Er erhält Morddrohungen, weil er ein schärferes Waffenrecht fordert
Er spricht von „Sportmordwaffen“ und weist darauf hin, dass seit 1990 rund 300 Menschen getötet wurden mit Pistolen und Gewehren, die Sportschützen ganz legal erworben hatten. Roman Grafe (54), Sprecher der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“, fordert deshalb ein schärferes Waffenrecht. Schon seit 2009 tritt er vehement dafür ein – was ihm schon einige Morddrohungen eingebracht hat. Im MOPO-Interview beklagt der Journalist aus Frankfurt/Main, dass sich die Politik von der Waffenlobby am Gängelband herumführen lässt.
Er spricht von „Sportmordwaffen“ und weist darauf hin, dass seit 1990 rund 300 Menschen getötet wurden mit Pistolen und Gewehren, die Sportschützen ganz legal erworben hatten. Roman Grafe (54), Sprecher der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“, fordert deshalb ein schärferes Waffenrecht. Seit 2009 tritt er vehement dafür ein – was ihm schon einige Morddrohungen eingebracht hat. Im MOPO-Interview beklagt der Journalist aus Frankfurt/Main, dass sich die Politik von der Waffenlobby am Gängelband herumführen lässt.
MOPO: Es wird häufig behauptet, Deutschland habe bereits eins der härtesten Waffenrechte überhaupt. Was sagen Sie dazu?
Roman Grafe: Manche Leute haben eben keine Scham, das Gegenteil der Wahrheit zu behaupten. Wie hart ist ein Waffenrecht, das es ermöglicht, dass sich grundsätzlich jeder Volljährige als sogenannter Sportschütze eine Pumpgun kaufen kann oder andere Totmacher und damit anderen Leuten das Leben aus dem Körper schießen kann? So wie die Amokläufer von Erfurt, Winnenden und Hanau. Und nun auch in Hamburg, wo ein Embryo im Mutterbauch erschossen wurde. Ja, wo leben wir denn?

Mehr als 300 Menschen sind nach Ihren Angaben seit 1990 mit Sportwaffen getötet worden. Wie erklären Sie sich, dass sich die Politik so schwer tut, das Waffenrecht zu verschärfen? Wer mauert da?
Die Lobby ist nur so stark, wie Politiker schwach sind. Und die sind nur so schwach, wie es ihnen ihre Wähler erlauben. Bisher haben die verantwortlichen Politiker von der Schützen-Lobby deutlich mehr Druck bekommen als von Bürgern, die einen ausreichenden Schutz vor Sportschützen-Morden fordern. Der Schlüssel zur wirksamen Verschärfung des Waffengesetzes liegt im Bundestag. Dort haben selbst nach den Amokläufen in Erfurt, Winnenden und Hanau die Regierungsparteien CDU/CSU, SPD und FDP ein Verbot tödlicher Sportwaffen abgelehnt und die Bürger mit Pseudo-Verschärfungen beruhigt. Änderungen, die nicht geeignet waren, weitere Gewalttaten von Sportschützen zu verhindern. Die Liste der verkappten Schützen-Lobbyisten im Deutschen Bundestag ist lang: Nach dem Winnender Schulmassaker 2009 hießen sie Wolfgang Schäuble (CDU) und Reinhard Grindel (CDU), Sebastian Edathy (SPD) und Gabriele Fograscher (SPD) oder Hartfrid Wolff (FDP). Davor und danach hatten sie andere Namen. Bis hin zum Bayerischen Innenminister und Sportschützen Joachim Herrmann (CSU), der sich freiweg „Schützenminister“ nennt.

