Experte über geizige Kunden: „Bald gibt’s kein regionales Obst und Gemüse mehr“
Explodierende Preise und Inflationssorgen lassen die Kunden offenbar zu billiger Ware greifen. Oder sie kaufen erst gar keine teuren Saisonprodukte. Das bekommen derzeit vor allem die Spargelbauern zu spüren. Obwohl die Preise vergleichsweise günstig sind, wird er deutlich weniger verkauft. Branchenexperte Fred Eickhorst wirft einen düsteren Blick in die Zukunft.
- Deutsch (Deutschland)
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Explodierende Preise und Inflationssorgen lassen die Kunden offenbar zu billiger Ware greifen. Oder sie kaufen erst gar keine teuren Saisonprodukte. Das bekommen derzeit vor allem die Spargelbauern zu spüren. Obwohl die Preise vergleichsweise günstig sind, wird er deutlich weniger verkauft. Branchenexperte Fred Eickhorst appelliert: „Wer Wert auf regionale Produkte legt, der sollte jetzt deutschen Spargel und Erdbeeren kaufen. Denn den Betrieben geht es richtig schlecht.“
Und die Spargelpreise sind derzeit so niedrig wie lange nicht mehr. Der Durchschnittspreis für weißen Spargel aus deutschem Anbau liegt derzeit bei 6,92 Euro pro Kilo im Laden und auf dem Markt. Vor einem Jahr stand er zu dieser Zeit bei 8,05 Euro. „Der Spargel und auch die Erdbeeren waren noch nie so billig zu diesem Zeitpunkt, auch nicht vor Corona“, sagte Eickhorst, der Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen ist.
Besonders schmerzhaft für die heimischen Produzenten ist die Konkurrenz beim grünen Spargel, der oft aus Italien und Spanien kommt. Discounter haben das Kilo jüngst für 2,96 Euro pro Kilo verkauft. Mit solchen Preisen kann laut Eickhorst kein deutscher Betrieb konkurrieren. Schon wegen des Mindestlohnes funktioniere das nicht, denn die Lohnkosten machen bei uns 40 bis 60 Prozent der gesamten Kosten aus. Das hat in diesem Jahr schon dazu geführt, dass Bauern aufgehört haben, ihren Grünspargel zu ernten. Sie zahlten doch nur drauf.
Spargel und Erdbeeren: Bald zwölf Euro Mindestlohn
Die Kaufzurückhaltung werde Auswirkungen haben, sagte Eickhorst. Schon jetzt seien viele Flächen aus der Produktion genommen worden, und das mitten in der Saison. Die Anbaufläche werde weiter sinken, einige kleinere Spargelbetriebe seien schon aus dem Geschäft ausgeschieden – vor allem diejenigen, die ausschließlich den Großhandel beliefert hatten. Diese hätten schon während der beiden vergangenen Corona-Jahre praktisch kein Geschäft mehr gehabt, sagte Eickhorst.
In der aktuellen Krise zeigt sich aber auch, wer aufs richtige Pferd gesetzt hat. Denn die Spargel- und Erdbeerbauern, die vor allem direkt vermarkten, haben deutlich weniger Sorgen. „Sie bekommen den nötigen Preis meist, denn ihre Kunden kaufen bewusst regional und achten auf Qualität.“ In die Röhre gucken vor allem die Produzenten, die in erster Linie den Lebensmittelhandel beliefern.
Einzelhandel drückt die Erzeuger massiv im Preis
„Der Einzelhandel nutzt das derzeit große Angebot an Spargel und Erdbeeren aus, indem er die heimischen Erzeuger erpresst, dass ihre Produkte nur gekauft werden, wenn sie mit der billigen Ware aus dem Ausland mithalten können.“
Eickhorst greift zu drastischen Formulierungen bei der Schilderung der derzeitigen Lage: „Wir schaffen uns in Deutschland als Produktionsland für Obst und Gemüse gerade ab.“ Die Produktion werde immer teurer, die Qualität auch immer besser, aber die heimischen Erzeuger seien nicht mehr konkurrenzfähig. „Kauft Fleisch, Obst und Gemüse regional, sonst gibt es das bald nicht mehr.“ Die Selbstversorgungsquote liege in Deutschland bei Obst mit 19 Prozent und bei Gemüse mit 35 Prozent schon jetzt nicht hoch und werde weiter zurückgehen.
„Deutsche Kunden behaupten bei jeder Befragung, dass ihnen regionale Erzeugung von Lebensmitteln wichtig ist, aber sie verhalten sich beim Einkauf nicht so.“ Es werde halt dann doch auf den Preis geschielt und zur billigen Konkurrenz aus dem Ausland gegriffen. Eickhorst nennt ein Beispiel: „Vor Jahren wurden die hier verkauften Heidelbeeren zu 80 Prozent auch in Deutschland angebaut. Mittlerweile sind es nur noch 14 Prozent.“
Kunden fordern regionale Produkte, kaufen sie aber nicht
Den Bauern würde dann nur noch der Ausweg bleiben, Mais für die Energie-Erzeugung anzubauen. Was Bauern aus dem Münsterland jetzt sogar aktuell noch auf Flächen starten, die bereits mit Erdbeeren bepflanzt waren. Sie pflügten die reifen Erdbeeren vergangene Woche unter.
Die Zukunftsaussichten sind düster. Denn der grundsätzlich sinnvolle Mindestlohn steigt ab Oktober von 10,50 Euro auf zwölf Euro pro Stunde. Damit müssen die Erzeuger ihren Erntehelfern deutlich mehr zahlen und natürlich diese Kosten auf die Preise umlegen. „Das bedeutet, dass Obst und Gemüse pro Kilo um etwa einen Euro teurer werden. Bei Beerenobst und Spargel sogar noch mehr.“
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Zum Vergleich: In den Niederlanden liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro, in Spanien bei 5,76 Euro und in Griechenland bei 3,94 Euro. In vielen anderen Ländern gibt es gar keinen Mindestlohn. Schon in der aktuellen Situation haben Spargel- und Erdbeerbauern angekündigt, im nächsten Jahr deutlich weniger anzubauen.