• Foto: Matthias Kledtke

Existenz-Angst statt Hamburger Dom: Das stille Leiden der Schausteller

Hamburg musste auf den Frühjahrsdom und den Hafengeburtstag verzichten und auch der Sommerdom fällt Corona zum Opfer. Bis 31. August wird es in Hamburg keine Großveranstaltungen geben. Für die Schausteller auf den Volksfesten ist das eine Katastrophe. Ein Hamburger Budenbesitzer hat der MOPO erzählt, wie schlimm die Lage wirklich ist.

„Ich weiß manchmal einfach nicht mehr weiter.“ Matthias Kledtke ist verzweifelt. Der 58-Jährige aus Lurup verdient sein Geld normalerweise mit seinem Imbisswagen, den er auf vielen Volksfesten und Großveranstaltungen aufbaut. Dort verkauft er Currywurst, Champignons und Pommes an die hungrige Laufkundschaft. 

Jetzt sind die Läden seines kleinen Wagens wegen der Corona-Krise schon seit Wochen geschlossen, die Feste, auf denen er sein Büdchen sonst aufbaut, bis 31. August abgesagt. 

Corona in Hamburg: Keine Großveranstaltungen bis 31. August

„Jetzt ist eigentlich meine Hauptsaison“, erzählt der Schausteller im Gespräch mit der MOPO. „Von Mitte April bis Ende September wäre ich jetzt an jedem Wochenende auf einer Veranstaltung unterwegs.“

Der Hamburger Frühjahrsdom, der Sommerdom, der Hafengeburtstag – in diesem Jahr fallen sie für Kledtke alle ins Wasser. Seit 2004 verdient er als Selbstständiger sein Geld, in der Coronakrise ist er jetzt auf die Unterstützung des Staates angewiesen.

„Die Corona-Soforthilfe habe ich auch bekommen“, so Kletdtke, „2500 Euro waren das für drei Monate, die ich nur für die betrieblichen Kosten ausgeben durfte.“ Damit habe er erst mal seine laufenden Kosten bezahlt. Wie es nach Ablauf der Soforthilfe Ende Juni weitergehen soll, weiß er nicht.

Corona in Hamburg: Das Leiden der Schausteller

Die Wirtschaftsbehörde Hamburg antwortet auf Anfrage der MOPO, dass bereits daran gearbeitet würde, die Soforthilfe auszuweiten. „Wir gucken gemeinsam, ob wir noch einmal eine Verlängerung für die Schausteller bekommen können“, erklärt Susanne Meinecke, Pressesprecherin der Behörde.

Die Behörde weist auch darauf hin, dass ein Schausteller zum Beispiel für seinen Imbisswagen derzeit beim jeweiligen Bezirksamt eine Sondernutzungsgenehmigung stellen könnte, um den Wagen in der Stadt aufzustellen. „Für einen Imbisswagen sind darüber hinaus die Anforderungen des Lebensmittelrechtes zu erfüllen“, schreibt die Behörde auf Anfrage. Daneben seien alle weiteren aus Anlass der Corona-Pandemie getroffenen Regelungen einzuhalten, inbesondere größere Menschenansammlungen seien zu vermeiden.

Kledtke fürchtet derweil, dass seine Lage sich noch weiter verschlimmert: „Es heißt ja, dass im Herbst mit einer möglichen zweiten Welle die Zahlen wieder steigen werden. Wenn das stimmt, wird es dieses Jahr gar keine Veranstaltungen mehr geben, auf denen wir Schausteller unser Geld verdienen können.“ Das sei der Todesstoß für viele, denn die Saison könne dann erst wieder im Mai anlaufen. Wenn überhaupt.

Corona in Hamburg: Schausteller müssen Grundsicherung beantragen

Für die privaten Kosten hat Matthias Kledtke die Corona-Grundsicherung beantragt, diese sei erst einmal für ein halbes Jahr gültig. „Danach springt dann die normale Grundsicherung ein“, erzählt er, „dafür müsste ich aber mein Unternehmen schließen. Ich kann doch nichts für die Pandemie!“ Der 58-Jährige hat sich auch als Erntehelfer beworben und als Einräumer im Supermarkt – hat jedoch aufgrund seines Alters nur Absagen bekommen, sagt er.

Für Kledtke ist es unbegreiflich, warum angesichts der jetzt großzügigen Lockerungen nicht auch kleine Veranstaltungen erlaubt würden, auf denen er seine Pommes verkaufen könnte. „Für Reisende wird überall aufgemacht, auf den Wiesen liegen alle dicht an dicht, aber bei den Ständen wären dann zu viele Menschen auf einem Haufen? Das ist absurd!“

Schausteller fordert: „Der Weihnachtsmarkt muss stattfinden!“

Es mache ihn wahnsinnig, dass er nicht weiß, wie es für ihn weitergehen soll. Die Bank wolle ihm keinen Kredit geben, denn er habe keine Sicherheit, dass sein Unternehmen ab Herbst wieder Geld verdiene. „Der Weihnachtsmarkt muss stattfinden“, fordert der 58-Jährige, „oder das wird der Tod unserer Branche.“

Die Hygienevorschriften könne er gut einhalten, ist sich Kledtke sicher. „Ich hab sowieso eine Plexiglasscheibe, die könnte ich höher ziehen. Ich habe Masken, die ich auslegen könnte, falls jemand mal seine vergessen hat und den Abstand kann man in einer Schlange sowieso einhalten.“ 

Corona in Hamburg: Landesverband zeigt sich besorgt

Wilfried Thal ist Präsident des Landesverbandes des Ambulanten Gewerbes und der Schausteller in Hamburg. Auch er findet alarmierende Worte für die derzeitige Situation. „Es ist eine verzweifelte Lage“, fasst er zusammen, „und das geht vor allem auf die Psyche der Leute. Über Generationen wurden solche Betriebe oft aufgebaut und auf einmal ist alles weg.“

Der Verband versucht mit finanziellen Hilfsmaßnahmen die Schausteller ein bisschen zu unterstützen.  „Das ist ein Stück deutsches Kulturgut“, mahnt Thal, „und das darf nicht einfach so verschwinden.“

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