Hamburger Bestseller-Autorin: „Es gibt keine glücklichen Ehen!“
„Vielleicht gibt es glückliche Kühe – aber keine glücklichen Ehen“: Die Hamburger Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy ist überzeugt, dass Frauen und Männer nicht automatisch gut harmonieren, nur weil sie sich paaren. Warum das so ist, beschreibt sie in ihrem neuen Buch.
Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Vermutlich, sagt Ildikó von Kürthy. „Die klassische Ehe, die ewig halten soll, ist ein Lebensmodell von vielen und kein, wie man an den Scheidungsquoten sehen kann, besonders erfolgversprechendes“, so die Hamburger Bestseller-Autorin. „Vielleicht müssen wir andere Formen des Zusammen- oder Getrenntlebens mit in unser Denken aufnehmen.“
Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Was passiert in den Wechseljahren? Antworten auf diese Fragen gibt die Hamburger Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy in ihrem neuen Roman „Morgen kann kommen“, der am Dienstag erschienen ist. Im Interview spricht die 54-Jährige über Selbstzweifel, das Streben nach Glück und warum das Leben auch völlig in Ordnung ist, wenn es schlecht läuft.
Eine der Protagonistinnen Ihres neuen Romans ist Ruth. Die 50-Jährige steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben und überlegt, ob sie ihren Ehemann verlassen soll. Mit über 50 noch mal neu anfangen. Geht das?
Ildikó von Kürthy: Ja. Ein Neuanfang geht zu jeder Jahreszeit des Lebens. Meine Protagonistin tut das allerdings nicht ganz freiwillig. Aber letztlich überfällig. Und eigentlich muss sie dem Schicksal dankbar sein, dass es sie in eine Veränderung und Entwicklung hinein schubst, die sie aus eigenem Antrieb nicht geschafft hätte.
Die Frauen in Ihren Romanen leben oft in Beziehungen, die nicht gut für sie sind. Warum machen das so viele Frauen? Trauen sie sich nicht, ihre Männer zu verlassen?
Die Heldin meines ersten Romans wartete noch auf den Anruf des Richtigen. Die jetzige befreit sich vom Falschen. So ändern sich die Zeiten. Ich habe einen Befreiungsroman geschrieben, weil ich den Eindruck habe – und die Biologie gibt mir erfreulicherweise recht – dass Frauen in der Lebensmitte eine neue Form von Energie haben. Sie ziehen Bilanz und nehmen Abschied von dem, woraus sie hinausgewachsen sind. Das können Beziehungen sein, Normvorstellungen, überholte Ansprüche, das kann aber auch der Job sein, und es ist die Mutterrolle, von der wir uns lösen müssen.

Da spielen auch die Wechseljahre eine Rolle. Es ist ja bei jeder Frau so, dass die Hormone Östrogen und Progesteron sich einfach vom Acker machen. Das sind die Nestbau- und Kümmer-Hormone. Und dann fragen Frauen eben nicht mehr: „Schatz, was soll ich heute Abend kochen?“ Sondern: „Worauf habe ich Hunger?“ Das kommt beim Umfeld nicht immer gut an. Was geschieht, ist im Grunde genommen eine Rückabwicklung: Bei der Pubertät schießt das Östrogen ein, und man fragt sich, wie man anderen gefällt. In den Wechseljahren fragt man sich endlich, wie man sich selbst gefällt.
Gloria ist das Gegenteil von ihrer Schwester Ruth. Sie ist alleinerziehende Mutter, die lieber ohne Mann lebt. Von Freundinnen wird sie darum beneidet. Glauben Sie, das ist das bessere Modell?
