Gastro-Preise in Hamburg explodieren: „Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange“
Trotz gesenkter Mehrwertsteuer: In vielen Hamburger Imbissen und Restaurants schlägt die Inflation voll durch. Nur mal eben einen Kaffee trinken gehen oder ein Restaurantbesuch werden zu Luxusveranstaltungen. Verbraucherschützer Armin Valet hat Verständnis für Wirte, aber warnt: Qualitätseinbußen und Mitnahmeeffekte drohen.
- Deutsch (Deutschland)
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Erst die Corona-Pandemie, jetzt der Ukraine-Krieg – es reiht sich eine Krise an die andere. In Deutschland macht sich das derzeit vor allem auf den Preisschildern bemerkbar. Lebensmittel, Strom, Öl und Co. – die Deutschen müssen tiefer in die Tasche greifen. Nur mal eben einen Kaffee trinken gehen oder ein Restaurantbesuch werden zu Luxusveranstaltungen. Die MOPO sprach mit Armin Valet von der Hamburger Verbraucherzentrale und wollte wissen, welche Preise noch gerechtfertigt sind und wer einfach nur Gewinne maximieren möchte.
MOPO: Herr Valet, teilweise sind Preissteigerungen von bis zu 60 Prozent im Gastro-Bereich zu beobachten. Wer soll sich das noch leisten können?
Armin Valet: Es ist tatsächlich so, dass weniger gut Verdienende sich aktuell kaum ein Restaurantbesuch leisten können, weil es im Budget nicht drin ist. Verbaucher mit wenig Geld sparen gerade lieber. Da sind die Restaurantbesitzer allerdings auch gefordert zu handeln. Es sollte aufgepasst werden, dass die Preise nicht überzogen werden. Wenn höhere Preise allgemein zu weniger Gastro-Besuchen führen, dann werden auch so die Kosten nicht mehr gedeckt. Gastronome müssen den Spagat hinbekommen, die Preise moderat anzuheben, aber so, dass es für Kunden noch bezahlbar ist. Denn wenn die Restaurantbesuche extrem zurückgehen, lässt sich das auch nicht mit höheren Preisen auffangen.
Klar, die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg sind Auslöser für die steigenden Kosten. Aber wollen nicht auch viele Betriebe einfach nur ihre Gewinne maximieren?
Derartige Mitnahmeeffekte können wir nicht ausschließen. Man muss aber fairerweise dazu sagen, dass die Gastronomiebranche gelitten hat in den letzten Jahren. Aber natürlich wird es auch Betreiber geben, die sowas machen. Was viele bereits vergessen haben: Wir haben aktuell noch reduzierte Merhwertsteuersätze für die Gastronomie. Die Sätze sind von 19 auf 7 Prozent gesunken und das gilt bis Ende des Jahres. Da müsste theoretisch schon rund zwölf Prozent Gewinn bei den Betreibern hängenbleiben, wenn der Preis gleich bleiben würde.
Eine Preiserhöhung von zehn auf 16 Euro für ein Frühstücksbuffet oder eine Erhöhung von zwei Euro für einen Döner – ist das noch gerechtfertigt?
Ich muss natürlich sagen, dass ich die Kalkulationen nicht kenne. Es ist aber unbestritten so, dass wir Preissteigerungen auf breiter Front haben. Wir haben unter anderen gestiegene Rohstoffpreise, Transportkosten, auch Personal- und Energiekosten. Verbraucher haben Verständnis dafür, dass die Preise steigen müssen. Aber natürlich ist eine Preissteigerung von 60 Prozent wirklich ein Hammer. Ich kann allerdings schwer sagen, ob das gerechtfertigt ist oder nicht. Ich sehe es jedoch kritisch, wenn die Qualität abnimmt. Wir haben Befürchtungen, dass Restaurants teilweise entweder Portionen kleiner machen, an Produkten sparen oder viele Dinge nicht mehr selbst frisch machen. Das ist aktuell ein großer Trend.
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Wie sieht es bei Getränken aus? Da können schnell Gewinne eingefahren werden. Sind Preissteigerungen in dem Bereich überhaupt gerechtfertigt?
Tatsächlich war das immer ein Standbein, bei dem Restaurants und Bars gut und schnell Gewinne erzielen konnten. Wir als Verbraucherzentrale sehen in dem Bereich noch keine gerechtfertigten großen Preissteigerungen. In anderen Bereichen, zum Beispiel bei Öl, ist das anders. Wer in der Vergangenheit viel Sonnenblumenöl verwendet hat, der hat natürlich nun deutlich höhere Kosten. Aber bei Getränken sind zurzeit solche Preissprünge nicht bekannt. Es ist jedoch wichtig zu sagen: Wir haben sicherlich noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, was die Preissteigerungen von Lebensmitteln betrifft.
Wir können uns also darauf einstellen, dass alles noch teurer wird?
Ja, in die Richtung geht es. So lange der Krieg noch weitergeht, wird sich so schnell nichts ändern. Bislang sieht es ganz schlecht aus. Neue Lieferketten müssten ausgebaut werden. Außerdem haben wir das Problem mit extrem steigenden Energiepreisen und Ernteausfällen. Es ist bislang noch schwer zu beurteilen, was mit dem Weizenmarkt, Sonnenblumenölmarkt etc. passiert. Auch, wenn man andere Lieferketten aufbaut, sieht es jedoch danach aus, dass wir eine Verknappung vieler Produkte haben, was letztlich immer zu Preissteigerung führt.
Wie lange wird dieser Zustand noch andauern?
Ich befürchte, dass wir uns weiterhin auf eine hohe Inflation einstellen müssen. Bislang spricht nichts dafür, dass sich in diesem und auch im kommenden Jahr etwas an dem Zustand ändern wird. Die wichtigste Voraussetzung für eine Entspannung wäre selbstverständlich das Ende des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine.