Eine tote Radfahrerin, ein Urteil – und ein Lkw-Fahrer am Boden
Ole D. (53) macht in 31 Berufsjahren als Lkw-Fahrer alles richtig, fährt immer tadellos – bis er im Juli 2022 eine Radfahrerin übersieht. Die 19-jährige Fine stirbt am Unfallort. Am Mittwoch musste er sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht Barmbek verantworten. Das Urteil: Eine Geldstrafe.
Ole D. (53) macht in 31 Berufsjahren als Lkw-Fahrer alles richtig, fährt immer tadellos – bis er im Juli 2022 eine Radfahrerin übersieht. Die 19-jährige Fine stirbt am Unfallort. Am Mittwoch musste er sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht Barmbek verantworten. Das Urteil: eine Geldstrafe.
Der Angeklagte, ein Hamburger Jung in Kurzarmhemd, ist nicht der Typ für große Emotionen. Aber eines ist ihm wichtig: „Ich möchte sagen, dass es mir sehr leid tut“, sagt Ole D. und blickt zu den Angehörigen der verstorbenen 19-Jährigen. „Ich würde es sofort rückgängig machen, wenn ich könnte.“ Bereits kurz nach dem Unfall hat er einen Brief an die Hinterbliebenen geschrieben.
Hamburg: Lkw-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung angeklagt
Ole D. (53) absolvierte die Hauptschule, machte eine Lehre zum Bauschlosser und ging dann 18 Monate zur Bundeswehr. Dann wurde er Lkw-Fahrer – mittlerweile ist er das seit 31 Jahren. „Leidenschaftlich“, wie er betont. Bis zu jenem 11. Juli im vergangenen Jahr.
An dem Tag soll er um 12.32 Uhr an der Kreuzung Poppenbütteler Weg/Goldröschenweg (Poppenbüttel) die 19-jährige Radfahrerin beim Abbiegen übersehen haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Der Lkw und die Radfahrerin kollidierten, sie erlitt lebensgefährliche Verletzungen und verstarb noch am Unfallort.
Er sollte an dem Tag Sand auf eine Baustelle bringen, erzählt Ole D. vor Gericht. An der Kreuzung setzte er die Blinklichter, zeigte, dass er rechts abbiegen wollte. Während des Wartens habe er den Verkehr beobachtet, sich stets versichert, dass kein Radfahrer da sei. Als es grün wurde, sei er langsam angefahren und habe noch mal nach Fußgängern geschaut. Plötzlich hörte er ein „schleifendes Geräusch“ und bremste.
Unfall: Radfahrerin stirbt am Unfallort, Lkw-Fahrer am Boden
„Ich saß vorm Lkw und bin völlig zusammengebrochen“, schildert Ole D. „Ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Eigentlich habe ich es am nächsten Tag erst realisiert, als es immer wieder vor meinen Augen ablief.“ Drei Monate war er krankgeschrieben, wurde im Trauma-Center betreut. Darauf folgte eine zweiwöchige Eingliederung. Mittlerweile arbeitet er wieder – mit einem Abbiege-Assistenten im Lkw.
Mario R. (54) aus Giersleben (Sachsen-Anhalt) ist am Mittwoch als Zeuge geladen. Am Tag des Unfalls stand er mit seinem Lkw genau hinter Ole D. an der Ampel. „Paar Sekunden später kam das Mädchen“, berichtet er. Sie fuhr an ihm vorbei, er verlor sie aus dem Blick. „Dann habe ich sie erst wieder gesehen, als sie tot unter dem Lkw lag.“
Der Sachverständige Oktay D. (42) dokumentierte den Unfall damals und stellte fest: Der Angeklagte sei mit maximal zwölf Kilometern pro Stunde angefahren. „Es gibt einen toten Winkel, wenn man rechts daneben (neben dem Lkw auf gleicher Höhe, Anm. d. Red.) steht“, bestätigt er dem Richter. Und auch beim Abbiegen.
Prozess: Verteidigerin fordert Freispruch
Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung, den Einzug der Fahrerlaubnis und ein Fahrverbot von zwei Jahren. „Wo genau wer gestanden hat, wissen wir nicht“, entgegnet die Verteidigerin des Angeklagten. „Herr D. hat sich meines Erachtens ordnungsgemäß verhalten.“ Sie fordert Freispruch.
Das Urteil: Eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 75 Euro (insgesamt 9000 Euro) und einen Monat Fahrverbot wegen fahrlässiger Tötung – damit ist er vorbestraft. „Man hätte die Verstorbene sehr wohl durch den Frontspiegel sehen können“, so die Einschätzung des Richters. Er glaube dem Angeklagten aber, dass er ein umsichtiger Fahrer sei und der Unfall ihn sehr getroffen habe.
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„Es ist nur ein Bruchteil einer Sekunde, der über so viele Schicksale entscheidet“, sagt der Richter. Einen wirklichen Ausgleich für diese Tragödie könne das Gericht nicht leisten.