Gloria lebt zwar ohne Mann, aber in einem Haus der Freundschaft. Und das kann eben auch ein guter Lebensentwurf sein. Die klassische Ehe, die ewig halten soll, ist ein Lebensmodell von vielen und kein, wie man an den Scheidungsquoten sehen kann, besonders erfolgversprechendes. Vielleicht müssen wir andere Formen des Zusammen- oder Getrenntlebens mit in unser Denken aufnehmen. Es ist ein Grundirrtum, zu glauben, Männer und Frauen würden automatisch gut zusammenleben können und müssen, nur weil sie sich paaren können. Und Gloria lebt anders, als es überholte Normen vorschreiben: getrennt, alleinerziehend mit einer Freundesfamilie. Das ist doch auch mal ein alternatives, gutes Lebensmodell.
Andersherum gefragt: Glauben Sie, dass es keine glücklichen Ehen gibt?
Es gibt keine glücklichen Ehen, genauso wenig, wie es glückliche Menschen gibt. Vielleicht gibt es glückliche Kühe, aber auch das bezweifle ich. Es gibt nur Menschen, die ihr Leben leben mit den Höhen und Tiefen, die jedes Leben nun mal bereithält. Glück ist für mich kein Maßstab. Das Leben ist auch völlig in Ordnung, wenn es schlecht läuft. Das gehört dazu, und je mehr man das akzeptiert, desto besser lebt es sich. Dieses Glücksstreben, das ständige Ausblenden wollen von Angst und Schmerz, macht einem so viel unnötigen Stress. Die Annahme, ein gelungenes Leben sei ein Leben ohne Unglück, ist einfach falsch. Glück entsteht nur durch sein Gegenteil.
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Warum haben Frauen – im Gegensatz zu Männern – oft so viele Selbstzweifel?
Da kommt einiges zusammen. Meine Generation ist noch von patriarchalen Strukturen geprägt, in der die starken weiblichen Vorbilder fehlten. Meine Helden hießen Batman, Superman, Bruce Wayne und Bruce Willis. Meine Prägungen entsprechen nicht meinen heutigen Überzeugungen. Das verunsichert. Dazu kommt, dass Mädchen früher dazu angehalten wurden, zurückhaltend und gefällig zu sein, um zu reüssieren. Dann das heikle Thema Aussehen und Schönheit, diese absurden Normvorstellungen, die so viele ins Unglück stürzen! Und dann gibt es bei Frauen einen ausgeprägteren Hang zu Reflexion und Selbstzweifeln. Damit meine ich nicht mangelndes Selbstbewusstsein, ganz im Gegenteil, ich spreche vom Zweifel als treibende Kraft für Weiterentwicklung.
In einem Ihrer Podcasts „Frauenstimmen“ machen Sie sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens, bzw. stellen fest, dass es neuen Sinn braucht, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Macht sich bei Ihnen schon das „Empty Nest“-Gefühl breit?
Ja, ich fürchte das leere Nest und genieße jeden Tag, an dem das Nest noch voll ist, wenn das Haus voller lärmender Jugendlicher ist oder ich morgens die Schulbrote mache. Wenn ich abends noch mal durch die Zimmer gehe und meine schlafenden Söhne küsse, geht immer die Wehmut neben mir her. Und ich weiß, diese Tage sind gezählt. Und da könnte ich auf der Stelle losheulen, weil ich das so liebe, dieses gefüllte, gut gefüllte Nest. Aber auch das ist ein Abschied, den ich jetzt schon anfange zu gestalten. Damit er mich eben nicht in einem leeren Nest verzweifelt zurücklässt, sondern erfüllt mit anderen Aufgaben. Mit einer Ehe, die dann auch ohne Kinder gut ist. Mit einem Beruf, in dem ich mich weiterentwickeln kann, mit Freundschaften, die ich dann wieder intensivieren kann, mit Interessen, für die neue Räume entstehen.
Zur Person: Ildikó von Kürthy wurde 1968 in Aachen geboren. Nach dem Abitur besuchte sie die „Henri-Nannen-Schule“ in Hamburg und arbeitete bei der „Brigitte“ und beim „Stern“. Ihre Bücher wurden mehr als sieben Millionen Mal gekauft und in 21 Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Hamburg.