Lügen macht alles schlimmer: Die Angst der Ungeimpften vor schlechterer Behandlung
Geimpft oder ungeimpft? Den Kliniken ist der Impfstatus im Grunde nicht wichtig, denn alle werden gleich behandelt. Doch was ist, wenn Patient:innen falsche Angaben machen und ihren Status als Geimpfte vortäuschen? Aus Angst, sonst schlechter behandelt zu werden. Das passiert immer wieder – und macht alles noch schlimmer. Denn genau dieses Vortäuschen einer Impfung führt dazu, dass ungeimpfte Covid-Kranke falsch behandelt werden, erklärt ein Harburger Lungenarzt der MOPO. Und auch ein weiteres Betrugsphänomen macht ihm zunehmend Sorgen.
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Geimpft oder ungeimpft? Den Kliniken ist der Impfstatus im Grunde nicht wichtig, denn alle werden gleich behandelt. Doch was ist, wenn Patient:innen falsche Angaben machen und ihren Status als Geimpfte vortäuschen? Aus Angst, sonst schlechter behandelt zu werden. Das passiert immer wieder – und macht alles noch schlimmer. Denn genau dieses Vortäuschen einer Impfung führt dazu, dass ungeimpfte Covid-Kranke falsch behandelt werden, erklärt ein Harburger Lungenarzt der MOPO. Und auch ein weiteres Betrugsphänomen macht ihm zunehmend Sorgen.
„Viele fürchten, dass wir sie wie Menschen zweiter Klasse behandeln, wenn sie ungeimpft sind. Das stimmt aber nicht“, berichtet Chefarzt Dr. Gunther Wiest im Gespräch mit der MOPO. Er ist Lungenfacharzt in der Asklepios-Klinik Harburg und sieht jeden Tag auf der Intensivstation und den beiden Covid-19-Normalstationen, wie Patient:innen mit Covid-19 kämpfen. Etwa neun von zehn seiner Covid-Patient:innen auf der Intensivstation sind nicht – oder in einem Fall unvollständig – geimpft.
Da 90 Prozent der Erwachsenen in Hamburg eine Grundimmunisierung haben, bedeutet das: Die übrigen zehn Prozent der Ungeimpften machen fast alle Covid-Intensivpatienten aus. Ein deutlicher Beleg, wie gut die Impfungen trotz der vielen Impfdurchbrüche schützen.
Vorgetäuschte Impfung hat Folgen für die Behandlung
„Alle – ungeimpft oder geimpft – werden gleich und mit demselben Respekt behandelt“, betont Wiest. „Aber wer eine Impfung vortäuscht, könnte nicht richtig behandelt werden.“
So werden ungeimpfte Covid-Patient:innen zum Beispiel häufig zunächst mit Antikörpern gegen Corona behandelt. Ohne Impfung fehlen ihnen nämlich die entsprechenden Antikörper. Täuschen Patienten eine Impfung vor, entgeht ihnen also die bestmögliche Behandlung. „Auch das Medikament ‚Paxlovid‘, das bald zur initialen Behandlung von schweren Covid-Fällen eingesetzt werden kann, würde bevorzugt Ungeimpften verabreicht werden“, so Wiest.
Corona auf der Intensivstation: mehr Ungeimpfte als Geimpfte
Doch auch Geimpfte können schwer an Covid erkranken und müssen invasiv beatmet werden. Wiest sieht dieses Phänomen in einer speziellen Gruppe: „Die meisten der Geimpften bei uns auf der Intensivstation waren älter, hatten Vorerkrankungen, und eine längst fällige Boosterung fehlte.“
Seine Erfahrungen und Beobachtungen auf der Intensivstation decken sich auch mit einem der jüngsten Berichte des Robert-Koch-Institus (RKI), das nun Inzidenzen nach Impfstatus der symptomatischen und hospitalisierten Covid-Erkrankten veröffentlicht. So lag die bundesweite Inzidenz in der letzte Kalenderwoche 2021 unter den hospitalisierten Fällen über 60 mit Grundimmunisierung – also diejenigen mit zwei Impfdosen bzw. einer Impfdosis des Johnson & Johnson-Impfstoffs – bei 4,4. Bei den Ungeimpften in derselben Altersgruppe lag die Inzidenz bei 29,3.
Die Corona-Impfung verhindert schwere Verläufe
„Wir sehen uns leider auch immer häufiger mit gefälschten Impfpässen konfrontiert“, sagt Dr. Wiest: „Ein großes Problem ist es auch, wenn Ungeimpfte mit gefälschtem Impfpass Angehörige im Krankenhaus besuchen wollen.“ Sie setzten sich und die Patient:innen einem hohen und vor allem überflüssigen Risiko aus. „Mittlerweile verlassen wir uns nicht mehr auf das gesprochene Wort. Wir müssen einen echten Impfnachweis sehen und wir sehen nun sehr genau hin“, berichtet Wiest.
Der Arzt erlebt auch immer wieder, wie sich die Einstellung Ungeimpfter ändert: „Wenn jemand schwer erkrankt war und etwa eine Beatmung überlebt hat, dann ändert sich die Einstellung zur Impfung. Sie sind dann meist keine Impfgegner mehr. Vor allem nach wirklich schweren Verläufen.“
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Die Daten des RKI zeigen klar: Die Impfung schützt zwar nicht immer vor einer Infektion, doch sie schützt gut vor schweren Verläufen und führt damit zu einer geringeren Auslastung der Intensivbetten, erklärt Wiest. Und fügt hinzu: „Wir würden uns wünschen, dass alle Menschen sich impfen lassen. Wer von seinem Recht Gebrauch macht, es nicht zu tun, sollte dies dann wahrheitsgemäß angeben, damit wir ihn korrekt behandeln können“.