Darum schmerzen rassistische Sprüche so sehr
„Dann geh doch in den Busch!“: Diese Aussage knallte Janina Youssefian ihrer schwarzen Mit-Camperin Linda Nobat während eines Streits in der letzten Dschungelcamp-Folge vor den Latz. RTL warf sie kurzerhand raus. Ich musste schwer schlucken. Denn das Beispiel zeigt: Rassistische Äußerungen wie diese sind in unserer Gesellschaft immer noch „ganz normal“ – und bleiben, anders als aktuell im Dschungelcamp, meistens ungesühnt. Das glauben Sie nicht? Ich als schwarze Frau kann Ihnen sagen: Es ist aber so.
Es passiert oft ganz nebenbei, immer wieder, mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit. Ich kann ein Lied vom Alltagsrassismus singen und dem Unverständnis, das mir Nicht-Betroffene entgegengebracht haben.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
„Dann geh doch in den Busch!“: Diese Aussage knallte Janina Youssefian ihrer schwarzen Mit-Camperin Linda Nobat während eines Streits in der letzten Dschungelcamp-Folge vor den Latz. RTL warf sie kurzerhand raus. Ich musste schwer schlucken. Denn das Beispiel zeigt: Rassistische Äußerungen wie diese sind in unserer Gesellschaft immer noch „ganz normal“ – und bleiben, anders als aktuell im Dschungelcamp, meistens ungesühnt. Das glauben Sie nicht? Ich als schwarze Frau kann Ihnen sagen: Es ist aber so.
Der Umgangston im Dschungelcamp ist oft unterirdisch und von Respektlosigkeit geprägt – das zeigte der Streit zwischen Linda Nobat und Janina Youssefian am Montag. Dennoch gibt es Grenzen. Dazu gehören ganz klar auch rassistische Beleidigungen. Youssefian hatte nämlich versucht, Nobat nach einigen hässlichen „Bitch“-Beleidigungen mit den Worten „Geh doch zurück in den Busch“ abzuwürgen. Mit-Camper Harald Glööckler fand treffende Worte dafür: „Ihr steht euch in nichts nach, aber irgendwo ist eine Grenze!” Diese wurde überschritten.
Warum Rassismus kein Ausrutscher ist – eine Hamburgerin erzählt aus ihrem Alltag
Was viele Nicht-Betroffene nicht verstehen wollen: Rassismus ist unter keinen Umständen akzeptabel. Anti-Schwarzer-Rassismus steht historisch mit Kolonialismus und Völkermord in Verbindung. Er ist ein System der Unterdrückung und Entmenschlichung. Es macht also einen klaren Unterschied, ob man jemanden einfach als „Bitch“ bezeichnet oder rassistisch angreift. Denn durch Letzteres reproduziert man exakt diese Stereotype, die niemals und unter keinen Umständen reproduziert werden sollten. Solche Beleidigungen treten bei Betroffenen wie mir eine Lawine an Emotionen und Erinnerungen los, können sogar retraumatisieren.
Ich selbst kann ein Lied vom Alltagsrassismus singen und dem Unverständnis, das mir Nicht-Betroffene entgegengebracht haben.
Alltagsrassismus: Von Nicht-Betroffenen gekonnt ignoriert und relativiert
Umso erschütternder ist, wie „normal“ Alltagsrassismus ist. Es passiert oft ganz nebenbei, immer wieder, mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit. Wenn ich etwa mit weißen Freunden unterwegs bin und als einzige nicht gesiezt werde. Wenn ich im Geschäft nicht bedient und ignoriert werde, nach dem Motto: „Die Schwarze kauft eh nichts“, sich die Verkäufer:innen aber auf die nicht-schwarze Kundschaft geradezu stürzen. Oder permanent ein Auge auf mich haben, damit ich auch ja nichts klaue. „Dann kauf da halt nichts, Charlotte“ wurde mir mal entgegnet oder „das kam dir nur so vor, vielleicht hast du einfach nur nicht den Eindruck erweckt, dass du Hilfe brauchst“. Den einzigen Eindruck den das, die unzähligen Male, bei mir erweckt hat, ist, dass ich nicht dazu gehöre, ein Außenseiter in meiner eigenen Heimat bin, sogar mein Geld nicht gut genug ist. Warum wird uns Schwarzen Menschen nicht geglaubt? Warum werden unsere Erfahrungen relativiert?
Ähnliches ist in den Instagram-Kommentarspalten zu beobachten. Während RTL eine ganz klare Position gegen Rassismus bezogen hat, schreiben vor allem nicht-schwarze Kommentatoren: „Linda hat aber auch provoziert…“, „Völlig übertrieben. Janina wusste nicht mehr weiter und meinte es sicher nicht so…“. Doch genau das ist Teil des Problems: Janinas Aussage war ganz klar rassistisch. Verinnerlichter Rassismus, der in dem Moment aus ihr herausgebrochen ist, weil sie weiß, dass eine solche Beleidigung wirklich immer trifft. Das Argument „war nicht so gemeint“ zeigt erneut, wie „normal“ Rassismus immer noch ist.
Rassismus in Schule: Von Buschmenschen und ignoranten Lehrern
In meiner Schulzeit sind Sätze gefallen wie: „Wir sind hier nicht im Busch!”, „Ihr benehmt euch wie die Buschmenschen“ und ähnliches. Von einem Lehrer. Ein halbes Jahr lang, bis ich es nicht mehr aushielt. Nach einem Gespräch mit meinem Schulleiter war endlich Schluss damit. Einsicht gab es aber keine. „Charlotte, das war ein Scherz und als solchen solltest du das auch einfach sehen.“ Zehn Jahre später finde ich es immer noch nicht lustig.
Manchmal ist Alltagsrassismus auch als etwas Positives getarnt: „Du sprichst aber gutes Deutsch, wo hast du das gelernt?” Gerne spricht man mich auch in „Denglisch“ an, oder so, als sei ich schwer von Begriff. Und nicht zu vergessen, der Klassiker: „Woher kommst du wirklich?“
Das könnte Sie auch interessieren: Kolumne – Ein bisschen Rassismus ist verhältnismäßig?
Ich könnte die Liste noch ewig so weiterführen, die schlimmsten Erlebnisse herauskramen. Tue ich aber nicht. Ich muss niemandem etwas beweisen.
Youssefian ist kein Opfer, sondern Täterin: Rassismus überschreitet eine Grenze
Zwar entschuldigt sich Youssefian in einem Instagram-Post, macht sich ein paar Sätze später aber selbst zum Opfer. Und es kommt so rüber, als wolle sie sich durch ihren eigenen Migrationshintergrund und eigene Rassismuserfahrungen von ihren rassistischen Handlungen freisprechen. Irgendwie perfide. Youssefian, dein Migrationshintergrund macht dich nicht weniger rassistisch!