Exklusiv: Dieses Ding schützt ab sofort Hamburgs Radfahrer
Tödliche Unfälle beim Rechtsabbiegen sind in Deutschland trauriger Alltag. Gerade erst wurde eine 81-Jährige in Hoheluft-Ost von einem Lkw überrollt. Ein neues System soll das jetzt verhindern – zumindest bei den Bussen der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die im Hamburger Westen unterwegs sind. Einige Busse bremsen künftig sogar von allein, wenn Fußgänger oder Radfahrer in Gefahr sein könnten. Die MOPO hat sich das System bei einer Probefahrt angesehen.
Tödliche Unfälle beim Rechtsabbiegen sind in Deutschland trauriger Alltag. Gerade erst wurde eine 81-Jährige in Hoheluft-Ost von einem Lkw überrollt. Ein neues System soll das jetzt verhindern, wobei nur bestimmte Busse in der Stadt aufgerüstet werden. Die MOPO hat sich bei einer Probefahrt angeschaut, wie das Lebensretter-System funktioniert.
Es piepst mit einem hohen Ton, als Serap Sönmez den Bus durch die Adenauerallee lenkt und an eine rote Ampel heranfährt. Sofort tritt die 45-Jährige noch stärker auf die Bremse. Den sich nähernden Fußgänger hatte sie allerdings bereits schon im Außenspiegel gesehen.
Die VHH statten ihre Busse mit Abbiegeassistenten aus
Oben rechts in der Ecke des Busses hängt jetzt ein Display, auf dem regelmäßig ein Ampelmännchen erscheint. Ist es gelb, steht jemand in der Nähe des Busses oder läuft daran vorbei. Sobald sich aber ein Verkehrsteilnehmer schnell in Richtung Bus bewegt und der Bus gleichzeitig mit einer gewissen Geschwindigkeit unterwegs ist, berechnet die künstliche Intelligenz den Zeitpunkt, wann beide kollidieren würden. Ist der Zeitpunkt zu kurz, wird das Ampelmännchen rot und ein Warnsignal ertönt.

Möglich macht das eine Kamera an der rechten äußeren Seite des Busses – bei den längeren Gelenkbussen sind es zwei. Diese erfassen per Radar ihre Umgebung. Warum nur rechts? „Die linke Seite ist für die Busfahrer bereits gut zu überblicken. Es ist vor allem die rechte Seite, die zu unübersichtlichen Situationen führen kann“, erklärt Projektleiter Philip Wong. Das System soll künftig in Bussen der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) zum Einsatz kommen, die im Hamburger Westen unterwegs sind.
Bis jetzt sind bereits 50 der insgesamt 670 Busse umgerüstet worden
Diese Situationen kennt Serap Sönmez, die seit acht Jahren VHH-Busse durch Hamburg und Umland steuert, nur zu gut. „Es kann brenzlig werden, wenn sich Radfahrer und Busse eine Spur teilen müssen“, erzählt sie. „Dann gibt es Autos, die richtig eng vorbeiziehen oder Kinder, die im Bereich der Haltestelle spielen und plötzlich auf die Straße rennen.“

Gleichzeitig läuft noch eine Frontkamera an den Fahrzeugen. Diese warnt die Fahrer, wenn der Abstand zum Vordermann zu gering ist oder sie aus Versehen ihre Spur verlassen. „Unsere Fahrerinnen und Fahrer sind alle gut ausgebildet, arbeiten sehr gewissenhaft und erhalten jährlich Schulungen. Das neue Abbiegeassistenzsystem wird sie in ihrem Arbeitsalltag maßgeblich unterstützen“, sagt VHH-Geschäftsführer Toralf Müller. Bis jetzt sind bereits 50 der insgesamt 670 Busse umgerüstet worden.
Manche Busse können sogar von selbst bremsen
60 Busse sind so neu, dass sie bereits integrierte Abbiegeassistenten haben – solche Systeme sind laut EU-Verordnung ab 2024 für Stadtbusse Pflicht. Diese VHH-Busse können aber noch mehr. Laut Projektleiter Wong können sie sogar aktiv eingreifen. Heißt: Der Bus bremst von selbst.

Die Bestandsflotte lässt Wong nach und nach umrüsten, dazu muss jede Kamera einzeln kalibriert werden. Bis Ende 2023 soll der Prozess abgeschlossen sein. Dafür investiert VHH insgesamt 1,3 Millionen Euro. Die Hochbahn stattet bereits seit 2021 ihre Flotte von 1000 Bussen mit Abbiegeassistenten aus. „Jeder Abbiegeassistent kann Leben retten und dazu beitragen, den Straßenverkehr in und um Hamburg sicherer zu machen“, sagt Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne).