„Ich bin ja nicht krank“: Wie Transmann Emil (17) aus Hamburg zu sich selbst fand
Emil war 14, als er feststellte, dass er kein Mädchen ist. Inzwischen ist Emil 17, spielt E-Gitarre in einer Band, liebt den FC St. Pauli und bezeichnet sich selbst als „femininen Transmann.“ Oder auch als „glamourösen Clown“ – ein junger Mensch, der sich Stereotypen einfach mal verweigert. Die MOPO traf einen ganz besonderen Hamburger.
Das mit dem Fußball, das war schon immer so. FC St. Pauli, natürlich, wenn man nur einen kurzen Fußweg vom Millerntorstadion entfernt aufwächst. Schon als Kind, als kleines Mädchen, kickte Emil gerne mit den Jungs, ohne sich groß darüber Gedanken zu machen. Pinkes Zeug und Prinzessinnen fand er auch gut („So bis sieben oder acht war ich volle Kanne Mädchen“).
Emil war 14, als er feststellte, dass er kein Mädchen ist. Inzwischen ist Emil 17, spielt E-Gitarre in einer Band, liebt den FC St. Pauli und bezeichnet sich selbst als „femininen Transmann.“ Oder auch als „glamourösen Clown“ – ein junger Mensch, der sich Stereotypen einfach mal verweigert. Die MOPO traf einen ganz besonderen Hamburger.
Das mit dem Fußball, das war schon immer so. FC St. Pauli, natürlich, wenn man nur einen kurzen Fußweg vom Millerntorstadion entfernt aufwächst. Schon als Kind, als kleines Mädchen, kickte Emil gerne mit den Jungs, ohne sich groß darüber Gedanken zu machen. Pinkes Zeug und Prinzessinnen fand er auch gut („So bis sieben oder acht war ich volle Kanne Mädchen“).
„Ich wusste, dass ich queer bin, aber was genau, war mir nicht klar“
Mit 14 Jahren begann das, was Emil „den Prozess der Selbstfindung“ nennt: „Ich wusste, dass ich queer bin, aber was genau, war mir nicht klar. Vielleicht bin ich non-binär, dachte ich. Irgendwann wusste ich dann aber, dass ich ein femininer Transmann bin.“ Das war im Sommer 2019. Seitdem ist Emil Emil. Wie er auf den Namen kam? Lachen: „Keine Ahnung. Im Nachhinein denke ich, ich hätte auch einen anderen Namen wählen können, so viele Emils, wie es gibt.“
Die ersten, die es erfuhren, war die damalige Freundinnen-Clique: „Die sind immer noch meine Freundinnen.“ Überhaupt gab es überraschend wenig Probleme mit den Gleichaltrigen: „Ich habe echt Glück, viele in meinem Freundeskreis sind selbst queer.“
Junge Transpersonen und ihre Eltern
Die Eltern waren die letzten, mit denen Emil sprach: „Ich hatte Angst, dass ich mich groß erklären muss, aber das war gar nicht so. Es war eine große Erleichterung.“ Seine Eltern, lobt Emil, hätten alles richtig gemacht, auch, indem sie ihre Verwirrung über sein Outing mit anderen Erwachsenen besprachen und nicht mit ihm. „Als Kind hat man in so einer Situation schon mit sich selbst genug zu tun, da braucht man nicht noch Schuldgefühle.“

Und dann erzählt er von seinem Geburtstagsgeschenk zum 17.: „Ich habe einen Kalender bekommen, mit Bildern von allen meinen Freund:innen und Verwandten, die ein Schild hielten ,You’ll never walk alone, Emil‘. Das hatte meine Mutter organisiert, das war so süß.“ You’ll never walk alone, die Fußball-Hymne des Herzensvereins, nichts passt besser.
In Emils Personalausweis steht noch sein alter Name, das nervte besonders während der Pandemie, weil er in jedem Testzentrum damit angesprochen wurde. „Deadname“ nennen Transpersonen ihren alten Namen. Den toten Namen. Emil zuckt die Schultern: „Das ist einfach ein fremder Name, das berührt mich nicht.“
Transpersonen: Neues Gesetz zur Namensänderung
Er hat sich einen „Ergänzungsausweis“ besorgt, mit dem kann man etwa seinen Namen auf der Krankenkassenkarte ändern lassen, aber einen Personalausweis mit neuem Namen, das ist derzeit noch eine riesige Hürde: Zwei teure psychologische Gutachten nach langer Therapie muss man vorlegen für die Namens- und Geschlechtsänderung beim Standesamt.

Dass die Ampel-Regierung diesen Schritt demnächst vereinfach will und in Zukunft jeder per „Selbstauskunft“ seine Daten ändern können soll, das ist eine riesige Erleichterung, sagt Emil, der – wie derzeit noch vorgeschrieben – eine „Begleittherapie“ macht: „Aber ich bin ja nicht krank. Ich muss einer fremden Person intimste Dinge erzählen, das ist einfach ein krasser Eingriff in meine Privatsphäre.“
„Ich habe keine Lust auf Stereotype“
Im falschen Körper geboren, das heißt es ja oft über Transpersonen. Emil, schmale Gestalt, Ohrschmuck und lackierte Fingernägel, schüttelt energisch den Kopf: „Nein, so fühle ich mich nicht. Transsein bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man seinem Körper komplett ablehnt und ändern will.“ Lieber spricht er von „Feintuning“. Eine Mastektomie etwa, die gehöre zu seinem Weg, die will er auf jeden Fall machen. Emil verwendet den Fachbegriff für die Entfernung der Brust routiniert.
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Eine Hormonbehandlung hingegen ist erst einmal nicht geplant. Bartwuchs, tiefe Stimme, Muskelaufbau, das sei ihm derzeit nicht wichtig: „Von Transpersonen wird ja oft erwartet, dass sie besonders männlich oder besonders weiblich sein sollen, um von der Gesellschaft als Männer oder Frauen anerkannt zu werden. Aber ich habe keine Lust auf Stereotype. Ich ziehe an, was ich will und schminke mich, wenn ich will. Und wenn fremde Leute dann ein falsches Pronomen für mich benutzen, dann ist das eben so.“
„Das Gute am Transsein ist ja, dass man am Ende ziemlich genau weiß, wer man ist“
Auf seinem Handy hat Emil Fotos von sich auf dem Christopher Street Day in Berlin, mit Schmuck, Hawaiihemd und einem weiß geschminkten Gesicht. Drag, da denken die meisten Menschen an Federboa, Klimperwimpern und Olivia Jones, aber Drag, sagt Emil, ist viel mehr: „Drag ist genderloses Handeln, Ausprobieren, eine Kunstform.“ Dieser Clown mit dem weißen Gesicht, der zeige ganz viel von seinem Inneren: „Ich liebe es, dieser glamouröse Clown zu sein.“
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Femininer Transmann, glamouröser Clown – wer mit Emil spricht, merkt schnell, dass er weniger auf der Suche nach der eigenen Identität ist, als manch andere in seinem Alter. Wie kommt es, dass er so in sich ruht? „Naja“, sagt Emil und lächelt: „Das Gute am Transsein ist ja, dass man sich so sehr mit sich selbst beschäftigen muss, dass man am Ende ziemlich genau weiß, wer man ist.“