„Es kann nicht sein, dass Hamburg den Elbtower baut, aber bei Windrädern blockiert“
Mit seiner Ansage, die Zahl der Windräder in Hamburg zu verdoppeln, hat Peter Tschentscher (SPD) das Thema Windenergie zur Chefsache gemacht. Kann das klappen? Rechtsanwalt Axel Röpke und Windenergieanlagen-Betreiber Jens Heidorn berichten von Versäumnissen der Politik – und warum in der Hansestadt seit 2016 kein einziges Windrad mehr gebaut wurde.
Angesichts der drohenden Gasknappheit und des Klimawandels rückt die Windenergie wieder stärker in den Fokus. Mit seiner Ansage, die Zahl der Windräder in Hamburg zu verdoppeln, hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) das Thema zur Chefsache gemacht. Kann das klappen? Rechtsanwalt Axel Röpke und Windenergieanlagen-Betreiber Jens Heidorn, ehrenamtlich im Vorsitz der Hamburger Bundesverbands für Windenergie (BWE), sind zwar optimistisch, berichten im MOPO-Interview aber auch von Versäumnissen der Hamburger Politik – und warum in der Hansestadt seit 2016 kein einziges Windrad mehr gebaut wurde.
MOPO: Glauben Sie, dass Tschentschers Vorhaben, die Windräder in Hamburg zu verdoppeln, realistisch ist?
Axel Röpke: Auf jeden Fall! Wir können aber nicht einfach 20 neue Windräder in den Hafen stellen, sondern es muss sich auch politisch etwas tun. Im Kern betrifft das zwei Dinge: Der aktuelle Flächennutzungsplan, der ausweist, wo Windenergieanlagen in Hamburg gebaut werden dürfen, und die Höhenbegrenzung der Anlagen.
Was bedeutet das?
Jens Heidorn: Der jetzige Flächennutzungsplan wurde 2007 von Hamburg in Auftrag gegeben und 2013 von der Bürgerschaft beschlossen. Das Problem ist, dass die Flächen jetzt fast alle belegt sind. Es gibt aber noch Potenzialflächen, die nicht bebaut werden können, weil sie eben nicht in diesem alten Plan stehen. Ein Beispiel dafür ist der Windpark in Ochsenwerder.
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Röpke: Dazu kommt dann noch die Hamburgische Besonderheit, dass die Windräder im Außengebiet nicht höher als 150 Meter sein dürfen. Das war die Konsequenz eines Bürgerentscheids, der durch eine Bergedorfer Initiative initiiert wurde, die damit 2012 einen Ausbau der alten Anlagen in ihrem Bezirk verhindern wollte – leider mit Erfolg.

Heidorn: Die Bürgerinitiative wollte eine Beschränkung auf 100 Meter Höhe erreichen, was faktisch eine Erneuerung der Anlagen ausgeschlossen hätte. Bei dem damaligen Bürgerentscheid haben zwar zwei Drittel für den Vorschlag der Initiative gestimmt. Aber nur ein Drittel der Wahlberechtigten hat überhaupt am Entscheid teilgenommen. Als Kompromiss hat die Bürgerschaft die Höhenbegrenzung beschlossen, die heute den weiteren Ausbau ausbremst.
Welchen Vorteil hätten denn höhere Windenergieanlagen?
Heidorn: Je höher das Windrad, desto mehr Strom kann es erzeugen. Eine 150 Meter hohe Anlage rechnet sich für die Betreiber heute einfach nicht mehr, deshalb gab es seit 2016 auch keinen einzigen Antrag mehr für ein Windrad in Hamburg.
Röpke: Wenn diese Begrenzung fiele, könnten 19 bestehende, alte Windenergieanlagen in Hamburg durch 15 höhere ersetzen werden – auch „repowern“ genannt. Dadurch würde sich die Leistung um über 60 MW erhöhen. Wird dann noch der Flächennutzungsplan optimiert, wäre noch Platz für weitere Anlagen. Damit könnte Hamburg die Windstromproduktion vor jährlich 309 Millionen Kilowattstunden auf über 600 Millionen verdoppeln. Das entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von gut 230.000 Haushalten.
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Wie sieht es bei dem Ziel aus, dass die Bundesländer bis 2032 zwei Prozent ihrer Fläche für Windenergie ausweisen müssen?
Heidorn: Für Stadtstaaten, wie Hamburg, beträgt das das Flächenziel nur 0,5 Prozent – und selbst davon ist die Stadt noch weit entfernt mit aktuell 0,24 Prozent.
Röpke: Die Stadt hat sich lange auf ihrer besonderen Rolle als Stadtstaat ausgeruht. 0,24 Prozent sind viel zu wenig. Das Ziel 0,5 Prozent ist zwar besser als nichts, aber auch zwei Prozent wären ohne die Höhenbegrenzung und einem neuen Plan nicht utopisch. Für uns ist das wie ein Kampf gegen Windmühlen – der politische Wille ist zwar da, aber es scheitert an der Umsetzung.
Welche Flächen würden sich in Hamburg noch anbieten?
Röpke: Es gibt tatsächlich nur sehr beschränkte Regionen in Hamburg, die sich eignen. Ein großes Kriterium ist der Mindestabstand zu Wohnhäusern, der um die 600 Meter betragen muss. Solche Flächen befinden sich hauptsächlich in Bergedorf, in den Vier- und Marschlanden und im Alten Land.
Heidorn: Auch im Hafen könnte man noch einiges machen. Aber wie gesagt: Erst einmal sollte die Politik den bestehenden Flächennutzungsplan ändern.
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Tschentscher sprach ja auch davon, die Naturschutzgebiete zu nutzen…
Röpke: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Herr Tschentscher direkt in Naturschutzgebiete bauen will, sondern dass er Gebiete meinte, in denen der Naturschutz eine Rolle spielt. Und das sind eigentlich alle.
Heidorn: Wir haben jedenfalls Vorschläge für Eignungsflächen außerhalb von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten unterbreitet, mit denen das 0,5 Prozent Flächenziel erreicht werden kann. Damit sind wir bereits an die Politik herangetreten und warten jetzt auf ein Gespräch. Es kann nicht sein, dass die Stadt einen riesigen Elbtower bauen lässt, der das Stadtbild sehr stark verändern wird, aber bei Windrädern dann weiterhin blockiert.