Energiewende: „Es war noch nie so schwierig ein Windrad aufzustellen, wie heute“
67 Windräder drehen sich zur Zeit in Hamburg. Der Senat sucht allerdings händeringend nach neuen Flächen, um die Anzahl zukünftig zu verdoppeln. Wie kann das klappen? Die MOPO hat mit Windenergieanlagen-Betreiber Jens Heidorn darüber gesprochen, wo es noch Platz dafür gibt, warum es noch nie so schwierig war wie jetzt, ein Windrad zu beantragen, und warum er Naturschutzgebiete als Standort kategorisch ausschließt.
67 Windräder drehen sich zur Zeit in Hamburg. Der Senat sucht allerdings händeringend nach neuen Flächen, um die Anzahl zukünftig zu verdoppeln. Wie kann das klappen? Die MOPO hat mit Windenergieanlagen-Betreiber Jens Heidorn darüber gesprochen, wo es noch Platz dafür gibt, warum es noch nie so schwierig war wie jetzt, ein Windrad zu beantragen, und warum er Naturschutzgebiete als Standort kategorisch ausschließt.
Es regnet und stürmt, als Jens Heidorn einen kurzen Abstecher zu den fünf Windrädern im Park Curslack macht. Ideale Bedingungen für die grauen Anlagen, die verteilt auf der grünen Wiese stehen und nur darauf warten, eingesetzt zu werden. „Die letzten fünf Jahre hat die Politik in Bezug auf die Windenergie wirklich gepennt“, zieht er ein bitteres Fazit. „Deshalb müssen wir jetzt Gas geben.“
Deshalb müssen jetzt viel mehr Windräder gebaut werden
Seit dem 1. Februar gilt das von der Bundesregierung verabschiedete „Wind-an-Land-Gesetz“. Das besagt, dass jedes Bundesland zwei Prozent der Fläche für Windkraft zur Verfügung stellen muss. Stadtstaaten, wie Hamburg, sind davon ausgenommen – für sie gilt ein 0,5-Prozent-Ziel. Bis Ende 2027 muss die Hälfte davon realisiert sein und bis 2032 die gesamte Fläche.
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Heidorn kann darüber nur den Kopf schütteln. „Wenn Hamburg, wie stets verkündet, Windhauptstadt sein will, muss das 0,5-Prozent-Ziel spätestens Ende 2027 erreicht werden“, fordert er. Der Ansicht sind auch die Hamburger Grünen, die am Samstag (25. Februar) einen Antrag auf der Landesmitgliederversammlung einreichen, der genau das fordert. „Wir alle wissen, dass die Zeit massiv drängt und wir die erneuerbaren Energien noch schneller und ambitionierter ausbauen müssen“, sagt Grünen-Vize Leon Alam zur MOPO.
Die 67 bestehenden Hamburger Windräder nehmen derzeit etwa 0,24 Prozent der Stadtfläche ein – also ist die Hälfte des Ziels bereits geschafft? „Nein“, weiß Heidorn. Diese könnten aufgrund der Hamburger Flächen- und Höhenbegrenzungen nicht angerechnet werden. „Nach den neuen Vorgaben bleiben ein paar Gebiete im Hafen übrig und wir landen bei circa 0,02 Prozent.“
So viel Fläche nehmen die Windräder in Hamburg schon ein
Was muss also passieren? „Der Flächennutzungsplan muss geändert werden“, fordert er. Dieser weist aus, wo Anlagen in Hamburg gebaut werden dürfen. Die Gebiete befinden sich aktuell unter anderem in Ochsenwerder, Curslack, Altengamme, Neuengamme, Georgswerder und Francop. „Die Windräder dürfen aber immer nur innerhalb einzelner Streifen aufgestellt werden“, erklärt Heidorn und zeigt auf die Karte. Um das Ziel zu erreichen, müssten die Anlagen auch an den äußeren Grenzen der Flächen stehen dürfen.
„Letztlich ist es logisch, dass ich in Eimsbüttel keine Anlagen hinstellen kann“, sagt er und lacht ein bisschen bei der Vorstellung. „Die Flächen, die dafür in Frage kommen, befinden sich primär in Bergedorf und Harburg.“ Seiner Einschätzung nach könnten in Hamburg noch maximal 20 neue Anlagen plus 10 bis 15 im Hafen aufgebaut werden. Dazu kommen die alten Anlagen, die „repowert“, also leistungsstärker, gemacht werden.
Könnten Windräder sich auch in Naturschutzgebieten drehen?
Von der von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ins Spiel gebrachten Idee, Windräder auch in Naturschutzgebieten zu errichten, hält Heidorn wiederum gar nichts. „Es ist klar, dass dann dagegen geklagt wird“, prophezeit er. „Wir brauchen die Naturschutzgebiete auch gar nicht für unser Ziel.“
Mit Klagen kennt sich der Windanlagen-Betreiber schließlich aus. „Fast alle Hamburger Windprojekte wurden nach der Genehmigung nochmal bis in die letzte Instanz beklagt, darunter Altengamme, Neuengamme, Curslack und Francop“, erzählt er. „Alle Klagen wurden bisher abgewiesen, in Neuengamme läuft das Verfahren immer noch seit 2016. Die Windräder stehen zwar und drehen sich, aber das schwebt wie ein Damokles-Schwert über einem.“
Genehmigung für Windräder dauert derzeit viele Jahre
Und auch vor der Genehmigung wird es nicht einfacher: „Es ist noch nie so schwierig gewesen, ein Windrad aufzustellen, wie heute“, sagt Heidorn. Seit 1991 haben er und sein Geschäftspartner über 40 Anlagen geplant und realisiert, darunter auch für andere Betreiber. „Ich brauche unter anderem ein Vogelgutachten, ein Fledermausgutachen, einen Landschaftspflegerischen Begleitplan, Gutachten für Weichtiere, Schattengutachten, Schallgutachten, Turbulenzengutachten, Ertragsgutachten und viele mehr“, zählt er auf. Dafür sei er auf externe Hilfe angewiesen. Ein Antrag alleine würde so zwischen 100.000 und 200.000 Euro kosten.
Er erhofft sich, dass die Genehmigung selbst irgendwann einmal nur sechs Monate dauert. Das neueste Windrad, das gerade an der Dradenau im Hafen aufgebaut wird, hat drei Jahre gebraucht. Es ist die erste erfolgreiche Genehmigung seit 2016. „Das ist doch kein Zustand!“, beklagt er.