Welcome Center“ wohl kein Einzelfall sind. In der Antwort des Senats heißt es zwar, dass die Bearbeitungsdauer eines Antrags nicht statistisch erfasst wird, aber die Zahl der unbearbeiteten E-Mails spricht für sich – zeitweise gab es mehr als 6000 davon.
Begründet wird diese Zahl vom Senat durch die „zunehmende Komplexität der einschlägigen Rechtsgrundlagen, steigende Fallzahlen und insbesondere die Herausforderungen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine“. Zur Entlastung der Mitarbeiter seien schon eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt worden. Darunter die Unterstützung durch Kollegen aus anderen Bereichen, temporäre Samstagsarbeit oder auch die „Einführung eines Notfallprozesses, um die rechtzeitige Ausstellung von Fiktionsbescheinigungen zu gewährleisten”.
Olga Fritzsche: „Willkommenskultur sieht anders aus”
Derzeit befänden sich außerdem noch mehrere Stellen in der Ausschreibung sowie im Besetzungsprozess. „Durch die genannten Maßnahmen konnte die Anzahl unbearbeiteter E-Mails auf unter 2000 und damit einhergehend die Reaktionszeit auf neu eingehende Anfragen deutlich reduziert werden“, so der Senat.
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Olga Fritzsche, Wirtschaftsexpertin der Linken findet, dass sich hier dringend mehr tun muss. „So schreckt man qualifizierte und lernwillige Menschen ab“, sagt sie. „Statt der europaweit anerkannten Plastikkarte (gemeint ist die offizielle Aufenthaltserlaubnis, d. Red.) wird eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt, die beim Reisen immer wieder zu Problemen führt und mit der man auch nur bei sehr wenigen Banken ein Konto bekommt. Willkommenskultur sieht anders aus.“
Metin Kaya, Migrationsexperte der Linksfraktion ergänzt, dass für die Ausstellung der Fiktionsbescheinigung fast die gleichen Unterlagen geprüft würden, wie für die Aufenthaltserlaubnis. „Die Menschen fühlen sich zurecht veräppelt“, so Kaya.