„Das wird ein Luxusquartier“: Der Kampf um das Wohn-„Filet“ von Altona
Das Holsten-Areal sorgt für Zündstoff im Bezirk Altona: Eigentlich sollte hier ein neues Wohnquartier entstehen. Doch nachdem die Carlsberg-Brauerei das Areal vor Jahren verkauft hat, ist es Brachland und Spekulationsobjekt von Investoren. In diesem Jahr will die Stadt einen städtebaulichen Vertrag mit der Adler Group abschließen, der das Gelände aktuell gehört. Der Konzern ist zuletzt wegen Betrugsvorwürfen in die Schlagzeilen geraten. Die Bürgerinitiative „knallt am dollsten“ will den Vertrag verhindern. Die MOPO hat mit Sprecher Theo Bruns über zweifelhafte Investoren, Mietwucher und die Hilflosigkeit des Bezirks gesprochen.
MOPO: Beim ersten Verkauf ging das Gelände für 150 Millionen Euro über den Tisch. Inzwischen wird es auf 364 Millionen geschätzt – ohne dass dort je gebaut wurde. Wie kann das sein?
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Das Holsten-Areal sorgt für Zündstoff im Bezirk Altona: Eigentlich sollte hier ein neues Wohnquartier entstehen. Doch nachdem die Carlsberg-Brauerei das Areal vor Jahren verkauft hat, ist es Brachland und Spekulationsobjekt von Investoren. In diesem Jahr will die Stadt einen städtebaulichen Vertrag mit der Adler Group abschließen, der das Gelände aktuell gehört. Der Konzern ist zuletzt wegen Betrugsvorwürfen in die Schlagzeilen geraten. Die Bürgerinitiative „knallt am dollsten“ will den Vertrag verhindern. Die MOPO hat mit Sprecher Theo Bruns über zweifelhafte Investoren, Mietwucher und die Hilflosigkeit des Bezirks gesprochen.
MOPO: Was ist die Initiative „knallt am dollsten?“
Theo Bruns: Die Initiative hat sich vor knapp zwei Jahren gegründet. Wir sind etwa 25 Leute, größtenteils Anwohner oder Mitglieder von Baugemeinschaften, die gern auf dem Gelände wohnen würden. Wir wollen aber kein Luxusquartier hier haben, sondern einen diversen und lebendigen Stadtteil für alle.
Beginnen wir mit einem Rückblick. Warum steht das Holsten-Areal leer?
Bruns: Die Holsten-Brauerei, heute zu Carlsberg gehörig, wollte 2016 aus logistischen Gründen das Gelände aufgeben und ist später nach Heimfeld gezogen. Damals hatte das Unternehmen mit dem Senat unter Olaf Scholz verhandelt. Scholz hat, um das Unternehmen in der Stadt zu halten, auf das Vorkaufsrecht der Stadt verzichtet. Das Holsten-Areal durfte an den Höchstbietenden verkauft werden. Das war der grundlegende Fehler.
Beim ersten Verkauf ging das Gelände für 150 Millionen Euro über den Tisch. Inzwischen wird es auf 364 Millionen geschätzt – ohne dass dort je gebaut wurde. Wie kann das sein?
Bruns: 2016 hieß es noch, 2021 könnten die ersten Bewohner im neuen Holsten-Quartier einziehen. Inzwischen wurde das Gelände insgesamt vier Mal verkauft , zuletzt an die Adler Group. Sogenannte „Share Deals“ haben verhindert, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht hätte ausüben können. Im Grunde ist es eine Wertsteigerung, die nur durch den Weiterverkauf auf dem Papier stattfindet. Insbesondere im Fall der Adler Group hat das System. In Hamburg haben sie insgesamt fünf solcher Projekte.
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Welche sind das?
Bruns: Das „Neue Korallusviertel“ in Wilhelmsburg, das Neuländer Quarré, die New-York Hamburger Gummi-Waaren Fabrik in Harburg und das Gelände am Billwerder Neuen Deich in Entenwerder. Da tut sich überall seit Jahren nichts.
Bezirksamtschefin Stefanie von Berg sagte am Donnerstag in der Bezirksversammlung: „Wir brauchen diesen städtebaulichen Vertrag dringend.“ Ansonsten stehe man am Ende mit leeren Händen da, weil der Investor es womöglich wieder weiterverkauft. Was sagen sie dazu?
Bruns: Es ist nicht gewährleistet, dass tatsächlich gebaut wird, wenn der Vertrag unterzeichnet ist. Das Erste, was passieren wird, ist eine weitere Wertsteigerung durch den Vertrag. Das Gelände könnte wieder gewinnbringend verkauft werden. Zwar gibt es in dem Fall Vertragsstrafen, aber wir meinen, die sind vom Investor einberechnet. Es ist ein Wahnsinn, das Quartier einem rein renditeorientierten Investor zu überlassen.
Wenn endlich gebaut werden sollte, rechnen sie mit einem Luxusviertel. Warum?
Bruns: Es wird aufgrund des Renditendrucks schon davon gesprochen, dass im frei finanzierten Wohnungsmarkt Mieten von 23 Euro pro Quadratmeter netto kalt zu erwarten sind. Plus der durchschnittlichen Betriebskosten von 3,10 Euro in Hamburg wären das für 65 Quadratmeter rund 1700 Euro warm. Das wird ein reines Luxusquartier.
Was sind Ihre Forderungen, um das zu verhindern?
Bruns: Unsere Forderung ist ein Moratorium für das Holsten-Areal und die Kommunalisierung des Geländes. Der Wohnungsbau sollte wieder stärker Genossenschaften und kommunalen Unternehmen überlassen werden, die nicht nur an Profitmaximierung interessiert sind.
Würde ein Moratorium nicht nur die aktuelle Spirale aus Verkäufen verlängern und das Gelände weiter brach liegen lassen?
Bruns: Das würde wohl tatsächlich ein paar Jahre dauern. Aber dort entsteht ein Stadtteil für ein Jahrhundert, dann kann der Bezirk lieber noch zwei bis drei Jahre warten. Man kann sich nicht in diese Haltung der Hilflosigkeit flüchten, wie das Stefanie von Berg ständig macht. Unser Eindruck ist, dass der Bezirk aus dieser Nummer nur noch irgendwie herauswill. Aber sehenden Auges in die Katastrophe zu rennen, das kann niemals das kleinere Übel sein.