Glauben Sie, dass der Amoklauf von Hamburg die Politik zum Umdenken bringen wird? Äußerungen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) deuten doch daraufhin, oder?
Die derzeitige Innenministerin verteilt wie schon ihre Vorgänger Beruhigungspillen fürs Volk: Sie wolle „schauen“, ob es noch Lücken im Waffengesetz gebe. Dabei ist dieses Gesetz ein riesiges Schlupfloch für Leute, die gern legal an scharfe Waffen kommen wollen, darunter eben immer wieder auch Mörder. Die Innenministerin schlägt vor, beim Antrag auf eine Waffenerlaubnis einmalig zu überprüfen, ob jemand psychologisch geeignet ist. Dazu solle es ein ärztliches Attest geben. Dabei ist es kriminologisch und medizinisch international anerkannter Forschungsstand, dass sich eine mögliche Tatgeneigtheit vorab nicht ausreichend sicher diagnostizieren lässt. Beim Sportschützen-Schulmassaker im finnischen Kauhajoki 2008 (zehn Tote) war der Täter noch tags zuvor in der Polizeidienststelle vernommen worden, weil er verdächtig wurde, einen Amoklauf zu planen. Man ließ ihn wieder gehen, nachdem er versichert hatte, nichts Böses zu planen… Die meisten Sportschützen-Mörder hätten psychologische Befragungen problemlos durchlaufen. In der Sportschützen-Opferliste auf unserer Homepage sportmordwaffen.de findet man eine Reihe junger Täter, die entsprechende Atteste vorlegen mussten – ohne aufgehalten worden zu sein.
Welche Rolle spielt die FDP?
Die FDP stellt sich traditionell quer, wenn auch diesmal nicht mehr ganz so schamlos wie in der Vergangenheit. Und die Grünen meinen offensichtlich, das in ihrem Grundsatz-Programm 2020 beschlossene Verbot tödlicher Sportwaffen gegen die SPD und die FDP sowieso nicht durchsetzen zu können. So wird es absehbar wieder bei den üblichen Pseudo-Verschärfungen bleiben.

Wenn Sie es entscheiden könnten: Wie würde unser künftiges Waffenrecht aussehen? Müssten alle Schützenvereine schließen? Und wären schärfere Gesetze das Ende des olympischen Schießsports?
Keine Mordwaffen als Sportwaffen! Mehr ist nicht zu sagen. Dass man es überhaupt sagen muss, ist dumm genug. Schon heute trainieren Tausende Sportschützen mit Druckluftwaffen und Lichtpunktgeräten. Selbst die olympischen Fünfkämpfer.
Ein Gegenargument lautet: Man darf nicht Millionen gesetzestreue Waffenbesitzer durch schärfere Gesetze dafür bestrafen, dass einige wenige schwarze Schafe Waffen missbrauchen. Was erwidern Sie?
Ist es eine Strafe, dass schon heute Schießsport mit Dauerfeuer verboten ist, nicht nur in Deutschland? Dass Zielwerfen mit scharfen Handgranaten kein zugelassener Sport ist? Ebenso wie Schützenpanzerwagenfahren für Jedermann durch Städte und Dörfer? Das sind keine Strafen, es sind sinnvolle Einschränkungen der persönlichen Freiheit zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit. Der Rest ist Propaganda und Larmoyanz auf Kosten weiterer Opfer.

Gibt es irgendwo in der Welt Beispiele dafür, dass ein verschärftes Waffenrecht dazu führt, dass weniger Menschen zu Tode kommen?
Ja, zum Beispiel in Großbritannien oder auch in Japan, wo tödliche Privatwaffen weitgehend verboten sind. Die Zahlen dazu finden sich auch auf unserer Homepage www.sportmordwaffen.de.
Viele Amokläufer – wohl auch der von Hamburg – waren psychisch auffällig. Glauben Sie, dass solche Menschen durch ein Waffengesetz zu stoppen sind? Werden sie nicht sowieso irgendwie an eine Waffe kommen?
Die meisten Sportschützen-Mörder sind vor der Tat nicht psychisch auffällig. Ob die Amokläufer von Erfurt, Winnenden, Hanau und Hamburg auch an eine illegale Waffe gekommen wären, bleibt eine hypothetische Frage. Eine andere Frage ist, ob die Gesellschaft weiterhin tolerieren will, dass man millionenfach legal tödliche Waffen in Deutschland verteilt.
Die Waffenlobby argumentiert: Wer Legalwaffen verbietet, müsste auch Autos, Küchenmesser u. ä. verbieten, denn auch damit kann man morden. Was sagen Sie dazu?
Autos sind zum Fahren gemacht, Küchenmesser zum Schneiden, tödliche Schusswaffen zum Verletzen und Erschiessen. Es wäre zudem schwerer, auf alle Autos zu verzichten, weil sie möglicherweise als Waffe missbraucht werden könnten. Es wäre noch schwerer, aus dem gleichen Grund auf alle Küchenmesser zu verzichten. Leicht ist es, auf tödliche Sportwaffen zu verzichten.