Er nimmt alles, was er kriegen kann: Hamburgs superdreister Tinder-Schwindler
Liebe, Vertrauen, Geld – wer Sebastian de H. (39) in sein Leben lässt, hat gute Chancen, alles zu verlieren. Mit perfiden Tricks legte er reihenweise Frauen rein. Der Mann aus reichem Hause ist Wiederholungstäter, kein Urteil konnte ihn bislang zähmen. Am Dienstag stand er wieder vor Gericht. Selbst für seinen Verteidiger war es „einer der schrägsten Fälle, die ich je verhandeln durfte“.
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Liebe, Vertrauen, Geld – wer Sebastian de H. (39) in sein Leben lässt, hat gute Chancen, alles zu verlieren. Mit perfiden Tricks legte er reihenweise Frauen rein. Der Mann aus reichem Hause ist Wiederholungstäter, kein Urteil konnte ihn bislang zähmen. Am Dienstag stand er wieder vor Gericht. Selbst für seinen Verteidiger war es „einer der schrägsten Fälle, die ich je verhandeln durfte“.
Wer einen notorischen Hochstapler und Liebesschwindler beschreiben müsste, würde wohl nie auf den Angeklagten kommen. Sebastian de H., ein gut genährter Typ mit grünem „Gant“-Pulli und Brille, ist weder ein Sunnyboy noch herausragend eloquent oder gewitzt. Auffallend ist jedoch, wie höflich und entgegenkommend er jede Frage beantwortet. Er hört ruhig zu, als die Staatsanwältin die nicht enden wollende Liste der Vorwürfe vorträgt.
Hamburg: Tinder-Schwindler hat Frauen um Geld betrogen
Dem Angeklagten wird gewerbsmäßiger Betrug in einer Vielzahl von Fällen vorgeworfen. Über die Dating-App Tinder lernte er Frauen kennen und spielte ihnen Liebe vor. Im Namen dieser Freundinnen soll er zwischen dem 30. März 2016 und dem 10. Mai 2018 unter anderem mehrere iPhones, eine Reise nach Paris für zwei Personen, Herrenbekleidung und ein iPad gekauft haben. Die Postboten mit seinen Bestellungen fing er teilweise vor der Tür ab. Insgesamt bestellte er auf Kosten der Frauen Waren im Wert von rund 5800 Euro, heißt es in der Anklage.
Außerdem soll er sich von dem Bruder einer seiner damaligen Freundinnen insgesamt 2000 Euro geliehen haben, ohne die Absicht, es je zurückzuzahlen. 19.000 Euro nahm er als Privatdarlehen auf. Sebastian de H. wickelte bei Ebay Geschäfte ab, wobei er das Geld der Käufer einkassierte, ohne den gekauften Gegenstand zu verschicken. Den Geburtstag seiner Freundin feierte er in einem Hamburger Hotel, wo er acht Doppelzimmer und drei Einzelzimmer buchte – auf Rechnung seines früheren Arbeitgebers. Insgesamt entstand ein Schaden von 50.178 Euro.
Hamburger Tinder-Schwindler mehrfach vorbestraft
Doch er ist nicht nur wegen gewerbsmäßigen Betruges, sondern auch wegen Diebstahls angeklagt: Dreimal habe er in die Kasse einer Tankstelle, wo er als Aushilfe arbeitete, gelangt und jeweils 500 Euro geklaut.
„Was mir vorgeworfen wird, trifft zu“, sagt der Angeklagte ohne Umschweife. „Das ist alles komplett auf meinem Mist gewachsen.“ Warum er das getan hat? „Finanziell sah es ziemlich düster bei mir aus.“
Dabei stand er lange auf der Sonnenseite des Lebens: Sebastian de H. kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus, macht eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation, studiert Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie. Doch ab 2005 gerät die finanzielle Lage seiner Eltern, beide selbstständig und Inhaber eines Restaurants, ins Wanken. Erkrankungen und Sucht verschlimmern die Situation der Familie. Er selbst habe die „Fassade aufrecht erhalten wollen“, sagt der Angeklagte.
Angeklagter kommt aus reichem Elternhaus
„Kann man flapsig sagen, über den Durst gelebt?“, fragt der Richter. Das könne man sagen, erwidert Sebastian de H., doch es sei mehr als das: „Ich habe Vertrauen missbraucht, was ich sehr bereue.“ Der 39-Jährige wurde bereits mehrfach wegen Betruges zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Seit 2018 sitzt er in Haft, mittlerweile in der JVA Fuhlsbüttel. Dort arbeitet er als Fahrer im Garten- und Landschaftsbau, hat seine Privatinsolvenz eingeleitet und arbeitet seine Taten auf. Er hat Schulden in Höhe von 100.000 Euro.
„Es ist einer der schrägsten Fälle, die ich verhandeln durfte“, sagt der Verteidiger – auch, weil der heutige Prozess mit einer Verzögerung von ungefähr drei Jahren stattfindet. Das kommt dem Angeklagten bei der Urteilsverkündung zu Gute, wie auch sein vollumfängliches Geständnis. Strafverschärfend ist jedoch, dass er bereits einschlägig vorbestraft ist, die Urteile anscheinend keinerlei Wirkung zeigten und er bei Privatpersonen hohen Schaden verursachte, so der Richter.
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Sebastian de H. wird wegen gewerbsmäßigen Betruges in 18 Fällen, versuchten Betruges in einem Fall und dreifachen gewerbsmäßigen Diebstahls zu zwei Jahren Haft verurteilt. Fünf Monate davon sollen aufgrund der Prozess-Verzögerung als bereits vollstreckt gelten. Der Angeklagte verbüßt derzeit eine Haftstrafe bis 2025. Mit dem neuen Urteil wird er insgesamt knapp neun Jahre im Gefängnis verbringen.