Abendessen-Affäre um ihren Ex: Was wusste Justizsenatorin Anna Gallina?
Die Staatsanwaltschaft hat in dieser Woche Anklage gegen Michael Osterburg erhoben. Der Ex-Partner von Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (beide Grüne) soll sich zum Beispiel private Essen aus der Fraktionskasse erstattet haben lassen. Es geht um gewerbsmäßige Untreue, Betrug und Urkundenfälschung in 121 Fällen. MOPO-Kolumnist Marco Carini erklärt die Hintergründe der Affäre – die der umstrittenen Senatorin sogar den Job kosten könnten.
Die Staatsanwaltschaft hat in dieser Woche Anklage gegen Michael Osterburg erhoben. Der Ex-Partner von Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (beide Grüne) soll sich zum Beispiel private Essen aus der Fraktionskasse erstattet haben lassen. Es geht um gewerbsmäßige Untreue, Betrug und Urkundenfälschung in 121 Fällen. MOPO-Kolumnist Marco Carini erklärt die Hintergründe der Affäre – die der umstrittenen Senatorin den Job kosten könnte.
Mit Anklageerhebung rückt Gallina wieder mal in den Fokus der Öffentlichkeit. Denn sie soll laut Ermittlungsakten von den Machenschaften ihres Ex profitiert haben.
Auch wenn die Anklagebehörde betont, es habe sich „kein zureichend tatsächlicher Anhaltspunkt für eine strafrelevante Beteiligung“ der heutigen Senatorin ergeben, könnte sie die Affäre letztlich ihr Amt kosten.
Hamburg: Strafanzeige gegen Ex-Grünen-Fraktionschef
Jahrelang war Michael Osterburg die Gallionsfigur der Grünen im Bezirk Mitte, als deren Fraktionschef er 15 Jahre lang fungierte, bevor er 2019 parteiintern ausgebootet wurde. Im April 2020 stellte die Bezirksfraktion der Grünen Strafanzeige gegen ihren Ex-Chef, weil dieser sich rein private Ausgaben mit fingierten Abrechnungs-Belegen von der Partei habe erstatten lassen.

Seitdem wühlt sich die Staatsanwaltschaft durch Osterburg-Quittungen aus den Jahren 2014 bis 2019 und beziffert die Höhe der möglicherweise veruntreuten Gelder nun auf 34.000 Euro, verteilt auf 121 Einzelfälle. Die fallen überwiegend in die Zeit, als Osterburg und Gallina ein Paar waren. Lässt das Landgericht die Anklage zu, wird das Verfahren voraussichtlich im kommenden Jahr stattfinden.
Osterburg ist Vater von Gallinas jüngstem Sohn
Dass nun Staatsanwälte, deren weisungsbefugte Vorgesetzte Anna Gallina ist, die Anklage gegen den Vater ihres jüngsten Kindes vertreten, hat bereits ein Geschmäckle. Auch wenn Gallina betont, sie wolle „dass die erheblichen strafrechtlichen Vorwürfe gegen Herrn Osterburg aufgeklärt werden“, ist der innere Konflikt Gallinas nicht zu übersehen – welche Mutter will schon den Vater ihres Sohnes als Beschuldigten auf der Anklagebank und später vielleicht sogar im Knast sehen?
Schwerer aber noch wiegt, dass laut Ermittlungsstand, der jetzt zur Anklage gegen Osterburg führt, Gallina in vielen Fällen die Begünstigte eines möglichen Abrechnungsbetrugs gewesen ist.
Fragwürdige Bewirtungsbelege von Stammitaliener in Eimsbüttel
Es geht dabei etwa um diverse Abrechnungen von Osterburgs Stammitaliener „Rucola e Parma“ in Eimsbüttel, wo der Fraktionschef nicht mit den Politiker:innen und Journalist:innen gespeist haben soll, die er auf den eingereichten Bewirtungsbelegen angab. Dass sich auf solche Quittungen schonmal ein „Kinderteller Bolognese“ verirrte, machte die Ermittler stutzig.
Danach befragt, betonte der Wirt, dass Osterburg fast ausschließlich mit Gallina zum Essen kam. Bislang weicht die der Frage konsequent aus, ob sie sich nie gewundert habe, dass ihr Ex-Partner nach den rein privaten Lokalbesuchen stets einen Bewirtungsbeleg verlangte. Parteiintern behauptet die Senatorin, sie habe nichts gewusst und nichts geahnt.
Wurden Geschenke für Kinder aus Fraktionskasse bezahlt?
Zudem geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Osterburg Geschenke an ihre Kinder aus einer früheren Beziehung und auch die Kinderbetreuung aus der Fraktionskasse bezahlt hat. Irrt sie in der Bewertung der ihr vorliegenden Unterlagen nicht grundlegend, hat die Senatorin eindeutig von den nun angeklagten Machenschaften ihres Ex profitiert – selbst wenn sie von all dem nichts gewusst hat. Doch genau hier duckt Gallina sich weg.
Nur zu einem privaten Hummeressen auf Parteikosten nahm sie bislang dezidiert Stellung, als der öffentliche Druck zu groß wurde.
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Und die Ankündigung, sie werde den dem Steuerzahler entstandenen Schaden selbstverständlich begleichen, sollte sich erweisen, dass sie von strafbaren Handlungen ihres früheren Lebensgefährten profitiert hat, vermisst man von der Justizsenatorin bis heute.
Hamburg: Druck kommt von der SPD
Als Gallina im Juni 2020 in dieses Amt berufen wurde, waren die Ermittlungen gegen Osterburg schon in vollem Gange und viele Fakten lagen bereits auf dem Tisch. Trotzdem wurde sie von den Grünen in den Senat gehievt.
Aus der SPD wächst längst der Druck, die Justizsenatorin solle sich so öffentlich zu ihren Kenntnissen über Osterburgs Machenschaften erklären und die blühenden Spekulationen so eingrenzen. Für ihre eigene Partei ist die Senatorin jedoch sakrosankt – niemand fordert hier öffentlich Aufklärung, worauf die Grünen vehement drängen würden, wäre Gallina Funktionsträgerin bei der politischen Konkurrenz.
Gallina muss nicht gegen Ex-Partner aussagen
Als Ex-Partnerin und Mutter eines gemeinsamen Kindes ist es Gallinas verbrieftes Recht, dazu zu schweigen, was genau sie wusste und ob sie von dem mutmaßlichen Abrechnungsbetrug Osterburgs profitiert hat. Doch was ihr als Privatperson ausdrücklich erlaubt ist, macht sie als Leiterin der Behörde, die für Recht und Gesetz und die lückenlose Aufklärung und Ahndung von Straftaten zuständig ist, untragbar.
Die Interessensgegensätze zwischen der amtlichen und der privaten Gallina – sie sind einfach zu groß.